Kreditvergabe des österreichischen Bankensystems an den Unternehmenssektor   

erstellt am
09. 04. 09

Bericht der Oesterreichischen Nationalbank
Wien (oenb) - Angesichts der Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Finanzierungsfunktion der Finanzmärkte untersucht die Oesterreichische Nationalbank im nunmehr vorliegenden ersten Kreditbericht die Entwicklung der Kreditvergabe der österreichischen Banken an den Unternehmenssektor.

Trotz beinahe stagnierender Investitionstätigkeit im 2. Halbjahr 2008 war die Kreditvergabe österreichischer Banken an die Unternehmen robust. Im 2. Halbjahr lag das jährliche Kreditwachstum mit durchschnittlich 8% in etwa auf dem Niveau des 1. Halbjahres. Auch im Jänner und Februar 2009 lag das Kreditwachstum im Jahresabstand mit 7,7% bzw. 6,3% noch recht hoch. In kurzfristiger Dynamik zeigte sich jedoch nach monatlichen Zuwächsen von 1,8% (November 2008) und 2,0% (Dezember 2008) im Jänner ein Rückgang von 0,6% sowie eine Stagnation gegenüber dem Vormonat im Februar 2009.

Eine trotz Konjunkturabschwung robuste Kreditnachfrage der Unternehmen ist ein Phänomen, das auch in vergangenen Abschwungphasen beobachtet wurde. Verschiedene Gründe sind dafür ausschlaggebend: Einerseits steigt die Liquiditätspräferenz der Unternehmen zur Absicherung gegen zukünftigen Refinanzierungsbedarf bzw. wegen ungünstigerer Konjunkturerwartungen, zum anderen gewinnt die Finanzierung über den Bankkredit angesichts der eingeschränkten Verfügbarkeit des Kapitalmarktes an Bedeutung.

Hinter den aggregierten Daten über die Kreditvergabe verbergen sich eine Reihe von Substitutionsprozessen, die vor allem mit einer stärkeren Differenzierung der Banken gegenüber Kunden nach unterschiedlichen Kriterien verbunden sind. Dadurch ist ein robustes aggregiertes Kreditwachstum, wie es zumindest bis Februar dieses Jahres zu beobachten war, durchaus mit der Erfahrung einzelner Unternehmen hinsichtlich quantitativer Kreditbeschränkungen vereinbar. Eine Analyse der Groß-kreditevidenz (Kredite über 350 000 EUR) zeigt etwa für Dezember 2008 und Jänner 2009 ein im Vergleich zum jeweiligen Vormonat negatives Kreditwachstum in den Branchen Sachgütererzeugung, Verkehr, Information und Kommunikation bzw. sonstige Dienst-leistungen. Im Bauwesen ist nach Rückgängen im Jänner 2009 wieder ein leicht positives Monatswachstum zu verzeichnen.

Das insbesondere im letzten Quartal des Vorjahres noch immer überraschend robuste Wachstum der Kreditvergabe inländischer Banken an österreichische Unternehmen kompensierte teilweise die beinahe zum Erliegen gekommene Kapitalmarkt-finanzierung. Gleichzeitig deuten vorläufige Daten auch auf eine rückläufige Kredit-finanzierung aus dem Ausland hin.

Zusätzlich zur statistischen Analyse wurden Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von zehn großen österreichischen Unternehmen hinsichtlich ihrer Finanzierungssituation geführt. Gemeinsame Erfahrung beinahe aller befragten Unternehmen ist die Beobachtung stark gestiegener Margen sämtlicher Außenfinanzierungsformen, wobei die Mehrzahl der Unternehmen damit bereits seit Sommer 2007 konfrontiert war. Fast alle Unternehmen berichteten auch über höhere Erfordernisse für Sicherheiten sowie eine Tendenz zu kürzeren Kreditlaufzeiten. Manche Unternehmen hoben hervor, dass die fristenkonforme Finanzierung langfristiger Projekte nicht mehr bzw. nur zu überaus hohen Margen möglich sei. Einige Unternehmen berichteten auch, dass die Refinanzierung nicht hinreichend gewährleistet sei und fällig werdende Zahlungsverpflichtungen teilweise aus dem Cash Flow finanziert werden müssen. Beinahe alle Unternehmen berichteten über Schwierigkeiten, Unternehmensanleihen zu begeben bzw. Eigenkapital aufzunehmen. Einige Unternehmen waren auch mit Kürzungen von Kreditlinien konfrontiert, andere wiesen insbesondere auf Probleme hin, derzeit Konsortialkredite für Großprojekte zu bekommen.

Zusätzlich führte das WIFO im März 2009 im Auftrag der Oesterreichischen Nationalbank eine Sonderbefragung im Rahmen des WIFO-Konjunkturtests zu den aktuellen Kredit-finanzierungsbedingungen durch. Dabei berichteten rund 30% der Unternehmen, dass sich für bestehende Kredite die Kreditbedingungen in den letzten drei Monaten verschärft hätten, bei den großen Unternehmen registrierte gar die Hälfte eine Verschärfung. Noch schwieriger dürfte die Situation bei den neu aufgenommenen Krediten sein. Hier gaben 36% der Unternehmen eine Verschärfung an, die Hälfte der großen Unternehmen waren mit Kreditrestriktionen konfrontiert. Wesentlich beigetragen zur Verschärfung haben erhöhte Sicherheiten- und Informationserfordernisse, teilweise aber auch Beschränkungen der Kredithöhe.

Die Oesterreichische Nationalbank wird angesichts des weiterhin schwierigen Finanzmarktumfelds – zusätzlich zu den monatlich veröffentlichten statistischen Informationen (Kreditmonitor) – die Entwicklung der Kreditmärkte verstärkt im Detail analysieren und die entsprechenden Ergebnisse der Wirtschaftspolitik und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
     
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