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GVO-Anbauverbot: Kommt das Selbstbestimmungsrecht der EU-Länder? |
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Einstimmig angenommene Ausschussfeststellung im EU-Unterausschuss Wien (pk) - Werden in Zukunft die EU-Mitgliedstaaten selbst bestimmen können, ob sie den Anbau genetisch veränderter Pflanzen verbieten? Ein erster Schritt dazu ist jedenfalls gemacht, zumal die UmweltministerInnen im letzten Rat vom 2. März 2009 darüber diskutiert haben, in der Frage des Anbaus von genetisch veränderten Pflanzen das Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten zu verankern. In dieser Sitzung ging es um das Genmais-Anbauverbot in Österreich, das von den UmweltministerInnen bestätigt wurde. Sie haben damit der Politik der EU-Kommission eine Absage erteilt, worüber unter den Mitgliedern des EU-Unterausschusses auch einhellig Zufriedenheit herrschte. Bundesminister Nikolaus Berlakovich wurde für seinen Einsatz auch entsprechende Anerkennung gezollt. Berlakovich selbst betonte, dass die Unterstützung der österreichischen Position von über 80 Prozent im Rat nicht vorhersehbar gewesen sei. Die MinisterInnen hätten in diesem Zusammenhang auch die Sinnhaftigkeit des derzeitigen Systems hinterfragt. Österreich habe daraufhin gemeinsam mit den Niederlanden eine so genannte Tischvorlage erarbeitet, in der das Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten in Bezug auf den Anbau von genetisch veränderten Organismen vorgesehen ist. Es liege nun an der Kommission, konkrete Vorschläge zur Änderung der entsprechenden Rechtsmaterien zu machen. Auch wenn nun ein Diskussionsprozess in Gang gebracht worden sei, sei es keineswegs sicher, dass in Zukunft die Mitgliedstaaten tatsächlich eigenständig darüber entscheiden können, ob sie gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen oder nicht, warnte der Minister. Einige Mitgliedstaaten, die Österreich im letzten Rat unterstützt haben, seien dagegen. Man müsse daher weiterhin viel Überzeugungsarbeit leisten. Der Ausschuss nahm auch einstimmig eine Ausschussfeststellung an, in der sich die Abgeordneten dafür aussprechen, das Gentechnik-Anbauverbot in Österreich vehement zu verteidigen. Sie gehen davon aus, dass sich die Bundesregierung im Sinne des Subsidiaritätsprinzips auf europäischer und internationaler Ebene dafür einsetzt, die Entscheidungen über die Zulässigkeit des Anbaus von genetisch veränderten Organismen den Mitgliedstaaten beziehungsweise den Regionen zu überlassen. Vor allem ist es den Abgeordneten ein Anliegen, im WTO-Abkommen das Vorsorgeprinzip stärker zu verankern und die Gleichrangigkeit der WTO und multilateralen Umweltabkommen sicher zu stellen. Kommt es beim Anbau von GVO zu einem Umdenken in Europa? Grundlage für die Diskussion im EU-Unterausschuss waren die diesbezüglichen Schlussfolgerungen des Rates der UmweltministerInnen vom 4. Dezember 2008. Dabei kam man überein, die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Überwachungsvorschriften auszubauen, etwa durch eine Harmonisierung der Bewertungsverfahren in den Mitgliedstaaten, durch die Berücksichtigung der Besonderheiten der Ökosysteme, in denen die gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) nach geltendem Recht angebaut werden können, aber auch durch die Überarbeitung der Leitlinien zur Bewertung der Umweltrisiken durch die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) bis März 2010. Man beabsichtigt auch, die Überwachung der gentechnisch veränderten Pflanzen regelmäßiger und gründlicher durchzuführen. Weiters will man den sozio-ökonomischen Nutzen und die Risiken beurteilen, die Expertise und die Funktionsweise der Begutachtung verbessern und europäische Kennzeichnungsschwellen für Saatgut festlegen. Im Rat der UmweltministerInnen wurde aber auch die Notwendigkeit anerkannt, den regionalen und lokalen Besonderheiten der Mitgliedstaaten, insbesondere deren Ökosystemen und besonderen geografischen Gebieten Rechnung zu tragen, die in Bezug auf die biologische Vielfalt und besondere landwirtschaftliche Bewirtschaftungsverfahren von hohem Wert sind. Die RessortchefInnen sprachen sich darüber hinaus für die Möglichkeit aus, bereits im Zulassungsverfahren entsprechende (fallspezifische) Beschränkungsmaßnahmen, einschließlich von Verboten vorzuschreiben, sie traten für die Bewahrung der Biodiversität in "fragilen" Ökosystemen ein und befürworteten die Einrichtung von GVO-freien Zonen auf freiwilliger Basis mit vorheriger Information aller Beteiligten. Bundesminister Berlakovich wies in seiner einleitenden Stellungnahme besonders auf diese neuen und wichtigen Elemente der Schlussfolgerungen hin. Die Diskussion im Detail In der anschließenden Diskussion unterstrichen die Ausschussmitglieder die