Kontroversielle Diskussion im Hauptausschuss
Wien (pk) - Maria Berger, EU-Abgeordnete und ehemalige Justizministerin, wird als österreichische
Richterin beim EuGH nominiert. Sie folgt damit Peter Jann, der dieses Amt seit dem Jahr 1995 innehat und mit Wirkung
vom 6. Oktober zurücktreten wird. Nachdem die Bundesregierung die Nominierung im Ministerrat am 21.04. beschlossen
hatte, erfolgte am 22.04. das Einvernehmen im Hauptausschuss mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen
mehrheitlich.
Die Opposition sah darin eine parteipolitische Bestellung nach traditionellem Proporz und übte entsprechend
Kritik an der Vorgangsweise. Während die Grünen trotz ihrer Vorbehalte der Nominierung zustimmten, da
sie die Qualifikationen Bergers, insbesondere hinsichtlich ihrer Kenntnisse des EU-Rechts, hoch einschätzen,
kam von FPÖ und BZÖ keine Unterstützung.
Die Klubobleute Josef Cap (S) und Karlheinz Kopf (V) unterstrichen die hohe Qualifikation Bergers. Sie verfüge
nicht nur über Fachkenntnis, sondern bringe auch politische Erfahrung mit, was notwendig, sei, zumal der EuGH
an politischer Bedeutung gewonnen habe. Der Gerichtshof bewege sich in Sphären mit Recht setzendem Charakter
und seine Spruchpraxis habe damit Auswirkungen auf die nachhaltige Rechtsgestaltung in der EU, sagte Cap, weshalb
es sinnvoll sei, jemanden zu nominieren, der auch ein politisches Grundverständnis mitbringt. Kopf hob zusätzlich
die Integrität Bergers hervor.
An die Bemerkungen Caps zur Bedeutung des EuGH knüpfte Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) an, der harte Kritik
an dieser Institution übte. Der EuGH entwickelt sich seiner Auffassung nach in eine problematische Richtung,
da er zunehmend nicht nur die Verträge auslegt, sondern durch seine Spruchpraxis diese auch ergänzt und
ändert. Das sei durch die Vertragslage nicht gedeckt, sagte er, außerdem sei der EuGH auch nicht frei
von Beeinflussung durch Lobbyisten. Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf sowie Abgeordneter Walter
Rosenkranz (beide F) bekräftigten ihre Meinung, dass eine parteipolitisch motivierte Nominierung für
das Amt eines Richters bzw. einer Richterin am EuGH strikt abzulehnen sei.
Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) gab zu bedenken, dass angesichts der Bedeutung der zu besetzenden Position am EuGH
eine offensichtliche parteipolitische Bestellung nicht dazu beitragen werde, das Ansehen und Vertrauen der Bevölkerung
in EU-Institutionen zu stärken, bzw. zu verbessern.
Seitens des BZÖ stellte Abgeordneter Ewald Stadler fest, dass Maria Berger nicht über die erforderlichen,
gesetzlich festgelegten Qualifikationen verfüge, was Staatssekretär Josef Ostermayer zurückwies.
Sie habe sowohl einen umfassenden juristischen als auch politischen Background, betonte er. Außerdem gebe
es am EuGH zahlreiche Richterinnen und Richter, die vorher ein politisches Amt in ihrem Heimatland ausgeübt
haben. Insgesamt habe es drei Bewerbungen für dieses Amt gegeben, informierte er.
Der BZÖ-Antrag auf Ausschussfeststellung, der von Abgeordnetem Stadler eingebracht wurde, und in dem als Voraussetzung
für das Richteramt am EuGH eine Richteramtsprüfung, Rechtsanwaltsprüfung, Habilitation oder Notariatsprüfung
dezidiert gefordert wird, wurde von SPÖ, ÖVP und den Grünen mehrheitlich abgelehnt.
Nachdem Abgeordnete Ulrike Lunacek (G), wie schon bei ähnlichen Bestellungen vorher, ein Hearing der Bewerberinnen
und Bewerber im Hauptausschuss gefordert hatte und sowohl Abgeordneter Ewald Stadler (B) als auch Präsident
Martin Graf und Abgeordneter Peter Fichtenbauer (beide F) Näheres über die Qualifikationen der beiden
anderen KandidatInnen wissen wollten, hielt die Vorsitzende des Hauptausschusses, Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer fest, sie habe ein Gutachten des Rechts- und Legislativdienstes in Auftrag gegeben. Auf Grund dessen
werde man in der Präsidiale über die zukünftige parlamentarische Vorgangsweise bei derartigen Bestellungsvorgängen
diskutieren, um eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Fichtenbauer und Graf argumentierten, wer
sich für ein öffentliches Amt bewerbe, könne sich nicht hinter den Datenschutz verstecken, außerdem
könne man entsprechende Informationen auch in anonymisierter Form weitergeben. |