Gefahr für Verkehrssicherheit, Belastung für Umwelt, Milliardenkosten für Umbauten
Wien (bmvit) - Verkehrsministerin Doris Bures will die Zulassung von Gigalinern, das sind bis zu
60 Tonnen schwere und 25,25 Meter lange Mega-Trucks, auf Österreichs Straßen verhindern. Die EU-weite
Zulassung von Gigalinern würde zwei zentrale Anstrengungen ihrer Verkehrspolitik, nämlich mehr Sicherheit
auf den Straßen und Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, konterkarieren. Ganz zu schweigen
davon, dass das für das hiesige Straßenetz Milliarden kosten würde, wegen den dann notwendigen
Umbauten und der weitaus stärkeren Abnutzung von Straßen und Brücken.
Seit Ende Jänner liegt die Endfassung einer von der Kommission der Europäischen Union (EU) in Auftrag
gegebene Studie zu den Gigalinern vor, die stark von den Befürwortern geprägt ist. Vom Bundesministerium
für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) wurden bereits im Vorjahr, nachdem die Kommission die wichtigsten
Ergebnisse der Studie erstmals präsentiert hat, die Einwände Österreichs formuliert und bei der
Kommission deponiert. Konkret wird von den Expertinnen und Experten des BMVIT auf widersprüchliche Ergebnisse,
nicht nachvollziehbare Vergleiche und in der Folge auf eine nicht durch die Datenlage gedeckte Empfehlung für
die Zulassung aufmerksam gemacht.
Verkehrsministerin Bures: "Auf unseren Straßen geht die Sicherheit vor. Und wir tun alles, damit wir
den Güterverkehr verstärkt von der Straße auf die Schiene bringen, und nicht umgekehrt." Ihre
wichtigsten Einwände gegen die Zulassung von Gigalinern:
- Massive Rückverlagerung von der Schiene auf die Straße.
- Zusätzliche Umweltbelastung: Der Gigaliner wickelt Güterverkehre elf Mal umweltbelastender ab als
die Bahn.
- Negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit: Größere Fahrzeuge mit höheren Gewichten beeinflussen
unter anderem durch längere Überholmanöver und längeren Bremsweg sowohl die Unfallhäufigkeit
als auch die Unfallschwere negativ.
Außerdem wären gravierende Umbauten im österreichischen Straßennetz notwendig. Bauliche Maßnahmen
(zum Beispiel: eine Verstärkung der Leitschienen, die Schaffung geeigneter Parkplätze bei Raststätten
oder Verbreiterungen von Fahrbahnen, Kreisverkehren und Auffahrten) wären ebenso erforderlich wie deutlich
kürzere Instandsetzungszyklen wegen der stärkeren Abnützung.
Brücken und Tunnel, die in Österreich einen überproportional hohen Anteil von 15 Prozent des hochrangigen
Straßennetzes ausmachen, müssten darüber hinaus speziell verstärkt oder adaptiert werden,
zum Beispiel im Hinblick auf Tragfähigkeit, Tunnelsicherheit und Brandschutz.
Die Infrastrukturministerin baut bei ihrer Initiative gegen die 60-Tonner auch auf die Unterstützung der Autofahrerklubs,
die sich bisher stets entschieden gegen diesen laut Bures "verkehrs- und umweltpolitischen Holzweg" ausgesprochen
haben. Auch im Regierungsprogramm gibt es dazu eine klare Festlegung, wo es im Abschnitt "Maße und Gewichte
für Lastkraftwagen (Lkw) auf Ebene der Europäischen Union (EU) sowie Lenk- und Ruhezeiten" heißt:
"Die Bundesregierung wird sich gegen eine Aufweichung der derzeitigen Regelungen für Maße und Gewichte
und der Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr auf EU-Ebene positionieren."
Hintergrund: Seit längerem wird in der EU über die Zulassung von sogenannten Gigalinern, das sind Lkw-Züge
mit 25,25 Meter Länge und 60 Tonnen Gewicht, diskutiert. In Schweden und Finnland sind diese Longer and Heavier
Vehicles (LHV) seit 1997 unterwegs, vor allem im Holztransport; im Beitrittsvertrag wurde den beiden Staaten das
erlaubt, freilich mit der Einschränkung, dass sie nur auf eigenem Staatsgebiet und nicht wettbewerbsverzerrend
eingesetzt werden dürfen. Schweden und Finnland drängen jetzt auf die EU-weite Zulassung.
Mittlerweile finden aber die Gigaliner auch in anderen Staaten Befürworter. Dänemark, Niederlande und
einige deutsche Bundesländer haben sie im Testbetrieb. Zugleich stoßen die auch LHV genannten Lkw-Züge
auf entschiedene Ablehnung in Italien, Frankreich, Großbritannien und den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten.
Auch Deutschland ist (trotz Probebetrieb in einigen Bundesländern) gegen die EU-weite Zulassung.
Das Verkehrsministerium hat eine umfangreiche Stellungnahme an die Kommission geschickt, in der die ungeklärten
Fragen und offensichtlichen Widersprüche der Studie (die bis vor kurzem nur in Form von Präsentationsfolien
vorlag und erst seit Ende Jänner 2009 in der endgültigen Fassung) angeführt sind, und weiters auch
umfangreiche und gut abgesicherte Erkenntnisse, die gegen den Einsatz von Gigalinern sprechen.
Zugleich hat das BMVIT zwei eigene Studien in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse Ende März vorliegen werden.
Außerdem wurde von der Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs- Aktiengesellschaft (ASFINAG)
eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die sich insbesondere den Auswirkungen dieser 60-Tonner auf die Straßen
(Breite, Kurvenradien, Abnutzung), Brücken und Tunnel widmen soll.
|