Tourismus im Sog der Finanz- und Wirtschaftskrise    

erstellt am
03. 03. 09

Wien (wifo) - Vor dem Hintergrund der sich rasch ausbreitenden Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der Verschlechterung der makroökonomischen Rahmenbedingungen werden negative Auswirkungen auf den internationalen und den österreichischen Tourismus erwartet. Aufgrund von Wettbewerbsvorteilen werden die realen Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr (Tourismusexporte) im Jahr 2009 in Österreich mit -3½% weniger stark zurückgehen als im europäischen Durchschnitt (-4½%). 2010 werden Österreichs Tourismusexporte stagnieren, weitere Marktanteilsgewinne sind zu erwarten. Die der Tourismusprognose zugrundeliegenden gesamtwirtschaftlichen Annahmen berücksichtigen im Lichte der Neubewertung der Konjunkturlage auch das Risiko eines stärkeren Abschwungs, sodass ein stärkerer Rückgang der internationalen Tourismusnachfrage nicht ausgeschlossen werden kann.

2008 verzeichnete Österreich ein erfolgreiches Tourismusjahr. So wuchsen die Tourismusum-sätze nominell um rund 6%. Damit wurden Marktanteile gewonnen. 2009 wird sich der öster-reichische Tourismus ab dem Spätwinter den Auswirkungen der internationalen Nachfrage-abschwächung nicht mehr entziehen können. Im Laufe des Jahres dürfte sich der Einbruch der Tourismusnachfrage wegen der verzögerten Anpassung an die negativen Einkommens- und Arbeitsmarkterwartungen verstärken. Die Erwartungen des Beherbergungs- und Gaststättenwesens zur Umsatzentwicklung in der laufenden Wintersaison 2009 sind laut EU-Konjunkturtest in der gesamten EU sehr pessimistisch, die Betriebe rechnen mit einem kräftigen Rückgang (Abbildung 1). In allen wichtigen Touris-musländern wie Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland und Großbritannien überwiegen die negativen Erwartungen für die nahe Zukunft deutlich; besonders ungünstig ist die Stimmung in Spanien und Großbritannien. Vor dem Hintergrund der merklichen Abnahme der internationalen Nachfrage dürften die Einbußen an Auslandsnachfrage (Tourismusexporte) in Österreich 2009 aufgrund von Wettbewerbsvorteilen (in den Bereichen Wintersport, Kultur und Wellness sowie infolge der Nähe zu Quellmärkten mit hoher Reiseintensität) geringer ausfallen als im EU-Durchschnitt (real -3½%). Damit wird die österreichische Tourismuswirtschaft ähnlich wie 2008 Marktanteile gewinnen, wenn auch auf schrumpfenden Märkten. Für das Jahr 2010 wird mit einer Stagnation der realen Tourismusexporte gerechnet, sodass der Marktanteil wegen einer leichten Abnahme der EU-Nachfrage nach Auslandsreisen (-1%) weiter ausgebaut werden kann.

