Bern (seco) - Die überwiegende Mehrheit der kontrollierten Entsendebetriebe
und Schweizer Arbeitgeber verhält sich korrekt, so die Bilanz über die Umsetzung der Flankierenden Massnahmen
zur Personenfreizügigkeit im Jahr 2008. Die Kontrollen haben zudem stark zugenommen; in allen Branchen und
Regionen der Schweiz wurde regelmässig kontrolliert.
Der SECO-Bericht über die Periode vom 1. Januar bis 31. Dezember 2008 stellt eine Verstärkung der Kontrolltätigkeit
gegenüber 2006/07 fest:
Mit 14 762 kontrollierten Entsendebetrieben stieg die Anzahl der Kontrollen um 33%. 29 576 entsandte Personen wurden
kontrolliert, 21% mehr als 2006/07. Damit wurde fast die Hälfte aller 63 563 meldepflichtigen Entsandten und
selbständigen Dienstleister kontrolliert.
Bei den Schweizer Arbeitgebern haben die Kontrollen leicht um 1% abgenommen. Die Anzahl der kontrollierten Personen
ist mit 60 793 aber um 30% gestiegen.
Wie in der Berichtsperiode 2006/07 wurden die Entsendebetriebe im Baunebengewerbe mit 9944 Kontrollen am häufigsten
kontrolliert (67,4% aller kontrollierten Entsendebetriebe), gefolgt von 1592 Betriebskontrollen im verarbeitenden
Gewerbe (10,8%) und 1288 Kontrollen im Bauhauptgewerbe (8,7%).
Bei den Schweizer Arbeitgebern wurde ebenfalls im Baunebengewerbe am häufigsten kontrolliert (3533 Betriebe
bzw. 26,4% aller Kontrollen bei Schweizer Betrieben), gefolgt vom Bauhauptgewerbe (1858 Betriebe bzw. 13,9%) und
dem Gastgewerbe (1492 Betriebe bzw. 11,1%).
Kantone melden 8% Lohnunterbietungen
Gemäss den Angaben der Kantone/Tripartiten Kommissionen haben 8% der kontrollierten Entsendebetriebe
orts- und branchenübliche Lohnbedingungen unterboten oder gegen Lohnbestimmungen (Mindestlöhne aus Normalarbeitsverträgen)
verstossen. Diese tiefe Quote hat sich trotz der gesteigerten Kontrollen gegenüber dem Vorjahr nicht verändert.
Die grosse Mehrheit der Entsendebetriebe hält die Lohnbedingungen ein. Bei den kontrollierten Schweizer Arbeitgebern
sind die Lohnunterbietungen von 8% auf 4% zurückgegangen.
Paritätische Kommissionen melden 19% Lohnunterbietungen
Deutlich höhere Quoten bei den Lohnverstössen melden die Paritätischen Kommissionen, die
in Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen (und damit fest gelegten Mindestlöhnen) kontrollieren. Laut den
PK haben 19% der Entsendebetriebe gegen GAV-Lohnbedingungen verstossen. Diese Quote ist um 17 Prozentpunkte tiefer
als im Berichtsjahr 2006/07.
Die Verstossquote bei Schweizer Arbeitgebern hat von 18% auf 26% zugenommen. Dies ist erklärbar durch die
detaillierteren Kontrollen bei Schweizer Arbeitgebern sowie dadurch, dass oft aufgrund konkreter Verdachtsmomente
kontrolliert wird.
Die generell höheren Verstossquoten gemäss PK sind darauf zurückzuführen, dass Verstösse
gegen GAV-Lohnbestimmungen leichter identifizierbar sind. Auch eine geringfügige Unterschreitung eines GAV-Lohnes
wird als Verstoss geahndet, während es im Bereich ohne GAV bezüglich der Definition der orts - und branchenüblichen
Löhne einen gewissen Spielraum gibt.
Branchen mit häufigeren Lohnunterbietungen
Folgende Branchen zeigen im Entsendewesen einen überdurchschnittlichen Anteil an Lohnunterbietungen:
Baunebengewerbe (gemäss Kantone 11%; gemäss PK 19%), verarbeitendes Gewerbe (Kantone 9%), persönliche
Dienstleistungen (Kantone 8%), Bauhauptgewerbe (Kantone 8%, PK 22%).
Bei den Schweizer Arbeitgebern sind folgende Branchen gemäss Kantonen/TPK überdurchschnittlich betroffen:
das Gesundheits- und Sozialwesen (9% bei 280 kontrollierten Betrieben), Coiffeursalons und Kosmetikinstitute (9%
bei 681 kontrollierten Betrieben), der Personalverleih (8% bei 733 kontrollierten Betrieben), persönliche
Dienstleistungen (7% bei 342 kontrollierten Betrieben) und das Bauhauptgewerbe (6% bei 872 kontrollierten Betrieben).
Im Vergleich zu den von den Kantonen gemeldeten tiefen Unterbietungsquoten bei Schweizer Arbeitgebern melden die
PK in folgenden Branchen hohe Anteile an Lohnverstössen: Reinigungsgewerbe (46% bei 211 kontrollierten Betrieben),
Überwachungs- und Sicherungsgewerbe (45% bei 101 kontrollierten Betrieben), verarbeitendes Gewerbe (44% bei
150 kontrollierten Betrieben) und Bauhauptgewerbe (40% bei 186 kontrollierten Betrieben). Beim Personalverleih
liegt die Verstossquote bei unterdurchschnittlichen 11%.
