Neuer Therapieansatz bei Lungenkrebs
Saarbrücken/Stuttgart (idw) - Wissenschaftler in Saarbrücken und Stuttgart verfolgen einen
neuen Therapieansatz bei Lungenkrebs: Sie entwickeln Substanzen zur Krebsbekämpfung, die eingeatmet werden
können. So wollen sie ein Enzym in den Krebszellen hemmen, das den bösartigen Zellen uneingeschränktes
Wachstum ermöglicht. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Forschungsprojekt mit 516.600 Euro.
Lungenkrebs ist eine der häufigsten bösartigen Tumorerkrankungen und fordert unter allen Krebsarten die
meisten Todesopfer. "Die Heilungschancen haben sich trotz verbesserter Operationstechniken, Strahlen- und
Chemotherapie nicht grundlegend erhöht", erklärt Professor Dr. Claus-Michael Lehr, Projektleiter
an der Universität des Saarlandes, Institut für Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie. Im Rahmen
des Forschungsprojektes soll daher eine neue Strategie zur Behandlung des Bronchialkarzinoms entwickelt werden.
Im Visier der Forscher steht das Enzym "Telomerase". Dieses Protein ist vorwiegend in Tumorzellen aktiv
und verhindert, dass die Zellen altern und absterben.
In gesunden Zellen ist der Alterungsprozess ein Mechanismus der "biologischen Uhr". Die Chromosomen,
auf denen die Erbinformation im Zellkern liegt, haben an ihren Enden so genannte Telomere. Diese schützen
die Erbsubstanz vor Schäden - ähnlich wie Plastikhülsen am Ende eines Schnürsenkels. Mit jeder
Zellteilung verkürzen sich die Telomere jedoch, so dass ihre Schutzfunktion mit der Zeit verloren geht. Die
Folge: Die Chromosomen werden instabil, die Zellteilung hört irgendwann auf. In Krebszellen hingegen verlängert
das Enzym Telomerase die Chromosomen-Enden immer wieder. Dadurch können sich die Tumorzellen immer weiter
teilen - sie sind quasi unsterblich.
Im Rahmen des von der Deutschen Krebshilfe geförderten Forschungsprojekts wollen die Wissenschaftler nun die
Aktivität der Telomerase in Lungenkrebszellen abschalten und die bösartigen Zellen so wieder zu sterblichen
Zellen machen. Um die Telomerase zu hemmen, setzen die Forscher ein so genanntes Antisense-Oligonukleotid (Antisense-Oligo)
ein. Dieses kurze Erbinformationsstück blockiert die Bauvorlage, welche die Telomerase für die Verlängerung
der Telomere benötigt.
Um den empfindlichen Wirkstoff unbeschadet und möglichst direkt in die Lungenkrebszellen zu bekommen, koppeln
die Wissenschaftler die Antisense-Oligos an kleinste Partikel aus biologisch abbaubaren Materialien. Dadurch wird
die Substanz stabilisiert, so dass sie intakt in die Zelle aufgenommen werden kann. Außerdem lässt sie
sich in feinen Tröpfchen vernebeln, die dann vom Patienten inhaliert werden können. Durch diese lokale
Behandlung ist die Wirksamkeit am Wirkort - der Lunge - erhöht.
Die Wirksamkeit dieser "verpackten" Antisense-Oligos zur Hemmung der Telomerase-Aktivität wurde
bereits in isolierten Krebszellen im Labor nachgewiesen. "Um die bisherigen experimentellen Befunde dieses
neuen Konzeptes und die Effektivität der inhalierbaren Substanz zu überprüfen, sind aber noch weitere
Untersuchungen notwendig", erklärt Lehr. Das Forschungsprojekt ist eine Kooperation der Abteilung Biopharmazie
und Pharmazeutische Technologie der Universität Saarbrücken, dem Dr. Margarete-Fischer-Bosch Institut
für Klinische Pharmakologie (Projektleiter Dr. Thomas Mürdter) und der Abteilung für Thoraxchirurgie
der Klinik Schillerhöhe in Gerlingen (Privatdozent Dr. Godehard Friedel). |