Aktuelle Aussprache, Berichte und Anträge verhandelt
Wien (pk) - Mit einer breiten Palette an Themen beschäftigte sich der Außenpolitische
Ausschuss des Nationalrats in seiner Sitzung am 03.03., die mit einer Aussprache über aktuelle Fragen aus
dem Arbeitsbereich des Ausschusses begann.
Außenminister Michael Spindelegger berichtete eingangs der aktuellen Aussprache von der gestern stattgehabten
Geberkonferenz für Gaza in Sharm el-Sheik. Von österreichischer Seite seien hierzu 2,5 Mio. € zugesichert
worden, die neben den bisher schon laufenden Projekten aufgewendet werden sollen. Insgesamt seien bei der Konferenz
4,5 Mrd. USD in Aussicht gestellt worden. Politisch habe man sich weiterhin der Zwei-Staaten-Lösung verschrieben,
die nun auch von den USA unterstützt werde. Überdies strebe man eine gemeinsame technische Regierung
von Hamas und Fatah im Hinblick auf die Wahlen 2010 an.
Darüber hinaus nannte Spindelegger drei Schwerpunkte seiner kommenden Arbeit. Er wolle Wien als Drehscheibe
für den Dialog etablieren, wozu es bereits erste Ansätze gebe. Zweitens gelte es der EU-Skepsis in gewissen
Bevölkerungskreisen entgegenzuwirken, und drittens sollte die weitere Entwicklung der Schwarzmeerregion rechtzeitig
in den Fokus genommen werden, da sich diese nach der VR China und Indien als die drittwichtigste ökonomische
Region der nächsten Zukunft erweisen werde.
Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) unterstrich die Wichtigkeit des Festhaltens an einer Zwei-Staaten-Lösung
und zeigte sich besorgt darüber, dass Israel im Jordanland 73.000 Wohnungen errichten wolle. Auch der Einsatz
von illegalen Waffen wie etwa Phosphorbomben durch die israelische Armee sei noch nicht geklärt. Weiters kam
die Abgeordnete auf die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise zu sprechen und erkundigte sich nach der Zukunft der
transatlantischen Beziehungen.
Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) setzte sich mit der Schwarzmeerregion auseinander und problematisierte
in diesem Zusammenhang die politische Lage im Kaukasus, wobei er sich insbesondere nach der Situation in Georgien
erkundigte.
Abgeordneter Johannes Hübner (F) wollte vom Außenminister wissen, wie es um das Osteuropa-Rettungspaket
stehe, welchen Standpunkt Österreich hier einnehme und welche Kontakte es pflege.
Abgeordneter Herbert Scheibner (B) meinte, wenn Österreich sich als Drehscheibe für den Dialog anbiete,
dann brauche es auch eigene Initiativen, um glaubwürdig als Mediator auftreten zu können. Die Geberkonferenz
sah Scheibner kritisch, weil keineswegs klar sei, ob die genannten Summen überhaupt erreicht werden würden.
Auch stelle sich die Frage der Sinnhaftigkeit solchen Tuns, bestehe doch die Gefahr, dass die durch diese Mittel
rekonstruierte Infrastruktur bei der nächsten Krise abermals zerstört werde. Zudem stelle sich die Frage,
ob Israel bereit sei, auch selbst zum Wiederaufbau beizutragen. Schließlich thematisierte auch Scheibner
die Schwarzmeerregion und die Finanzkrise.
Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) pflichtete seinem Vorredner hinsichtlich der Einschätzung der Situation
in Gaza bei und sprach sodann die Zukunft der Häftlinge von Guantanamo an. Diese nicht aufzunehmen hieße,
Guantanamo nachträglich zu legitimieren, meinte Van der Bellen. Hinsichtlich der Wirtschaftskrise fragte sich
der Abgeordnete, ob ein case-to-case-approach wirklich zweckdienlich sei. Dieser Zugang bedeute in der Praxis wenig
und schaffe nur Verunsicherung.
