Wirtschaftliche Absicherung durch tiefgreifendes Struktur- und Sparkonzept notwendig – Befreiung
vom Quotendruck
Wien (vöp) - In der aktuellen Diskussion rund um Struktur und Zukunft des ORF bezieht auch der
Verband Österreichischer Privatsender Stellung. „Eine Reform des ORF ist unausweichlich“, so Christian Stögmüller,
VÖP-Vorsitzender und Geschäftsführer von Life Radio. „Dabei geht es sowohl um Strukturfragen als
auch um Finanzierungsfragen. Klar ist: Um dem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht zu werden und damit auch
die Legitimation für mehr als eine halbe Milliarde Euro an Rundfunkgebühren zu schaffen, muss der ORF
sich auf seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag besinnen. Das jedoch ist nur möglich, wenn der ORF in
seinen Werbemöglichkeiten deutlich eingeschränkt wird. Nur so kann man ihn vom Druck der Quotenmaximierung
und damit aus der Abhängigkeit von der Werbewirtschaft befreien.“
In der EU gibt es mehrere Beispiele für öffentlich-rechtliche Sender mit entweder werbefreien Programmen
oder deutlichen Einschränkungen im Bereich der Werbemöglichkeiten. Im Ergebnis sind diese Sender inhaltlich
stärker an öffentlich-rechtlichen Programmkriterien orientiert und damit weniger verwechselbar als der
ORF, der mit seinem Programm „ORF 1“ im internationalen Vergleich eher das Erscheinungsbild eines gebührenfinanzierten
Privatsenders hat.
Verschiedene Beihilfeverfahren der letzten Jahre haben gezeigt, dass die EU-Kommission klar dafür eintritt,
öffentlich-rechtliche Sender in ihren kommerziellen Aktivitäten zu beschränken, um trotz der Gebühren-finanzierung
dieser Sender faire Bedingungen im Wettbewerb mit rein werbefinanzierten Privatsendern zu ermöglichen
Der VÖP tritt daher dafür ein, dem ORF keinesfalls zusätzliche Werbemöglichkeiten zu gewähren
und verweist auf den bereits seit langem zu Gunsten des ORF verzerrten Wettbewerb. Es muss – im Gegenteil – das
langfristige Ziel sein, den ORF von der Werbewirtschaft unabhängig zu machen. Kurzfristig, also bereits jetzt,
müssen jene Werbemöglichkeiten eingeschränkt oder abgeschafft werden, die dem Charakter eines öffentlich-rechtlichen
Senders geradezu widersprechen.
Ein werbefreies Hauptabendprogramm, wie etwa in Deutschland, würde dazu führen, dass sich die Programmgestaltung
wieder an inhaltlichen Kriterien anstatt an wirtschaftlichen Erwägungen ausrichtet. Zudem sollte Product Placement
dem ORF grundsätzlich verboten sein – also auch in geringfügigen Fällen – um den hohen Ansprüchen
an Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit eines öffentlich rechtlichen Programms gerecht werden zu können.
Und der Durchrechnungszeitraum von einem Jahr für die quantitative Beschränkung der ORF-Werbezeit muss
– damit die Einhaltung dieser Grenzen überhaupt kontrolliert werden kann – abgeschafft werden.
