Senioren fühlen sich 13 Jahre jünger als es ihrem Lebensalter entspricht
Berlin (idw) - Menschen über 70 Jahre fühlen sich durchschnittlich 13 Jahre jünger
als es ihren Lebensjahren entspricht. Zu diesem Ergebnis kommt eine jüngst im Journal of Gerontology: Psychological
Sciences veröffentlichte Studie, die von Forscherinnen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung
und der Universität Michigan durchgeführt wurde. Die Studie untersucht Veränderungen der Selbstwahrnehmung
des Alters und der Alterszufriedenheit über die Zeit an Daten der Berliner Altersstudie.
Während sich das Gefühl, 13 Jahre jünger zu sein, im Laufe der Studie nicht veränderte, nahm
die Differenz zwischen Lebensalter und im Spiegel wahrgenommenen Alter sowie der Grad der Zufriedenheit der Studienteilnehmerinnen
und Teilnehmer im Laufe des sechsjährigen Beobachtungszeitraums ab.
Gefühl, 13 Jahre jünger zu sein, hält an Dass sich ältere Menschen in der Regel jünger
fühlen, als es ihrem Lebensalter entspricht, konnte bereits in mehreren Studien aufgezeigt werden. Aber verändert
sich die Alterseinschätzung im Laufe der Zeit? Und welche Faktoren können das gefühlte Alter beeinflussen?
Zur Beantwortung dieser Fragen untersuchten die Psychologinnen sechs Jahre lang 516 Berliner Frauen und Männer
im Alter von 70 bis 104 Jahren, die an der Berliner Altersstudie teilnahmen. "Die Teilnehmer unserer Studie
fühlten sich durchschnittlich 13 Jahre jünger als es ihrem Lebensalter entspricht. Das Überraschende
für uns war, dass sich an dieser Einschätzung im Laufe des sechsjährigen Beobachtungszeitraums so
gut wie nichts änderte", erläutert Anna Kleinspehn-Ammerlahn, die die Studie zusammen mit Dana Kotter-Grühn,
beide am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, und Jacqui Smith, Universität Michigan, durchführte.
Die nähere Untersuchung zeigte allerdings Unterschiede zwischen Personen unterschiedlichen Alters: So wurde
beobachtet, dass ältere Studienteilnehmerinnen und Teilnehmer über die Zeit sogar ein vergleichsweise
noch jüngeres gefühltes Alter berichteten als die Jüngeren. Die Veränderung des gefühlten
Alters war aber nicht nur vom Lebensalter, sondern außerdem vom Gesundheitsstatus der Seniorinnen und Senioren
abhängig.
Einschätzung des physischen Alters und der Alterszufriedenheit verändert sich über die Zeit Die
Psychologinnen wollten außerdem von den Studienteilnehmern wissen, wie alt sie sich fühlen, wenn Sie
sich im Spiegel betrachten. Fühlten sich die Teilnehmer zu Beginn der Studie beim Blick in den Spiegel noch
10 Jahre jünger, lag die Differenz zum Lebensalter am Ende der Studie nur noch bei 7 Jahren. Allerdings konnte
hier ein deutlicher Geschlechterunterschied beobachtet werden: Frauen fühlten sich im Vergleich vier Jahre
älter als die männlichen Studienteilnehmer. Geschlechtsabhängige Unterschiede wurden auch hinsichtlich
der Zufriedenheit im Alter beobachtet. So gaben die männlichen Teilnehmer zu Beginn der Studie eine höhere
Zufriedenheit mit ihrem Alter an als die weiblichen Studienteilnehmerinnen. Allerdings zeigten die Männer
im Laufe des sechsjährigen Beobachtungszeitraums eine stärkere Abnahme der Zufriedenheit als die Frauen.
Ein geringerer Grad der Zufriedenheit hing jedoch nicht nur mit dem Geschlecht, sondern auch mit dem Alter, dem
Gesundheitszustand und der sozialen Schicht zusammen.
"Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang zwischen der Einschätzung, jünger zu sein und jünger
auszusehen als es dem tatsächlichen Lebensalter entspricht, und der Lebenszufriedenheit im Alter", erläutert
Kleinspehn-Ammerlahn. "Wir haben erste Hinweise darauf, dass die Selbsteinschätzung des Alters mit der
verbleibenden Lebenserwartung zusammenhängt. Interessant ist auch die Frage, ob Menschen, die sich jünger
fühlen, auch "jünger handeln" und jünger wahrgenommen werden. Diesen Zusammenhängen
muss in weiteren Untersuchungen nachgegangen werden."
Quelle: Anna Kleinspehn-Ammerlahn, Dana Kotter-Grühn, Jacqui Smith, Journal of Gerontology: Psychological
Sciences: 377-385, Vol. 63B, No. 6 (2008).
MPI für Bildungsforschung
Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung wurde 1963 in Berlin gegründet und ist als interdisziplinäre
Forschungseinrichtung dem Studium der menschlichen Entwicklung und Bildung gewidmet. Das Institut gehört zur
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., einer der führenden Organisationen für
Grundlagenforschung in Europa.
Die Berliner Altersstudie Die Berliner Altersstudie ist eine multidisziplinäre Untersuchung von Menschen im
Alter von 70 bis über 100 Jahren, die im ehemaligen Westteil Berlins leben. In der Hauptstudie (1990-1993)
wurde eine Kernstichprobe von 516 Personen in 14 Sitzungen hinsichtlich ihrer geistigen und körperlichen Gesundheit,
ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit und psychischen Befindlichkeit sowie ihrer sozialen und ökonomischen
Situation untersucht. Seitdem ist die Studie als Längsschnittstudie weitergeführt worden, indem überlebende
Teilnehmer siebenmal nachuntersucht wurden. |