Detektivarbeit in der Lunge   

erstellt am
13. 03. 09

Versteckten Teilen unserer Atmung auf der Spur – Hochkarätige Tagung in Innsbruck
Innsbruck (scinews) - Eine gesunde Lunge hat 500 Millionen Lungenbläschen. Bis zu 20.000 Liter Luft tauscht unser Körper täglich durch sie aus. Was in einzelnen Zellen und Molekülen dieser „Mini-Luftballons“ genau passiert, ist besonders in Europa ein junges Forschungsthema. Erstmals stehen die als „versteckte“ Teile unserer Atmung geltenden Lungenbläschen im Zentrum einer hochkarätigen Tagung in Innsbruck (Tirol). Das teilten die Kongress-Organisatoren am Freitag in einer Aussendung mit.

„Was wir tun ist sehr vereinfachend erklärt Detektivarbeit. Mit einer Oberfläche von insgesamt rund hundert Quadratmetern ist das Epithel der Lungenbläschen ein großer Schauplatz. Weitere Herausforderung ist, dass dieses Epithel - also jene Zellschicht, die eine Barriere zwischen Luft und Gewebe bildet - von außen nicht eingesehen werden kann. Wir wissen allerdings, dass eine ganze Reihe akuter und chronischer Lungenerkrankungen genau dort auf zellulärer und molekularer Ebene beginnen, vor allem wenn schädigende Einflüsse aus der Luft, wie Zigarettenrauch oder Feinstaub Entzündungsreaktionen in den Lungenbläschen auslösen“, sagt Prof. Paul Dietl, Leiter des EU-Projektes Pulmo-Net und einer der Organisatoren der internationalen Tagung.

Blinde Passagiere

Ein Lungenbläschen allein hat gerade einmal einen Durchmesser von der „Dicke“ eines Blattes Papier. Traubenförmig dicht gepackt geben Millionen dieser Mini-Luftballons unserer Lunge ihr schwammähnliches Aussehen und sorgen für den Austausch der lebenswichtigen Atemgase. Ein Lungenröntgen kann zwar indirekt Auskunft geben über eine Fehlfunktion der Alveolen, z. B. bei einem Lungenödem. Direkt aber sind die Lungenbläschen nicht einsehbar und in bildgebenden Verfahren daher wie ein „blinder Passagier“. Um die winzig kleinen Gebilde untersuchen und damit grundlegende Erkenntnisse über die Entstehung von Krankheiten gewinnen zu können, müssen Zellen und deren Produkte aus Lungenspülungen oder Gewebeproben gewonnen werden. „Die Ergebnisse von Pulmo-Net sowie neue Kooperationen im Zuge der Tagung könnten nun optimierte Untersuchungsmöglichkeiten durch neueste mikroskopische Verfahren bringen. Insbesondere erwarten wir, dass verbesserte Zellkulturmodelle bisher übliche Methoden an der ganzen Lunge ersetzen könnten“, sagt Dietl.

An schleichenden Lungenerkrankungen wie der als klassischer Rauchererkrankung geltenden "Chronic Obstructive Pulmonary Disease" (COPD) und am Emphysem leiden zwischen vier und zehn Prozent der Erwachsenen in Europa. Die Tendenz dieser Erkrankungen ist steigend. Diese Lungenerkrankungen gehen mit einem Umbau des Lungengewebes einher. Was bei diesem Umbau im Rahmen zellulärer und molekularer Mechanismen im Epithel der Lungenbläschen genau passiert, steht bis zum Wochenende im Zentrum des „International Congress on Cellular and molecular biology of the pulmonary alveolar epithelium in health and disease“ in Innsbruck.

An diesem Kongress nehmen rund hundert weltweit führende Experten der Lungenforschung aus Europa und den USA teil. Veranstaltet wird die Tagung vom seit 2005 laufenden EU-Projekt Pulmo-Net und dessen Initiatoren, den Physiologen Prof. Dr. Paul Dietl (Institut für Allgemeine Physiologie, Universitätsklinikum Ulm) und Univ.-Prof. Dr. Walter Pfaller (Abteilung für Physiologie und Medizinische Physik, Medizinische Universität Innsbruck). Ziel des Kongresses ist es, die Forschungsachse Europa-USA weiter zu intensivieren. Gemeinsame Inhalte sind frühe diagnostische Parameter, die auf Lungenschädigungen hinweisen und im weiteren Verlauf zu Lungenveränderungen bzw. zum Umbau des Lungengewebes sowie Erkrankungen führen. Die Tagung ist nach Angaben der Organisatoren der weltweit erste Kongress, der sich voll und ganz auf die strukturelle Einheit des Lungenbläschens konzentriert.

Stichwort Lungenforschung

Die Lungenforschung (Pulmonale Forschung) gilt in Europa als unterrepräsentiert. Ein Grund für die im Vergleich zur USA weitaus weniger gestützte Grundlagenforschung sind die bislang größten Wellen der Lungeninfektion Tuberkulose (TB) in Europa. Ab Ende des 19. und bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden wegen der damals als Schwindsucht bekannten Krankheit in Europa die Lungenheilkunde (Pulmologie) und die Lungenforschung zunehmend aus den Universitäten in die Sanatorien verlagert. Dies führte dazu, dass die pulmologische Grundlagenforschung universitär in unseren Breiten bis heute nicht so ausgeprägt ist, wie in den USA. Die Initiatoren des EU-Projektes Pulmo-Net haben bisher durch mehrere Erkenntnisse international für Aufsehen gesorgt. Unter anderem wurden in Innsbruck und Ulm neue mikroskopische Methoden und Instrumente entwickelt, um „Surfactant“, das Schmiermittel unserer Lunge, besser untersuchen zu können.
     
Informationen: http://www.pulmonet-congress.de    
     
zurück