„Der Rundfunkmarkt ist ständig in Bewegung.“, so Stögmüller. „Neue Angebote und technische Dienste
werden in Zukunft sowohl dem ORF als auch den Privatsendern Konkurrenz machen. Der ORF muss sich aufgrund der sich
laufend ändernden Marktverhältnisse also ohnehin auf Veränderungen seines Anteils im Werbemarkt
einstellen. Die einzige Lösung, um den ORF aus dieser Geiselhaft der Quotenmaximierung zu befreien, ist ein
klarer Fokus auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag und damit eine stärkere Gebührenlegitimation.“
Als Konsequenz des Beihilfeverfahrens der EU-Kommission ist u.a. die Einführung eines Public Value Tests für
zusätzliche Angebote des ORF zu erwarten. Dieser soll sicherstellen, dass zusätzliche Angebote des ORF
einen gesellschaftlichen Mehrwert bieten und nicht zu einer weiteren Verzerrung des Wettbewerbs führen. In
diesem Zusammenhang fordert der VÖP eine marktgerechte Ausgestaltung der entsprechenden Richtlinien sowie
eine Abstimmung mit und Einbeziehung von allen Marktteilnehmern.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Zukunft gestaltet werden
kann. „Vor dem Hintergrund des EU-Verfahrens wird gerade genau geprüft, wofür staatliche Beihilfen verwendet
werden. Keinesfalls dürfen sie zur einer Wettbewerbsverzerrung beitragen“, so Martin Blank, stellvertretender
VÖP-Vorsitzender und Geschäftsführer von PULS 4. „Und natürlich findet in Österreich eine
krasse Wettbewerbsverzerrung statt. Einerseits kassiert der ORF über eine halbe Milliarde Euro an Gebühren,
andererseits schöpft er hunderte Millionen an Werbeerlösen ab“. Blank fordert, dass – so wie in ganz
Europa – auch in Österreich darüber nachgedacht wird, öffentlich-rechtlichen Rundfunk völlig
werbefrei zu machen. „Das ist der richtige Weg, denn mit reiner Gebührenfinanzierung wird der öffentlich-rechtliche
Rundfunk gänzlich unabhängig von Wirtschaftskrisen und sinkenden Werbeerlösen“, erläutert Blank.
In Zeiten der internationalen Redimensionierung von Medienunternehmen ist es nach Ansicht des VÖP geradezu
unverantwortlich, die ORF Struktur in der bestehenden Größe erhalten zu wollen. Stögmüller
erläutert: „In Zeiten der Krise müssen sich alle Unternehmen – so auch der ORF – tiefgreifenden Strukturfragen
stellen. Eine Reform anzustreben, ohne dabei die ‚richtigen’ Fragen zu stellen – wie etwa die nach dem Mitarbeiterstand
oder nach dem Nutzen der neun Landesstudios – wäre heuchlerisch und von Anbeginn zum Scheitern verurteilt.
Die vieldiskutierte ‚Krise des ORF’ hat nicht nur mit Einbrüchen im Werbemarkt zu tun, sondern damit, dass
der ORF strukturell überdimensioniert und damit zu teuer aufgebaut ist.“
Der VÖP und alle Mitglieder aus den Bereichen TV und Radio – lokal, regional und national – appellieren in
aller Dringlichkeit an die Bundesregierung, diese Überlegungen bei der Neugestaltung der rechtlichen Rundfunkrahmenbedingungen
zu berücksichtigen!
Aus Sicht des VÖP kann die Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingungen zugleich mit einer nachhaltigen Absicherung
des ORF dann und nur dann erreicht werden, wenn der ORF klar und eindeutig als öffentlich-rechtliches Unternehmen
positioniert wird – inhaltlich und wirtschaftlich. Nur eine Einschränkung der Werbemöglichkeiten verbunden
mit tiefgreifenden Struktur- und Sparmaßnahmen können sowohl die wirtschaftliche als auch die inhaltliche
Unabhängigkeit absichern.
Zum Verband Österreichischer Privatsender (VÖP):
Der VÖP repräsentiert mittlerweile alle wesentlichen, am österreichischen Markt tätigen
privaten Rundfunkunternehmen und zählt insgesamt 36 Mitglieder (Privat-TV Sender, Privatradiosender oder Vermarkter
von Privatsendern). Der Verband vertritt die fachlichen Interessen seiner Mitglieder und unterstützt diese
durch individuelle Beratung und Information. Der VÖP versteht sich außerdem als Partner der Politik
und der Regulierungsbehörde KommAustria bzw. RTR-GmbH. Primäres Ziel des VÖP ist der Ausbau des
dualen Rundfunksystems in Österreich und die Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingungen. |