Direktzahlungen müssen genauestens begründet werden
Wien (bmlfuw/aiz) - Die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) nach
2013 stand am 09.02. im Mittelpunkt der Wintertagung 2009 des Ökosozialen Forums Österreich. Verschiedenste
Experten aus dem In- und Ausland widmeten sich vor allem der Frage, wie die GAP mit Direktzahlungen und Ländlicher
Entwicklung noch effizienter gestaltet werden kann, um bestehende und künftige Herausforderungen zu bewältigen
und sich bietende Marktchancen ergreifen zu können.
Müller: Antworten auf globale Herausforderungen gefragt
Alexander Müller, stellvertretender Generaldirektor der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
(FAO) zeigte auf, dass die Europäische Union im globalen Umfeld auch künftig mit enormen Herausforderungen
zu kämpfen haben wird. So dürfte die Weltbevölkerung in den nächsten 40 Jahren um weitere 3
Mrd. Menschen wachsen, wobei entsprechend mehr Nahrungsmittel benötigt werden. Bereits 2008 seien 40 bis 60
Staaten der Erde massiv von der Unterernährung betroffen gewesen. Parallel zu diesem Problem gelte es aber
auch, die Treibhausgasemissionen einzuschränken, um den Klimawandel zu vermindern. Zu diesem Zweck müsse
die Energieeffizienz erhöht und erneuerbare Energieträger eingesetzt werden. Dabei dürfe jedoch
die Lebensmittel-Produktion nicht gefährdet werden, so Müller. Der FAO-Vertreter gab weiters zu bedenken,
dass bereits heute 70% des globalen Wasserverbrauchs auf die Landwirtschaft entfallen und die Getreidepreise in
einem immer stärkeren Maße vom Ölpreis bestimmt werden. Ein fairer Welthandel bestehe weder in
einem komplett freien Handel noch im Protektionismus. Vielmehr sei die richtige, globale Regulierung entscheidend,
so Müller.
Heißenhuber: Direktzahlungen müssen gut begründet werden
Für Europa sei es wichtig, jetzt über Konzepte und die richtigen Instrumente für die Zeit nach 2013
nachzudenken, meinte Alois Heißenhuber vom Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Landbaues der Technischen
Universität München, Freising-Weihenstephan. Dabei werde Europa gut beraten sein, am europäischen
Modell einer multifunktionalen Landwirtschaft festzuhalten, auch wenn das Prinzip der Multifunktionalität
nicht für jeden einzelnen Betrieb gelte. Bei der Bemessung der Direktzahlungen werde sicherlich der Umfang
der Cross-Compliance-Verpflichtungen zu berücksichtigen sein, sagte Heißenhuber. Am wichtigsten sei
in diesem Zusammenhang aber eine tragfähige, für Konsumenten und Bevölkerung nachvollziehbare Legitimation
der Direktzahlungen. Dabei sei ein klarer Leistungsbezug unerlässlich, wobei Bereiche wie Wassermanagement,
Landschaftspflege, Biodiversitätsschutz und ähnliches umfassend erläutert werden müssten. Zielgerichtete
Zahlungen stünden bei allen derzeit in Erwägung gezogenen Konzepten für die Neuausrichtung der GAP
jedenfalls im Mittelpunkt.
Bensted-Smith: Für Zeit nach 2013 "radikalere" Fragen und Antworten erwartet
Der Leiter der Direktion Wirtschaftliche Analysen von der Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission, John
Bensted-Smith, meinte, dass sich die Diskussionsthemen im Hinblick auf die GAP nach 2013 nicht wesentlich von der
Debatte zum Gesundheitscheck unterscheiden würden. Allerdings könnten sowohl Fragen als auch Antworten
"radikaler" ausfallen, als in der Zeit davor. Hintergrund seien schwankende landwirtschaftliche Preise,
wobei die Kommission insgesamt eine für die Bauern bessere Preissituation erwartet, als etwa in den vergangenen
Jahren (2001 bis 2006). Generell sollte die landwirtschaftliche Tätigkeit in allen Regionen erhalten bleiben,
wobei Direktzahlungen die effizientesten Mittel zur Einkommensstützung seien. Europas Landwirte seien gefordert,
sich am Markt zu orientieren, allerdings seien auch Sicherheitsnetze notwendig, so Bensted-Smith. Nach wie vor
relevant blieben sicherlich auch die Ziele der Ländlichen Entwicklung, die zudem modernen Herausforderungen
wie Klimawandel etc. gerecht würden.
