Würzburg (idw) - Bei allen Wirbeltieren - und damit auch beim Menschen - schlägt das Herz im Normalfall
auf der linken Körperseite. Warum das so ist, wird noch nicht bis ins letzte Detail verstanden. Würzburger
Entwicklungsbiologen sind der Lösung dieses Rätsels jetzt einen entscheidenden Schritt näher gekommen.
Wenn aus einer befruchteten Eizelle während der Embryonalentwicklung ein lebensfähiger Organismus heranwachsen
soll, müssen die Zellen unter anderem wissen, wo links und wo rechts ist, damit die Organe am Ende in der
richtigen Form am richtigen Ort landen. So entwickelt sich beispielsweise bei allen Wirbeltieren das Herz aus einem
zunächst schlauchförmigen Gebilde, das bereits kurz nach seiner Entstehung eine Krümmung zur rechten
Körperseite aufweist. Diese erste Asymmetrie hat zur Folge, dass am Ende - nach einer ganzen Reihe weiterer
Drehungen - die Herzspitze zur linken Körperseite weist.
Wie der Körper rechts von links unterscheidet
Wie schafft es der Organismus, rechts von links zu unterscheiden? Und welche Prozesse sind dafür verantwortlich,
dass beispielsweise das Herz im Normalfall links schlägt? Dieser Frage sind der Würzburger Entwicklungsbiologe
Professor Thomas Brand und sein Mitarbeiter Dr. Jan Schlüter nachgegangen. Über ihr Ergebnis berichtet
die aktuelle Online-Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences PNAS. Die beiden Forscher konnten
an Hühnerembryonen einen Signalweg charakterisieren, der an der asymmetrischen Entwicklung des Herzens beteiligt
ist."Bislang lautete die vorherrschende Meinung, dass ein bestimmter Signalweg für die linksseitige Entwicklung
der Organe verantwortlich ist, der auf der rechten Seite gehemmt werden muss, damit sich eine Asymmetrie ausbilden
kann", sagt Thomas Brand. Wie die beiden Entwicklungsbiologen nun zeigen, trifft diese Vorstellung nicht zu:
"Wir konnten am Hühnerembryo nachweisen, dass es auch auf der rechten Seite einen eigenständigen
Signalweg gibt", so Brand.
Asymmetrie ist die Regel, nicht die Ausnahme
Asymmetrie im Körper: Ist das nicht die Ausnahme von der Regel, die gerade mal Herz, Leber und Milz
betrifft, während der überwiegende Teil quasi spiegelbildlich aufgebaut ist? "Überhaupt nicht",
sagt Brand. Im Prinzip sei der ganze Körper asymmetrisch aufgebaut; damit er dennoch so symmetrisch aussehe,
müssten während der Embryonalentwicklung etliche Signalkaskaden aktiv werden.
Mechanismen, die an der Recht-Links-Ausprägung beteiligt sind, haben Brand und Schlüter während
ihrer Arbeit intensiv untersucht. Einer davon ist die asymmetrische Produktion von Ionenpumpen. "Dadurch kommt
es zu einer ungleichen Verteilung von elektrischer Ladung auf der rechten und linken Körperseite, die den
Zellen anscheinend die Richtung vorgibt", erklärt Brand. Eine Blockade dieser Ionenpumpen hatte bei den
Experimenten der Entwicklungsbiologen eine zufällige Verteilung der Zellen im Herzen zur Folge, die Vorstufen
der Herzkranzgefäße sind: Manchmal saßen sie, wie es normal ist, auf der rechten Seite; manchmal
landeten sie links. In anderen Fällen siedelten sie sich auf beiden Seiten an; bisweilen fehlten sie völlig.
Tote Zellen geben die Richtung vor
"Dieser Effekt spielt also ebenfalls eine wichtige Rolle für die Seitenorientierung der Organe",
sagt Thomas Brand. Als alleinige Erklärung für das "linksgelagerte Herz" reiche er jedoch nicht
aus. Gleiches gelte für einen zweiten Mechanismus: den programmierten Zelltod. "In diesem Fall sorgt
der Organismus dafür, dass entlang der Mittellinie des Embryos Zellen absterben, und dadurch die Grenze zwischen
der linken und rechten Körperseite markiert wird", erklärt Brand. Verhinderten die Wissenschaftler
diesen Zelltod, siedelten sich die Zellen ebenfalls dem Zufallsprinzip gehorchend im Herzen an.
FGF8: So lautet der Name des Signalfaktors, der nach den Erkenntnissen von Brand und Schlüter für die
rechtsseitige Entwicklung des Hühnerherzens verantwortlich ist. Ihre Schlussfolgerung lautet deshalb: "Die
Modelle für die Rechts-Links- Entwicklung müssen erweitert werden." Die Tatsache, dass auch andere
Wirbeltiere, wie zum Beispiel der südafrikanische Krallenfrosch oder das Flussneunauge, auf vergleichbare
Weise Herzen bilden, spräche dafür, dass dieser Aspekt der Recht-Links-Asymmetrie stammesgeschichtlich
sehr alt ist.
Weitere Forschung notwendig
Ob er auch für Säugetiere und damit für den Menschen eine Bedeutung hat, ist unklar. Immerhin:
"Mutationen für FGF8 rufen in Mäusen Herzmissbildungen hervor. Möglicherweise hat dieser Signalweg
also sogar eine Bedeutung für die ganz am Anfang der Entwicklung stehende rechtsgerichtete Herzkrümmung",
so Thomas Brand. Schwerpunkt seiner weiteren Forschungen werde es deshalb sein, die Zielgene dieses Signalwegs
zu identifizieren, um diesen Aspekt der Herzentwicklung molekular besser zu verstehen.
Jan Schlueter und Thomas Brand (2009). A right-sided pathway involving FGF8/Snai1 controls asymmetric
development of the proepicardium in the chick embryo. Proc Natl Acad Sci U. S. A. Early Edition (EE) the week of
April 6, 2009. www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.0811944106 |