Bonn (idw) - Viren und Bakterien hinterlassen im Körper oft auffällige Spuren. So kann bei einer
Infektion Erreger-DNA freiwerden, die dann die körpereigenen Abwehrtruppen auf den Plan ruft. Dazu verfügt
jede Körperzelle im Zellplasma über eine Art DNA-Sensor, der bei fremdem Erbgut Alarm schlägt. Wie
dieser Sensor genau aussieht, war bislang unbekannt. Forscher der Universitäten Bonn und Massachusetts liefern
nun jedoch auf diese Frage eine Antwort. Ihre Studie ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature erschienen.
Jeder Krimi-Leser kennt das: Manchmal hat man die Lösung genau vor der Nase, ohne es zu wissen. In diesem
Fall war es genauso: Das Molekül, das sich schließlich als DNA-Sensor entpuppte, war nämlich schon
länger bekannt. Es fristete bislang aber ein weitgehend unbeachtetes Dasein - vor allem deshalb, weil niemand
seine Funktion kannte.
Die Rede ist von einem Protein mit der kryptischen Bezeichnung AIM2. Entdeckt wurde es vor gut 10 Jahren - und
zwar paradoxer Weise deshalb, weil es in manchen Zellen fehlt: So verfügen bestimmte Hautkrebszellen über
kein AIM2. Daher stammt auch der Name: Absent In Melanoma, also "abwesend in Hautkrebszellen". "Die
meisten anderen Körperzellen bilden jedoch AIM2", erklärt Professor Dr. Veit Hornung. "Allerdings
wusste niemand, zu welchem Zweck." Bislang zumindest. Denn der Bonner Immunologe konnte jetzt zusammen mit
US-Kollegen nachweisen, dass es sich bei AIM2 um den lange gesuchten Erbgut-Sensor handelt.
Uralter Erbgut-Sensor
Die zelleigene DNA schwimmt nicht einfach frei in der Zelle herum, sondern ist im Zellkern verpackt. "Freie
DNA im Zytoplasma der Zelle stammt meist von Krankheitserregern, also beispielsweise Bakterien oder Viren",
erklärt Hornung. "Alternativ kann bei bestimmten Krankheitsprozessen auch körpereigene DNA freigesetzt
werden." Wenn AIM2 auf einen derartigen freien DNA-Faden stößt, dockt es daran an und setzt dann
eine komplizierte Signalkette in Gang. An ihrem Ende steht die Freisetzung so genannter Zytokine. Diese alarmieren
die körpereigenen Abwehrtruppen. Folge ist eine Entzündungsreaktion, die den Erregern das Leben schwer
machen soll. Der DNA-Sensor ist Teil des so genannten angeborenen Immunsystems, das bereits sehr früh im Laufe
der Evolution entstanden ist.
Professor Hornung hat erst vor kurzem den Ruf auf eine Professur im Institut für Klinische Biochemie und Pharmakologie
der Universität Bonn erhalten. Zuvor hat er zwei Jahre an der Universität von Massachusetts gearbeitet.
Dort ist auch ein großer Teil der Arbeiten zur Rolle von AIM2 gelaufen. Den Direktor des Instituts Professor
Dr. Gunther Hartmann kennt Hornung noch aus gemeinsamen Zeiten an der LMU München.
Dass DNA starke Entzündungsreaktionen auslöst, nutzte unbewusst übrigens bereits Edward Jenner,
der Urvater der Impfung, um das Immunsystem zu Höchstleistungen anzuspornen. "Je mehr wir in diesem Zusammenhang
über die DNA-Erkennung wissen, umso besser", betont Hornung. Die Ergebnisse der Nature-Studie lassen
aber auch auf ein besseres Verständnis von Autoimmunkrankheiten hoffen. Dazu zählt beispielsweise der
Lupus erythematodes. Bei diesem Leiden zerstören die Abwehrzellen das körpereigene Bindegewebe. Hornung:
"Es wäre möglich, dass Lupus aufgrund einer fehlgesteuerten Aktivierung von AIM2 durch eigene Erbgut-Moleküle
ausgelöst werden kann." |