Abgeordnete Ursula Plassnik (V) erklärte, die Zwei-Staaten-Lösung müsse das politische Ziel bleiben,
daher sei ein Siedlungsstopp auch Kernthema der politischen Verhandlungen. Wichtig sei die Idee einer regionalen
Sicherheitsarchitektur, und hier könne Österreich eine wichtige Rolle spielen.
Abgeordneter Ewald Stadler (B) vertrat die Ansicht, Guantanamo sei ein prinzipielle Frage. Es sei nicht einzusehen,
warum die Welt den USA aus der Patsche helfen sollte, wenn diese sich einseitig über die Menschenrechte hinweggesetzt
haben. Skeptisch zeigte sich der Abgeordnete bezüglich der Zukunft Palästinas, dort müsse man sich
von romantischen Vorstellungen verabschieden. Das Beste, was man erreichen könne, sei Abwesenheit von Krieg.
Zudem regte Stadler an, Österreich möge Wien als Ort für Verhandlungen zwischen den USA und Israel
sowie dem Iran anbieten. Schließlich thematisierte Stadler noch die aktuelle Lage in Guinea-Bissau.
Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) sprach sich hingegen dafür aus, Häftlinge aus Guantanamo in Österreich
aufzunehmen, um sodann nähere Auskünfte bezüglich der geplanten Drehscheibe für den Dialog
zu begehren. Schließlich fragte sie, was die EU für den Weltfinanzgipfel plane und ob es eine einheitliche
Linie gebe.
Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) machte sich Gedanken zur Wirtschaftskrise. Es dürfe nicht sein, dass
jeder Staat nur auf sich selbst sehe und Maßnahmen auf Kosten anderer ergreife. Die verschiedenen Pläne
sollten europaweit koordiniert werden, um nicht kontraproduktiv zu sein. Der Abgeordnete sprach weiters die Zukunft
der EU angesichts anstehender weiterer Beitrittsansuchen an, thematisierte die finanzielle Lage Islands und des
Euro-Raums und meinte, die jüngsten Entwicklungen erforderten ein politisches Zusammenrücken, für
welches sich Österreich einsetzen solle. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage zeigte sich Schüssel
skeptisch. Solange sich nichts Grundsätzliches an der Situation in den USA ändere, werde die Lage angespannt
bleiben.
Abgeordneter Josef Cap (S) gab Abgeordnetem Stadler hinsichtlich Guantanamo recht. Es gebe weder einen rechtlichen
noch einen politischen Grund, warum man den USA helfen solle. Diese haben die Situation heraufbeschworen, diese
hätten sie auch zu lösen. Hinsichtlich der Lage im Nahen Osten fragte sich der Mandatar, welche Entschlossenheit
die EU hier an den Tag lege, denn es werde darauf ankommen, dass auch Israel die politischen Vorgaben einer Zwei-Staaten-Lösung
akzeptiere.
Detailfragen kamen weiters von den Abgeordneten Werner Neubauer (F), Judith Schwentner (G), Gisela Wurm, Petra
Bayr und Christine Muttonen (sämtliche S).
Außenminister Michael Spindelegger stellte zum Nahost-Konflikt klar, Österreich unterstütze eine
Zwei-Staaten-Lösung. Nach der israelischen Militäraktion im Gazastreifen habe zunächst ein Waffenstillstandsabkommen
zwischen Israel und der Hamas Priorität, wichtig sei zudem die Versorgung der Bevölkerung sowie die Unterbindung
des Waffenschmuggels. Spindelegger sprach sich mit Nachdruck für eine Öffnung der Grenzen des Gazastreifens
aus und meinte, eine Abriegelung könne nicht das Ziel sein. Im Rahmen der Verhandlungen habe es darum zu gehen,
Strukturen zu schaffen, die ein Nebeneinander von Israelis und Palästinensern ermöglichen, denn "niemand
kann sich seine Nachbarn aussuchen", sagte der Minister. Was die Politik Israels betrifft, betonte Spindelegger
die Notwendigkeit des Siedlungsstopps, wobei er auch an die USA appellierte, diesbezüglichen Druck auszuüben.
