Wiener Anthropologe entdeckt Herkunftsort der heiligen Stele von Lhasa    

erstellt am
02. 02. 09

Wien (öaw) - Vor dem weltbekannten Potala Palast in Lhasa steht die historische, als "Schöl Doring" bekannte Steinstele, eines der bedeutendsten Wahrzeichen der tibetischen Kulturgeschichte. Guntram Hazod von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gelang auf seiner jüngsten Forschungsreise in Zentraltibet die Identifizierung des Herkunftsortes dieser Inschriftensäule: das Tal Tri östlich von Lhasa.

Sie prägt seit Jahrhunderten das Stadtbild von Lhasa und ist eines der größten Wahrzeichen der tibetischen Kulturgeschichte: die zirka fünf Meter hohe, graziöse Inschriften-Stele vor dem weltbekannten Potala Palast. Die Inschriften stammen aus der Zeit um die Mitte des 8. Jahrhunderts. Sie gelten als das früheste Zeugnis der tibetischen Schrift und repräsentieren zugleich eine überaus bedeutende Quelle zur Geschichte des imperialzeitlichen Tibet (7.bis 9. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung).

Das erste historische Zeugnis für den Standort der Stele in Lhasa - die nach ihrem genaueren Platz in Schöl, der Siedlung am Fuße des Potala, auch als "Schöl-Langstein" bekannt ist - bilden Wandgemälde aus dem 17. Jahrhundert. "Mehrere Hinweise in den Quellen verweisen aber auf einen ursprünglich anderen Standort", sagt Guntram Hazod von der Forschungsstelle Sozialanthropologie der ÖAW. Der Anthropologe arbeitet seit vielen Jahren zur historischen Geographie des frühen und imperialzeitlichen Tibet, und ist dieser Frage nachgegangen.

Im Zuge einer Feldforschung im Herbst 2008 konnte Hazod als Herkunftsort der Stele das Tal Tri östlich von Lhasa identifizieren. Den Untersuchungen des Forschers zufolge stand sie über 900 Jahre an diesem Platz, bevor sie Ende des 17. Jahrhunderts, nach Errichtung des Potala-Palastes, der neuen Residenz des Dalai Lama, nach Lhasa transportiert wurde.

Auch Hügelgrab entdeckt
Die Identifizierung des alten Standortes war gepaart mit der überraschenden Entdeckung eines Hügelgrabes, das in seiner Form und Dimension (zirka 65 Meter Länge) mit den größten der tibetischen Königsgräber vergleichbar ist. Seine Lage unmittelbar neben dem Standort der Stele lässt auf einen direkten Zusammenhang mit den Inschriften schließen. Hazod: "Das bedeutet, dass das Grab aller Wahrscheinlichkeit nach die Ruhestätte jenes Mannes ist, dem die Inschriften gewidmet sind."

Dabei handelt es sich um Ngänlam Tagra Lukhong, einen bedeutenden Heerführer und Großminister des tibetischen Reiches. Den Inschriften zufolge führte er die tibetischen Truppen zum Sieg über China und besetzte mit seiner Armee kurze Zeit die chinesische Hauptstadt (763 nach unserer Zeitrechnung). "Der Text der Inschrift war jedoch vermutlich nicht das Motiv für die Überführung der Stele nach Lhasa, wo sie in einem neuen Kontext und als ein Element des architektonischen Ensembles des Potala eingeführt wurde", Hazod abschließend.
     
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