Mang: Strategische und marktorientierte Antworten finden
Weitgehend zufrieden mit den derzeitigen GAP-Instrumenten zeigte sich der Generalsekretär aus dem Lebensministerium,
Reinhard Mang, in Vertretung von Bundesminister Niki Berlakovich. So soll auch in Zukunft - wie von der Gesellschaft
gefordert - eine flächendeckende, bäuerliche Landwirtschaft in Europa und Österreich erhalten bleiben.
Dazu seien eine vitale erste und eine vitale zweite GAP-Säule erforderlich. Man werde sich intensiv in den
Diskussionsprozess für die Zeit nach 2013 einbringen, um strategische, marktorientierte und konzentrierte
Antworten auf die sich bietenden Chancen zu finden. Auch Mang betonte, dass man noch viel genauer auf die Vorstellungen
der Gesellschaft hinhören müsse, um die Leistungsabgeltungen entsprechend aufstellen und begründen
zu können. Von entscheidender Bedeutung sei zudem die Weiterentwicklung des betriebswirtschaftlichen, unternehmerischen
Verständnisses der Landwirte, um erfolgreiches und wettbewerbsfähiges Handeln zu ermöglichen. Gleichzeitig
sei aber auch die Herausforderung des Klimawandels ernst zu nehmen. Im Rahmen der europäischen Vorgaben gelte
es nun, einen Masterplan für die erneuerbaren Energieträger zu erarbeiten und Bemühungen in Richtung
Energieautarkie und -effizienz zu fördern.
Wlodkowski: GAP-Renationalisierung und -Mittelkürzung abzulehnen
Entschieden für eine flächendeckende Landwirtschaft in der EU und gegen eine Renationalisierung der GAP
sprach sich auch der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Gerhard Wlodkowski, aus. Letzteres
würde den Wettbewerb in Europa noch weiter auseinanderdriften lassen, betonte der LK-Präsident. Auch
unterstrich Wlodkowski, dass eine weitere Kürzung des Agrarhaushaltes abzulehnen sei, da der Landwirtschaft
- im Gegensatz zu anderen Bereichen, wie dem Strukturfonds - in den vergangenen Jahren bereits umfangreiche Reformen
zugemutet worden seien. Außerdem werde der Anteil der Agrarmittel am EU-Gesamtbudget bis 2013 auf mehr als
ein Drittel gesunken sein, während er früher mehr als 60% betragen habe. Zudem gab der Präsident
zu bedenken, dass der Anteil der Ausgaben an öffentlichen Geldern für die Landwirtschaft EU-weit nur
1% beträgt. Bäuerliche Betriebe hätten eine ganze Reihe von international vorbildlichen Standards
im Qualitäts-, Sozial-, Tier- und Umweltschutz-Bereich einzuhalten, wofür es auch eine gewisse Unterstützung
geben müsse. Wlodkowski setzt sich zudem dafür ein, dass diese Standards nicht nur am eigenen Markt,
sondern auch bei Importen gelten müssen.
Schmitz: Brauchen nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft
Höchst kritisch bewertet die derzeitige GAP-Situation Michael Schmitz, Chef des Instituts für Agrarpolitik
und Marktforschung der Justus-Liebig-Universität Gießen, dessen Vortrag viel Diskussionsstoff bot. Er
meinte, dass es derzeit zu viele nationale Sonderwege gebe, was unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen schaffe.
Auch seien neue Bürokratie und neuer Protektionismus zu beobachten sowie eine Priorisierung der Umverteilung
vor Wachstum und Wettbewerb. Der Staat sollte sich aus Preis- und Mengensteuerung heraushalten, begrenzende Quoten
abschaffen und lediglich geeignete Spielregeln für den Handel schaffen, so Schmitz auch im Hinblick auf die
Wirtschaftskrise. Seiner Meinung nach wäre die Europäische Union zudem gut beraten, ihre Pflanzenschutz-
und Gentechnikpolitik zu überdenken, da diese dem Wettbewerb entgegenstehe. Für 2020 erwartet der Agrarmarktforscher
ferner einen Wegfall der Exporterstattungen, einen Abbau des Außenschutzes, größere Preisvolatilität
und eine anhaltende Dynamik auf den Weltagrarmärkten, wobei einige Konkurrenten der EU anpassungsfähiger
sein dürften als die EU mit ihren mindestens 27 Mitgliedstaaten. Schmitz warnte vor einer allzu umfangreichen
Umstellung auf extensive Landwirtschaft, da diese mehr Flächen benötige, was wiederum insgesamt auf Kosten
von Naturschutzgebieten gehen könne. Vielmehr sei eine "nachhaltige Intensivierung" der Landwirtschaft
erforderlich. |