Direktgespräche mit der Hamas seien nach Einschätzung Spindeleggers nur unter der Voraussetzung eines
Gewaltverzichts, der Anerkennung des Existenzrechts Israels sowie der Akzeptanz der bestehenden Vereinbarungen
durch die Hamas denkbar.
Zum Thema Guantanamo teilte der Minister mit, Österreich sei von den USA gefragt worden, ob es generell bereit
wäre, Personen aufzunehmen, Auskunft über die Identität der Personen habe man auf Rückfrage
nicht erhalten. Für Österreich wäre es nun ein Systembruch, pauschal Personen aufzunehmen, ohne
diese Personen konkret zu kennen, stellte Spindelegger klar.
Im Zusammenhang mit dem Bericht des Außenministeriums zum EU-Arbeitsprogramm 2009, der im Anschluss an die
Aussprache behandelt und mit S-V-G-Mehrheit zur Kenntnis genommen wurde, merkte Spindelegger in Bezug auf allfällige
neue Beitritte an, das österreichische Vorhaben eines Sonderabkommens mit der Türkei bleibe eine Zielsetzung,
zunächst gelte es aber, die Entwicklungen abzuwarten. Was die Staaten des West-Balkan betrifft, werde Österreich
nicht müde werden, auf die Beitrittsperspektive zu drängen, betonte der Minister unter Hinweis auf den
Fortschrittsprozess in dieser Region.
Breite Front gegen Streumunition
Einstimmigkeit herrschte über die Genehmigung eines internationalen Übereinkommens zum Verbot von Einsatz,
Entwicklung, Herstellung, Erwerb, Lagerung und Transfer von Streumunition. Das am 3. Dezember 2008 in Oslo von
94 Staaten unterzeichnete Abkommen enthält eine weitreichende Definition dieser gefährlichen Waffe, die
vor allem Zivilisten bedroht, sieht die Räumung von Rückständen innerhalb von 10 Jahren, die Vernichtung
von Streumunitionsbeständen innerhalb von acht Jahren sowie umfangreiche Hilfsmaßnahmen - Unterstützung,
medizinische Hilfe, Rehabilitation und psychologische Betreuung - für die Opfer von Streumunition vor. Im
Zusammenhang mit dem Übereinkommen standen überdies Änderungen des innerstaatlichen Gesetzes über
ein Verbot von Streumunition, die den Ausschuss ebenfalls einstimmig passierten.
Die Abgeordneten Petra Bayr (S), Karin Hakl (V) und Ulrike Lunacek (G) begrüßten unisono das Zustandekommen
des Verbots der Streumunition. Abgeordneter Norbert Kapeller (V) brachte die Zustimmung des Ausschusses mit den
Worten auf den Punkt, unter österreichischer Federführung werde mit dem Übereinkommen einmal mehr
das humanitäre Völkerrecht weiterentwickelt.
Ausschuss genehmigt Kulturabkommen
Einstimmig genehmigt wurde ein bilaterales Abkommen zwischen der Tschechischen Republik und Österreich, das
die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, Bildung, Wissenschaft, Jugend und des Sports regelt und eine Intensivierung
des kulturellen und wissenschaftlichen Austauschs sowie verstärkte Kooperation am Bildungssektor bezweckt.
Ein internationales Kulturabkommen, das im Wesentlichen die Bedeutung immaterieller, lebendiger Kultur für
den nachhaltigen Schutz kultureller Vielfalt hervorhebt und die Förderung des interkulturellen Dialogs vorantreiben
will, verabschiedete der Ausschuss ebenfalls mit Stimmeneinhelligkeit.
Nachjustierungen zur ESA
Einstimmig genehmigte der Ausschuss zudem eine Erklärung Österreichs zum ESA-Abkommen, mit dem der Einsatz
der Raketen "Vega" und "Sojus" neben der Trägerrakete "Ariane" Rechnung getragen
wird. |