Bericht der Oesterreichischen Nationalbank
Wien (oenb) - Angesichts der Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Finanzierungsfunktion der
Finanzmärkte untersucht die Oesterreichische Nationalbank im nunmehr vorliegenden ersten Kreditbericht die
Entwicklung der Kreditvergabe der österreichischen Banken an den Unternehmenssektor.
Trotz beinahe stagnierender Investitionstätigkeit im 2. Halbjahr 2008 war die Kreditvergabe österreichischer
Banken an die Unternehmen robust. Im 2. Halbjahr lag das jährliche Kreditwachstum mit durchschnittlich 8%
in etwa auf dem Niveau des 1. Halbjahres. Auch im Jänner und Februar 2009 lag das Kreditwachstum im Jahresabstand
mit 7,7% bzw. 6,3% noch recht hoch. In kurzfristiger Dynamik zeigte sich jedoch nach monatlichen Zuwächsen
von 1,8% (November 2008) und 2,0% (Dezember 2008) im Jänner ein Rückgang von 0,6% sowie eine Stagnation
gegenüber dem Vormonat im Februar 2009.
Eine trotz Konjunkturabschwung robuste Kreditnachfrage der Unternehmen ist ein Phänomen, das auch in vergangenen
Abschwungphasen beobachtet wurde. Verschiedene Gründe sind dafür ausschlaggebend: Einerseits steigt die
Liquiditätspräferenz der Unternehmen zur Absicherung gegen zukünftigen Refinanzierungsbedarf bzw.
wegen ungünstigerer Konjunkturerwartungen, zum anderen gewinnt die Finanzierung über den Bankkredit angesichts
der eingeschränkten Verfügbarkeit des Kapitalmarktes an Bedeutung.
Hinter den aggregierten Daten über die Kreditvergabe verbergen sich eine Reihe von Substitutionsprozessen,
die vor allem mit einer stärkeren Differenzierung der Banken gegenüber Kunden nach unterschiedlichen
Kriterien verbunden sind. Dadurch ist ein robustes aggregiertes Kreditwachstum, wie es zumindest bis Februar dieses
Jahres zu beobachten war, durchaus mit der Erfahrung einzelner Unternehmen hinsichtlich quantitativer Kreditbeschränkungen
vereinbar. Eine Analyse der Groß-kreditevidenz (Kredite über 350 000 EUR) zeigt etwa für Dezember
2008 und Jänner 2009 ein im Vergleich zum jeweiligen Vormonat negatives Kreditwachstum in den Branchen Sachgütererzeugung,
Verkehr, Information und Kommunikation bzw. sonstige Dienst-leistungen. Im Bauwesen ist nach Rückgängen
im Jänner 2009 wieder ein leicht positives Monatswachstum zu verzeichnen.
Das insbesondere im letzten Quartal des Vorjahres noch immer überraschend robuste Wachstum der Kreditvergabe
inländischer Banken an österreichische Unternehmen kompensierte teilweise die beinahe zum Erliegen gekommene
Kapitalmarkt-finanzierung. Gleichzeitig deuten vorläufige Daten auch auf eine rückläufige Kredit-finanzierung
aus dem Ausland hin.
Zusätzlich zur statistischen Analyse wurden Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von zehn großen
österreichischen Unternehmen hinsichtlich ihrer Finanzierungssituation geführt. Gemeinsame Erfahrung
beinahe aller befragten Unternehmen ist die Beobachtung stark gestiegener Margen sämtlicher Außenfinanzierungsformen,
wobei die Mehrzahl der Unternehmen damit bereits seit Sommer 2007 konfrontiert war. Fast alle Unternehmen berichteten
auch über höhere Erfordernisse für Sicherheiten sowie eine Tendenz zu kürzeren Kreditlaufzeiten.
Manche Unternehmen hoben hervor, dass die fristenkonforme Finanzierung langfristiger Projekte nicht mehr bzw. nur
zu überaus hohen Margen möglich sei. Einige Unternehmen berichteten auch, dass die Refinanzierung nicht
hinreichend gewährleistet sei und fällig werdende Zahlungsverpflichtungen teilweise aus dem Cash Flow
finanziert werden müssen. Beinahe alle Unternehmen berichteten über Schwierigkeiten, Unternehmensanleihen
zu begeben bzw. Eigenkapital aufzunehmen. Einige Unternehmen waren auch mit Kürzungen von Kreditlinien konfrontiert,
andere wiesen insbesondere auf Probleme hin, derzeit Konsortialkredite für Großprojekte zu bekommen.
Zusätzlich führte das WIFO im März 2009 im Auftrag der Oesterreichischen Nationalbank eine Sonderbefragung
im Rahmen des WIFO-Konjunkturtests zu den aktuellen Kredit-finanzierungsbedingungen durch. Dabei berichteten rund
30% der Unternehmen, dass sich für bestehende Kredite die Kreditbedingungen in den letzten drei Monaten verschärft
hätten, bei den großen Unternehmen registrierte gar die Hälfte eine Verschärfung. Noch schwieriger
dürfte die Situation bei den neu aufgenommenen Krediten sein. Hier gaben 36% der Unternehmen eine Verschärfung
an, die Hälfte der großen Unternehmen waren mit Kreditrestriktionen konfrontiert. Wesentlich beigetragen
zur Verschärfung haben erhöhte Sicherheiten- und Informationserfordernisse, teilweise aber auch Beschränkungen
der Kredithöhe.
Die Oesterreichische Nationalbank wird angesichts des weiterhin schwierigen Finanzmarktumfelds – zusätzlich
zu den monatlich veröffentlichten statistischen Informationen (Kreditmonitor) – die Entwicklung der Kreditmärkte
verstärkt im Detail analysieren und die entsprechenden Ergebnisse der Wirtschaftspolitik und der Öffentlichkeit
zur Verfügung stellen. |