Norbert Kreuzinger entwickelt an der TU Wien Methoden, chemische Spurenschadstoffe im Abwasser
unschädlich zu machen.
Wien (tu) - Morgendliches Duschen, Zähneputzen, kleine und große Geschäfte, Wäsche
waschen, Geschirr spülen, die Liste lässt sich fortsetzen. Das Wasser, das wir Tag für Tag verbrauchen,
landet in der Kanalisation, mit allen darin enthaltenen natürlichen und künstlichen chemischen Substanzen.
98 Prozent des in Wien produzierten Abwassers enden in der Simmeringer Hauptkläranlage. Dort betreibt Norbert
Kreuzinger, Assistenzprofessor am Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft
der Technischen Universität Wien, mit seinem Team eine Versuchskläranlage. Sein Ziel ist, auch die nach
der gründlichen biologischen Reinigung noch verbleibenden Spurenschadstoffe, die chemisch sehr widerstandsfähig
sind, aus dem Wasser herauszuholen.
Ein bunter Cocktail
"Wir zweigen knapp ein Prozent des Wassers ab, das aufbereitet aus der Hauptkläranlage Simmering
herauskommt, behandeln es weiter und untersuchen, welche Reststoffe in welchen Mengen noch enthalten sind",
erklärt Kreuzinger. Und Reststoffe gibt es dort viele. Rückstände von Pharmazeutika wie Schmerzmittel
und Entzündungshemmer zum Beispiel, aber auch besonders widerstandsfähige Röntgenkontrastmittel
sind da zu finden. Oder ein bunter Cocktail aus in den Badezimmern abgewaschenen Kosmetika, wenn auch in sehr kleinen
Mengen, wie Kreuzinger einräumt. " Grundsätzlich sieht es mit der Qualität der geklärten
Abwässer bei uns gut aus", meint er. Das hat auch eine Studie über das Vorkommen von Hormonen in
österreichischen Gewässern bestätigt, die von einem großen interdisziplinären Forscherteam
vor mittlerweile fünf Jahren publiziert wurde.
Künstlich haltbar gemacht
Dennoch nehmen die Behörden in Österreich und der EU das Thema Spurenschadstoffe im Abwasser
weiterhin sehr ernst. Zum einen, weil in Untersuchungen gezeigt werden konnte, das gewisse Stoffe auch in sehr
kleinen Konzentrationen negative Auswirkungen auf Gewässerorganismen haben können. "Gerade Medikamente
oder Kosmetika werden chemisch so gebaut, dass sie im Körper möglichst langsam oder gar nicht abgebaut
werden, sie sollen ja möglichst lange wirken", sagt der Forscher. Umso größer ist die Herausforderung,
auch diese Stoffe beim Klärvorgang aus dem Wasser herauszubekommen.
Chemische Radikalkur
Kreuzingers Zugang, die Spurenschadstoffe unschädlich zu machen, klingt zunächst simpel: In seiner
Versuchsanlage setzt er dem Wasser Ozon zu. "Dabei entstehen so genannte Sauerstoffradikale, das sind chemisch
sehr aktive einzelne Sauerstoffatome", erklärt er das Prinzip. Mit ihnen kann man vergleichsweise große
Moleküle, wie es die allermeisten Reststoffe sind, in kleinere Einheiten zerlegen. Damit verlieren sie ihre
ursprüngliche Wirkung und sind zudem biologisch besser abbaubar als die widerstandsfähigen Ausgangsstoffe.
Auch hier: Grundlagenforschung
In der Umweltchemie, wie auch anderswo, gilt: Man findet grundsätzlich nur die Substanzen, die man
schon kennt. Für einige der im Abwasser vermuteten Stoffe gibt es nach wie vor keine Nachweistests. "In
den letzten Jahren sind in der Entwicklung neuer Nachweismethoden aber große Fortschritte gemacht worden",
sagt Kreuzinger. Neben den Spurenschadstoffen selbst untersucht sein Forschungsteam auch mögliche Wirkungen
der mit Ozon geknackten Substanzen auf Lebewesen. "Wir testen das von uns behandelte Abwasser mit standardisierten
ökologischen Tests beispielsweise an Algen und Bakterien, um herauszufinden, ob die durch unsere Ozonbehandlung
entstehenden chemischen Spaltprodukte einen negativen Effekt auf Organismen haben", erklärt er. Die Tests
laufen gerade, weitere Ergebnisse erwarten die Forschenden bis zum Herbst dieses Jahres. |