Sanktionen: kantonal unterschiedliche Praktiken
Die meisten Sanktionen wurden wie bisher wegen Verstössen im Bereich des Meldeverfahrens verhängt.
Hier wurden 1426 Betriebe (2011 Personen) verwarnt und 1143 Betriebe (1708 Personen) gebüsst. Gegen 81 Betriebe
verhängten die Kantone Dienstleistungssperren wegen nicht bezahlter Bussen bei Meldeverstössen.
In Branchen ohne allgemein verbindlich erklärtem Gesamtarbeitsvertrag (ave GAV) wurden gegen 252 Betriebe
Sanktionen (diese können entweder aus Bussen oder Dienstleistungssperren bestehen) wegen Verstössen gegen
die Arbeitsbedingungen oder Lohnunterbietungen verhängt. In Branchen mit ave GAV sind 238 Bussen, 56 Verwarnungen
und 39 Dienstleistungssperren wegen Verstössen gegen Lohn- oder Arbeitsbedingungen ausgesprochen worden.
Die Kantone handhaben die Verhängung von Bussen oder Verwarnungen sehr unterschiedlich. Auch die Höhe
der Busse bei gleichem Sachverhalt kann sich je nach Kanton unterscheiden. Das SECO hat am 24. Februar 2009 eine
Empfehlung erlassen (Sanktionenkatalog gemäss EntsG), welche zu einer gewissen Vereinheitlichung führen
sollte.
Wirksamkeit der Sanktionen
Die Mehrheit der kantonalen Behörden berichtet, dass 90% oder mehr der Bussen bezahlt werden. Die
PK hingegen geben an, dass nur rund 50% der Bussen auch tatsächlich bezahlt werden.
Der hohe Anteil an erfolgreichen Einigungsversuchen (63% bei Entsendebetrieben und 86% bei Schweizer Arbeitgebern)
zeigt, dass die Betriebe im Allgemeinen bemüht sind, sich vorschriftsgemäss zu verhalten.
Wirksamkeit der Flankierenden Massnahmen
Aufgrund der vorliegenden Resultate können die FlaM insgesamt als wirksam bezeichnet werden: die Umsetzung
durch die Kantone/TPK und die PK wird laufend optimiert, die Kontrollen finden flächendeckend statt. Die Einhaltung
der Lohn- und Arbeitsbedingungen wird mit den entsprechenden Instrumenten durchgesetzt.
Flankierende Massnahmen in Kürze
Die orts- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen müssen von allen Erwerbstätigen
und Arbeitgebern eingehalten werden. Um Arbeitnehmer vor Lohnunterbietungen zu schützen, wurden die flankierenden
Massnahmen am 1. Juni 2004 eingeführt und per 1. April 2006 verschärft:
Tripartite Kommissionen (zusammengesetzt aus Vertretern der Kantone, der Arbeitgeber und Gewerkschaften) überwachen
den Arbeitsmarkt und können Sanktionen (wie Bussen oder einen Ausschluss vom Arbeitsmarkt) beantragen. Bereiche
mit einem allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) werden von paritätischen Kommissionen (bestehend
aus den Sozialpartnern) kontrolliert.
Entsendegesetz: Arbeitskräfte, die ein ausländischer Betrieb im Rahmen einer Dienstleistung vorübergehend
in die Schweiz entsendet, unterstehen den in der Schweiz geltenden minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen. Ausländische
Arbeitgeber, die bei einer Entsendung missbräuchlich die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Schweiz unterschreiten,
können durch Konventionalstrafen zur Nachzahlung der ausstehenden Löhne sowie zu weiteren substanziellen
Zahlungen gezwungen werden (sofern sie einem allgemeinverbindlich erklärten GAV unterstehen). Bei Verstössen
gegen die Meldebestimmungen können die fehlbaren Arbeitgeber durch Bussen bestraft und (bei Wiederholungen)
befristet vom Schweizer Markt ausgeschlossen werden.
Erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (GAV): Im Fall von wiederholter
missbräuchlicher Unterbietung der branchen- und ortsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen können
die in GAV enthaltenen Bestimmungen über Mindestlöhne und Arbeitszeiten leichter allgemeinverbindlich
erklärt werden.
Normalarbeitsverträge (NAV) mit zwingenden Mindestlöhnen: Für Branchen ohne Gesamtarbeitsvertrag
können Bund und Kantone bei wiederholtem Missbrauch zwingende Mindestlöhne in einem befristeten Normalarbeitsvertrag
einführen.
Weitere Bestimmungen zur Erleichterung der Kontrollen: Die Kantone sind verpflichtet, eine ausreichende Zahl von
Arbeitsmarktinspektoren einzusetzen. Ausgegangen wird dabei von einer Zahl von insgesamt 153 Inspektoren. Wesentliche
Elemente längerer Arbeitsverhältnisse müssen schriftlich fixiert werden. Im Bereich der Temporärarbeit
besteht eine Auskunftspflicht der Verleiher gegenüber paritätischen und tripartiten Kommissionen. Selbständigerwerbende
unterstehen den flankierenden Massnahmen nicht. Sie müssen aber bei der Arbeitsaufnahme in der Schweiz die
Selbständigkeit nachweisen (bspw. durch Vorweisen einer Buchhaltung oder dem Nachweis der selbstständig
bezahlten Sozialversicherungsbeiträge). Damit wird das Problem der Scheinselbständigkeit entschärft. |