Beispielloser Rückgang des IV-Konjunkturbarometers – massive realwirtschaftliche Schrumpfung
auf das Ausbringungsniveau vor einer Dekade
Wien (pdi) - „Seit Jahresbeginn hat sich die konjunkturelle Lage in der Industrie weiter verschärft.
Die Indikatoren der gegenwärtigen Geschäftslage befinden sich nicht nur in tiefrotem Terrain, sondern
weiter im freien Fall. Zugleich geht erstmals in diesem Zyklus von einzelnen erwartungsbezogenen Indikatoren ein
erster Hoffnungsschimmer auf eine Stabilisierung der Lage auf niedrigstem Niveau aus –allerdings frühestens
ab dem vierten Quartal des heurigen Jahres“, bringt der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV),
Mag. Markus Beyrer, das Hauptergebnis der IV-Konjunkturerhebung für das 1. Quartal 2009 auf den Punkt.
Gegenüber dem 4. Quartal 2008 fällt das IV-Konjunkturbarometer, das als Mittelwert aus den Beurteilungen
der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, von -22 Punkten
abermals auf -27 Punkte. Nachdem sich die Lagekomponente bereits zuvor in extremer Weise um 40 Punkte zurückgebildet
hatte, verringert sie sich zu diesem Termin abermals um 30 Punkte (Saldo -36 nach -6) und damit zum siebten Mal
in Folge. „Ein solcher Absturz um 70 Punkte binnen zwei Quartalen ist in der modernen Industriegeschichte beispiellos.
Im Zuge dieses realwirtschaftlichen Schrumpfungsprozesses büßt die österreichische Industrie den
realen Wertschöpfungszuwachs einer ganzen Dekade ein“, stellt IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein
fest. „Mit Blick auf den Sechs-Monats-Horizont werden die enorm schwierigen Marktbedingungen des ersten Halbjahres
2009 fortbestehen, doch verdichten sich angesichts der verbesserten Erwartungskomponente (Saldo -17 nach -38) die
Chancen für einen unteren konjunkturellen Wendepunkt im Schlussquartal – allerdings nur unter der Voraussetzung,
dass im internationalen Kontext keine weiteren systemischen Risken schlagend werden und sich die Stimmungsaufhellung
der vergangenen Wochen in den kommenden Monaten fortsetzt.“
Budgetkonsolidierung durch ausgabenseitige und strukturelle Maßnahmen
Die konjunkturelle Entwicklung werde massive Auswirkungen auf die Budgetpolitik haben, betonte IV-Generalsekretär
Beyrer anlässlich der Budgetrede des Finanzministers. „Wir brauchen ausgabenseitige Einsparungen und strukturelle
Veränderungen: diese ergeben sich unter anderem in den bekannten Bereichen Verwaltungsreform, aber auch Pensionen.“
Eine klare Absage erteilte Beyrer den Forderungen nach einer Vermögensbesteuerung, um neue Staatseinnahmen
zu lukrieren. „In einer so herausfordernden konjunkturellen Situation bedarf es keinen neuen Steuer- und Pseudo-Umverteilungsphantasien,
die ohnehin nur den Mittelstand treffen würden. Den Menschen in einem Hochsteuerland mit Rekordumverteilung
und besonders hoher Sozialquote in die Taschen zu greifen, ist eine Kapitulationserklärung politischen Gestaltungswillens.
Es ist zudem ein Konzept der Vergangenheit, wir aber müssen an der Zukunft arbeiten – mit den Ideen der Vergangenheit
werden wir die Krise nicht meistern“.
Beyrer verwies insbesondere auf ausgabenseitige Potenziale im Pensionsbereich: „Die aktuellen Zahlen belegen einen
wahren Run auf die Hacklerpension – allerdings nicht von wirklichen „Hacklern“. Diese Regelung war und ist ein
Fehler, der rasch korrigiert werden muss.“ Ein weiteres wichtiges Anliegen ist der IV nach wie vor die Berücksichtigung
der demographischen Realitäten bei den Pensionsanpassungen. „Die jetzigen Staatsausgaben haben auf lange Sicht
die jüngeren Generationen zu schultern. Wenigstens bei den Pensionen sollte man der realen demographischen
Entwicklung Rechnung tragen“, so Beyrer. Wenn schon über soziale Gerechtigkeit geredet wird, dann ist hier
ein weites politisches Betätigungsfeld gegeben.
Gegen die Vermögensbesteuerung führte Markus Beyrer vor allem folgende sachpolitische Punkte an:
1. Österreich ist ein Hochsteuerland.
