Ökumene-Vertreter in Österreich gratulieren neuem russisch-orthodoxen Patriarchen -
Marte: "Kraftvolle Persönlichkeit mit Weitblick"
Wien (pew) - Große Freude über die Wahl Kyrills I. zum neuen russisch-orthodoxen Patriarchen
haben Vertreter der Ökumene in Österreich geäußert. So betonte der Präsident der Stiftung
"Pro Oriente", Johann Marte, im Gespräch mit "Kathpress" die "weltbürgerliche
Offenheit" Kyrills, die man auch für den offiziellen ökumenischen Dialog zwischen der russisch-orthodoxen
Kirche und der katholischen Kirche als wichtiges Zeichen werten könne. "In Fragen der Ökumene ist
Patriarch Kyrill durchaus für Überraschungen gut", so Marte. Man könne davon ausgehen, dass
die bisherige "Politik der Entspannung" zwischen den Kirchen fortgesetzt werden wird, "da Kyrill
eine Persönlichkeit ist, die über den russischen Tellerrand hinaussieht, die gesamte Christenheit im
Blick behält und damit auch die Probleme, die wir nur gemeinsam lösen können", sagte Marte.
Im bisherigen ökumenischen Gespräch habe man Kyrill stets als "kraftvolle Persönlichkeit mit
großem Weitblick" und als "hervorragenden Theologen" kennen gelernt. Marte erinnerte an die
im Jahr 2000 verkündete Soziallehre der russisch-orthodoxen Kirche, die maßgeblich auf Kyrill zurückgeht,
sowie an das jüngste, ebenfalls aus seiner Feder stammende Dokument über Menschenwürde, Freiheit
und Menschenrechte in der russischen Orthodoxie.
Zu Österreich pflege Kyrill nicht zuletzt durch "Pro Oriente" intensive Kontakte, die bis ins Jahr
1974 zurückreichen, als er am ersten ekklesiologischen "Pro Oriente"-Kolloquium unter dem Titel
"Koinonia" teilnahm. Dieses Kolloquium gilt bis heute als wichtiger Anstoß für den offiziellen
theologischen Dialog zwischen russisch-orthodoxer und katholischer Kirche.
Prokschi: Stärkere Profilierung zu erwarten
Auch der Ostkirchenexperte und Ordinarius für Patrologie und Ostkirchenkunde an der Wiener Katholisch-Theologischen
Fakultät, Prof. Rudolf Prokschi, betonte im Gespräch mit "Kathpress" seine Zufriedenheit mit
der Wahl von Patriarch Kyrill. Mit Kyrill sei ein herausragender russischer Theologe und zugleich ein "Weltbürger"
gewählt worden, der "wie kein anderer in den vergangenen Jahren die russische Orthodoxie und den ökumenischen
Dialog mit der katholischen Kirche geprägt hat", sagte der Vorsitzende der Wiener "Diözesankommission
für ökumenische Fragen".
Seinen Weitblick habe Kyrill etwa unter Beweis gestellt, in dem er den ökumenischen Dialog von den bleibenden
trennenden Fragen auf eine Betonung der Gemeinsamkeiten in sozialethischen Fragen umlenkte. Im Blick auf die Wertefrage
in Europa habe Kyrill die katholische Kirche zu einer "strategischen Allianz" eingeladen, da sich die
Kirchen in diesen Fragen nahe sind und der Patriarch es zugleich als "Gebot der Stunde" auffasse, "in
der Frage der Werte Einheit zu zeigen", so Prokschi.
In der innerrussischen Gestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche erwartet Prokschi eine "stärkere
Profilierung". Zwar werde Kyrill nicht am guten, "aus westlicher Sicht nicht immer leicht nachvollziehbaren"
Staat-Kirche-Verhältnis rütteln. Der neue Patriarch werde jedoch stärker auf die Klärung offener
Fragen drängen, darunter die Einführung des Religionsunterrichts und die Restitution des von den Kommunisten
beschlagnahmten Kirchenvermögens an das Patriarchat. |