Kurzfristig fallende Güterpreise, aber keine Deflation – Ende der
Rezession noch heuer realistisch – Empfehlung: Aktien übergewichten
Wien (rzb) - Der Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB), Peter Brezinschek,
erkennt eine erste Bodenbildung der vorlaufenden Konjunkturindikatoren nach den historischen Tiefstständen
im März: "Die schlechtesten BIP-Veränderungsraten dürften schon im ersten Quartal erzielt worden
sein. Den Tiefststand der Produktion erwarten wir jedoch erst zur Jahresmitte 2009."
Für Helge Rechberger, den Leiter der RZB-Aktienmarktanalyse, sind diese Entwicklungen ausschlaggebend für
die leichte Entspannung an den Aktienmärkten. "Angesichts der immer konkreter werdenden staatlichen Stützungsmaßnahmen
für das Finanzsystem und den Anstrengungen der Notenbanken scheint ein heuriges Ende der Rezession realistisch."
Kurzfristig fallende Güterpreise
"Wir erwarten sinkende Teuerungsraten zu Sommerbeginn", so Brezinschek. Die in Folge der Angebotsverknappung
wieder ansteigenden Rohstoffpreise sollten die Verbraucherpreise allerdings ebenfalls bald wieder nach oben ziehen.
Somit werde sich die Deflationsdiskussion laut Brezinschek spätestens im Herbst erübrigt haben. Mit knapp
über einem Prozent ist wegen der mageren BIP-Prognose für 2010 aber nur eine bescheidene Teuerung in
den nächsten 18 Monaten zu erwarten.
Zentralbankgeldausweitung bereitet Kopfzerbrechen
Die Analysten sehen den Finanzsektor mit Zentralbankgeld überflutet. Die US-Federal Reserve plant eine Verfünffachung
ihrer Bilanzsumme gegenüber September 2008. Die EZB ist zwar zurückhaltender, fördert aber ebenso
mit expansiven Maßnahmen die Kreditmärkte. "Genau diese Zentralbankgeldausweitung bereitet vielen
Anlegern Kopfzerbrechen wegen der Gefahr einer künftigen Inflation", so Brezinschek. "Solange der
Kreditschöpfungsprozess unterbrochen ist, bleibt die Liquidität noch im Finanzsektor. Eine Inflationsgefahr
entsteht erst dann, wenn die Kreditgewährung anspringt, also Haushalte und Unternehmen erreicht. Dieser Übertragungsprozess
dauert allerdings noch gut zwei Jahre."
Bodenbildung bei Konjunkturindikatoren und Aktienmärkten
Die globalen Aktienindizes haben nach einem verheerendem Jahresauftakt 2009 Anfang März neuerliche
Mehrjahres-Tiefstände verzeichnet. Im Anschluss daran ging es an den Börsen steil aufwärts. Gründe
dafür sind auf der einen Seite die Bodenbildung der Konjunkturvorlaufindikatoren. Auf der anderen Seite tragen
die immer konkreter werdenden staatlichen Stützungsmaßnahmen für Wirtschaft und Finanzsystem sowie
die Anstrengungen der Notenbank dazu bei. Ein Ende der Rezession darf noch im laufenden Jahr 2009 als realistisch
erachtet werden. "Vorausgesetzt, die Konjunktur erholt sich, sprechen die absoluten und relativen Bewertungen
im zweiten Halbjahr bereits jetzt für mittel- und längerfristige Aktien-Investments", so Rechberger.
Weitere Gewinnrevisionen erwartet
Die Gewinnerwartungen für die US-Unternehmen im S&P 500 im Jahr 2009 gingen zurück und unterstellen
nun einen Gewinnrückgang gegenüber 2008 um rund 8 Prozent. Rechberger befürchtet weitere Gewinnrevisionen
auch in den kommenden Wochen und Monaten nach unten.
Empfehlung: Aktien übergewichten
Die reichliche Liquidität im Finanzsektor findet ihren Weg auch zunehmend in risikobehaftete Anlagen, dafür
sorgen die nahe bei Null liegenden Zinsen am Geldmarkt. Die hohen Defizitausweitungen der Staaten bringen längerfristig
Gefahren für steigende Renditen bei Staatsanleihen. Die teilweise Umschichtung in Richtung Aktien und Unternehmensanleihen
guter Bonität ist daher selbst bei noch schlechter werdenden Wirtschaftsmeldungen rational. Auch die Beimischung
von Gold und Rohstoffen macht Sinn, um längerfristige Preisrisiken zu berücksichtigen. Die Sanierungsfortschritte
im Bankensektor und die höheren Rohstoffpreise rechtfertigen daher auf drei Monate eine Bevorzugung von Finanz-
und Energieaktien. |