Die österreichische Gesamtabgabenquote im Jahr 2007 lag mit 42,2% des BIP auf Platz 7 der EU-27. Außer
Italien (Platz 5), das wirtschaftspolitisch kein Vorbild ist, haben sämtliche EU-Nachbarländer deutlich
niedrigere Abgabenquoten (DE/ H: 39,8%; SLO: 38,2%; CZ: 36,9%; SK: 29,6%). Der EU-27-Mittelwert liegt gewichtet
bei 40,0 %.
2. Österreich besteuert Erwerbseinkommen sehr hoch. Leistungsträger zahlen den Hauptanteil.
- 2,7 Mio. Steuerpflichtige zahlen ab 2009 keine Steuer mehr, das sind rd. 48% aller österreichischen. Einkommensbezieher
(jeder Zweite!!!).
- Die obersten 10% der Einkommensbezieher tragen rd. 58% der Steuerleistung. Der Mittelstand trägt die Hauptlast
und soll auch noch Zukunftsvorsorge betreiben.
- Auf das oberste und vermögendste Prozent entfallen 9% des Einkommens, und mehr als 20% der gesamten Steuerleistung.
3. Österreich hat eine der höchsten Sozial- und Umverteilungsquoten weltweit, wie auch in der EU.
- Rund 28,5% des BIP (Stand 2006) werden für Sozialausgaben verwendet, das ist der sechst-höchste Wert
in der EU und ein wesentlicher Indikator wie intensiv Wohlstand in Österreich umverteilt wird.
- Auch der „Gini-Koeffizient“, der angibt wie gleichmäßig bzw. ungleichmäßig Einkommen
und somit auch Vermögen in einem Land verteilt sind, zeichnet Österreich mit einem besonders niedrigen
Quotienten von 26% (= gleichmäßige Einkommensverteilung) aus. Im EU-Vergleich nimmt Österreich
– zusammen mit Belgien – den 5. Platz ein. Der Durchschnitt der EU15 liegt bei 30%.
4. Die Vermögenssteuer wurde im Jahr 1994 aus guten Gründen abgeschafft und gleichzeitig fast aufkommensneutral
gegenfinanziert.
Die Ergebnisse der IV-Konjunkturumfrage im Detail
Bei den Auftragsbeständen als dem singulär wichtigsten Vorlaufindikator der IV-Konjunkturerhebung
für die Entwicklung der Industriekonjunktur in den kommenden Monaten ist hingegen nach wie vor kein Anzeichen
einer Bodenbildung zu erkennen. Auftragsflaute herrscht sowohl bei den Bestellungen aus dem Inland als auch aus
dem Ausland. Daher verminderten sich die Gesamtauftragsbestände weiter um 24 Punkte auf einen Saldo von -33
Punkten, wobei der Saldo der Auslandsaufträge in vergleichbarer Weise von -12 Punkten auf ebenfalls -33 Punkte
abnahm.
Dementsprechend verharren die Produktionserwartungen in der Industrie in saisonbereinigter Betrachtung für
die kommenden Monate auf niedrigstem Niveau. Die Folge ist – im Durchschnitt der österreichischen Industrie
– eine drastische Unterauslastung der Produktionskapazität und eine anhaltende Investitionszurückhaltung.
Hiermit korrespondierend setzt sich der negative Beschäftigungstrend im Durchschnitt der Industriebranchen
fort (Saldo -42 nach -49). Allerdings erwartet nahezu die Hälfte der Unternehmen, dass es gelingen wird, den
jeweiligen Beschäftigtenstand in den kommenden Monaten zu halten, während jedes sechzehnte Unternehmen
eine Ausweitung der Personalstandes vorzunehmen beabsichtigt.
Der Anteil der Unternehmen, welcher in den kommenden Monaten mit einem absoluten Rückgang der erzielbaren
Verkaufspreise rechnet, nimmt rezessionsbedingt noch weiter zu (Saldo -30 nach -20). Die Mengenentwicklung in Verbindung
mit dem enormen Preisdruck löst eine massive Ertragserosion aus (Saldo -27 nach -5), die sich mit Zeitverzögerung
fiskalisch signifikant negativ bei dem Aufkommen an Unternehmenssteuern niederschlagen wird. Im Jahresverlauf erwarten
die Unternehmen eine weitere Verschlechterung ihrer Ertragslage, doch sollte sich das Ausmaß der erforderlich
werdenden Ertragsrevisionen allmählich verringern (Saldo -22 nach -32).
Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 455 Unternehmen mit mehr als
304.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: den Unternehmen
werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten)
Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver
und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.
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