Notwendigkeit, weitere Initiativen zu ergreifen. Auch wenn man in der EU erkannt habe, dass das derzeitige System kein optimales ist, meinte etwa Abgeordnete Petra Bayr (S), liege es nun an Österreich, etwas daraus zu machen. Die letzte Abstimmung im Rat sei kein Garant dafür, dass die Position Österreichs auch in Zukunft von einer qualifizierten Mehrheit getragen wird. Ihr Klubkollege Kurt Gaßner (S) erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die einstimmig angenommene Entschließung des Nationalrats vom 26. Februar 2009 betreffend die Beibehaltung der österreichischen Gentechnikanbauverbote, die er als eine wesentliche Unterstützung für den Minister wertete. Wichtig sei nun, wie die Sache weiter verfolgt werde. Abgeordneter Johann Höfinger (V) wies darauf hin, dass mittlerweile 60 Prozent der europäischen Bevölkerung gegen den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen sind und die Abstimmung im Umweltministerrat bewiesen habe, dass man auch als kleines Land etwas erreichen könne, wenn man sich entsprechend dafür einsetzt. Jedenfalls ist seiner Meinung nach ein guter Grundstein dafür gelegt worden, dass die Entscheidung über GVO-Anbauverbote in die Hände der Mitgliedstaaten gelegt wird. Als stichhältige Argumente für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in dieser Frage bezeichnete Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) die Tatsache, dass weder für die Koexistenz noch für die Haftung Regelungen auf EU-Ebene bestehen. Er erachtete vor allem die Berücksichtigung des Netzwerks regionaler gentechnikfreier Zonen als einen wesentlichen Aspekt. Pirklhuber zeigte sich jedoch realistisch und meinte, dass der Weg zur Selbstbestimmung noch sehr schwierig sein werde. Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) betonte die Notwendigkeit, den Grundsatz des Vorsorgeprinzips zu verankern, und bemerkte kritisch gegenüber der Kommission, es sei nicht einzusehen, dass diese die Meinung der Bevölkerung missachtet. Der Umweltminister sagte zu, sich auf europäischer und internationaler Ebene dafür einzusetzen, das Vorsorgeprinzip zu verankern. Er bekräftigte, dass es hier um die Gleichrangigkeit multilateraler Umweltabkommen mit der WTO gehe. Grundsätzlich sei auch er erfreut darüber, dass Europa nicht über ein kleines Land "drübergefahren ist". Um die Entscheidungsfreiheit der einzelnen Mitgliedsländer über GVO-Anbauverbote zu erreichen, gebe es mehrere Ansatzpunkte. Das seien einerseits das Zulassungsverfahren, wo man sozio-ökonomische Kriterien festlegen könne, andererseits Schutzklauseln oder das nationale Entscheidungsrecht über den Anbau. Abgeordneter Gerhard Huber (B) trat für ein generelles Importverbot von genveränderten Organismen ein, insbesondere von GVO-Futtermitteln und GVO-Soja. Wenn man gemeinsam auftrete, habe man vielleicht auf EU-Ebene eine Chance, glaubte er. Dem widersprach der Umweltminister mit dem Hinweis, dass das Importverbot erst kürzlich gekippt worden ist. Österreichs Bemühungen müssten dahin gehen, möglichst viel GVO-freie Futtermittel selbst zu erzeugen. Die Abgeordneten setzten sich in der Diskussion auch eingehend mit der Problematik der WTO auseinander. Diese stünde oft in Widerspruch zu Umwelt-, Kultur-, Menschenrechts- oder Arbeitnehmerschutzabkommen, stellte Abgeordnete Petra Bayr (S) fest. Umweltrechte würden oft mit Füßen getreten, weshalb es notwendig sei, das Verhältnis der WTO zu anderen Abkommen neu zu gewichten. Ähnlich argumentierte Abgeordneter Hermann Schultes (V). Man müsse in Europa zu einem gemeinsamen Standpunkt kommen und diesen dann auch bei den Verhandlungen mit der WTO artikulieren, merkte er an. Laut Abgeordnetem Johannes Hübner (F) stellt das Selbstbestimmungsrecht beim Anbau genetisch veränderter Organismen im Hinblick auf das Gewicht der WTO nur eine labile Regelung dar. Die WTO habe gerade auf dem Gebiet der Agrarwirtschaft mehr Schaden als Nutzen angerichtet, sagte er. Er regte daher an, darüber nachzudenken, das WTO-Abkommen oder Teile daraus, wie den Lebensmittelhandel und den Lebensmittelanbau, zu kündigen. Dem konnte sich Bundesminister Berlakovich nicht anschließen. Auch wenn das WTO-Abkommen im Agrar- und Lebensmittelhandel oft zu Schwierigkeiten führe, müsse Österreich als kleines Land ein Interesse an einem geregelten Handel haben, stellte er fest. Auf die Klage des Abgeordneten Kurt Gaßner (S), dass die Forschungsergebnisse der AGES von der EFSA nicht beachtet werden, antwortete der Minister, dies sei tatsächlich nicht zu akzeptieren. Er habe dies auch als eines der Hauptargumente bei der Verteidigung des Anbauverbots im letzen Rat vorgebracht. |
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Informationen: http://www.parlinkom.gv.at | ||
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