Die Nachfrage inländischer Reisender nach Inlandsaufenthalten wird 2009 nur leicht zurück-gehen (real -1%). Dies hängt auch damit zusammen, dass die negativen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise in Österreich (zum Teil wegen der Konjunkturprogramme und der finanziellen Sicherheitspakete) schwächer ausfallen werden als im Durchschnitt des Euro-Raums oder in Deutschland und dass die Nachfrage durch die relativ hohen Lohnabschlüsse von 2008, die Steuersenkungen und das Nachlassen der Inflation gestützt wird. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten werden zudem bekannte inländische Nahziele gegenüber ferneren ausländischen Destinationen bevorzugt. Bereits im Jahr 2010 ist aufgrund der Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Situation mit einer leichten Erholung der Binnennachfrage zu rechnen (real +1,5%). Die Gesamtumsätze im Tourismus (Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr und dem Binnentourismus) werden 2009 insgesamt real um knapp 3% zurückgehen (nominell -1,3%). 2010 ist eine Stagnation der realen Einnahmen wahrscheinlich, nominell wird eine Steigerung um 1,3% erwartet. Die der Tourismusprognose zugrundeliegenden gesamtwirtschaftlichen Annahmen berück-sichtigen im Lichte der Neubewertung der Konjunkturlage auch das Risiko eines rascheren Abschwungs, sodass ein stärkerer Rückgang der internationalen Tourismusnachfrage nicht ausgeschlossen werden kann. Gemäß Modellrechnungen könnten im Jahr 2009 eine Ver-schärfung des BIP-Rückgangs um 1 Prozentpunkt im Euro-Raum und eine Abnahme des Indikators für Auslandsreisegewohnheiten um 1% die internationale Tourismusnachfrage in Europa zusätzlich um 3 Prozentpunkte drücken (ceteris paribus),; weitere negative Konsequenzen bzw. ein stärkerer Rückgang kann dabei für die österreichische Tourismuswirtschaft nicht ausgeschlossen werden. Wenn die Konjunkturprogramme der öffentlichen Hand rasch wirksam werden, könnte dies die gesamtwirtschaftliche Situation aber schneller entschärfen, die Krise würde rascher über-wunden. Touristische Marketingstrategien, um die Auswirkungen einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise zu vermeiden, sind schwierig zu entwickeln, zumal die Veränderung der Nachfrage weitgehend von makroökonomischen Faktoren und den Wirtschaftserwartungen bestimmt wird. Dennoch können hier einige Maßnahmen umrissen werden:

  • Die Senkung von Marketingausgaben ist kontraproduktiv und verstärkt die Krise. Prozykli-sches Ausgabenverhalten ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Aktionsradius e Marketingbudgets kann durch intensive Kooperation vergrößert werden.
  • Die intensive Bearbeitung der Nahmärkte - dies gilt nicht nur für den Übernachtungs-, sondern auch für den Ausflugstourismus - ist ein gangbarer Weg zur Milderung der Folgen eines Nachfrageausfalls. In diesem Zusammenhang wäre die forcierte Bearbeitung der Nahmärkte durch die Österreich Werbung (ÖW) eine wirksame Unterstützung der Tourismuswirtschaft; die relevanten Maßnahmen müssten dabei durch ein Sonderbudget finanziert werden, auch um die Präsenz auf anderen wichtigen Märkten nicht zu schwä-chen.
  • In Krisenzeiten steigt die Nachfrage nach Pauschalangeboten. Hier wäre eine vielfältige Differenzierung nach Aufenthaltsdauer und Qualitätsstufen anzustreben.
  • Stammgäste kennen ihre Urlaubsregion. Die intensive Bearbeitung dieses Segments kann hervorragend zur Dämpfung eines Konjunktureinbruchs beitragen.
  • Da das Preis-Leistungsverhältnis kritisch hinterfragt wird, ist die klare Darstellung des individuellen Produktnutzens zielführend. Je transparenter das Angebot ist, desto eher erzeugt es bei den Gästen Kosten- und Kalkulationssicherheit.
  • Obwohl der Preisdruck schon in Kürze zunehmen wird, sind größere Preisnachlässe zu vermeiden, da es in einer künftigen Erholungsphase damit umso schwieriger wird, das Preisniveau wieder herzustellen. Zu empfehlen ist, die Preise möglichst zu halten und das Niveau durch zusätzliche temporäre Spezialangebote abzusichern.
  • Innovationen sowie die Neuinterpretation von Produkten bringen immer Vorteile bei der Kundenerschließung.
  • In Phasen ausgeprägter Nachfrageschwäche ist es günstig, betriebliche Strukturreformen durchzuführen und neue Konzepte anzuwenden. Technologische und organisatorische Innovationen können innerbetrieblich leichter durchgesetzt werden.
  • Eine Verstärkung der Motivation der Belegschaft verbessert die Servicequalität und erzeugt eine höhere Kundenzufriedenheit.
  • Die Identifikation von Kosteneinsparungspotentialen schafft Spielraum für nachfrageschaffende Maßnahmen und notwendige Investitionen.
     
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