Industriekonjunktur: Leise Anzeichen für Bodenbildung auf niedrigstem Niveau   

erstellt am
21. 04. 09

Beispielloser Rückgang des IV-Konjunkturbarometers – massive realwirtschaftliche Schrumpfung auf das Ausbringungsniveau vor einer Dekade
Wien (pdi) - „Seit Jahresbeginn hat sich die konjunkturelle Lage in der Industrie weiter verschärft. Die Indikatoren der gegenwärtigen Geschäftslage befinden sich nicht nur in tiefrotem Terrain, sondern weiter im freien Fall. Zugleich geht erstmals in diesem Zyklus von einzelnen erwartungsbezogenen Indikatoren ein erster Hoffnungsschimmer auf eine Stabilisierung der Lage auf niedrigstem Niveau aus –allerdings frühestens ab dem vierten Quartal des heurigen Jahres“, bringt der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Markus Beyrer, das Hauptergebnis der IV-Konjunkturerhebung für das 1. Quartal 2009 auf den Punkt.

Gegenüber dem 4. Quartal 2008 fällt das IV-Konjunkturbarometer, das als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, von -22 Punkten abermals auf -27 Punkte. Nachdem sich die Lagekomponente bereits zuvor in extremer Weise um 40 Punkte zurückgebildet hatte, verringert sie sich zu diesem Termin abermals um 30 Punkte (Saldo -36 nach -6) und damit zum siebten Mal in Folge. „Ein solcher Absturz um 70 Punkte binnen zwei Quartalen ist in der modernen Industriegeschichte beispiellos. Im Zuge dieses realwirtschaftlichen Schrumpfungsprozesses büßt die österreichische Industrie den realen Wertschöpfungszuwachs einer ganzen Dekade ein“, stellt IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein fest. „Mit Blick auf den Sechs-Monats-Horizont werden die enorm schwierigen Marktbedingungen des ersten Halbjahres 2009 fortbestehen, doch verdichten sich angesichts der verbesserten Erwartungskomponente (Saldo -17 nach -38) die Chancen für einen unteren konjunkturellen Wendepunkt im Schlussquartal – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass im internationalen Kontext keine weiteren systemischen Risken schlagend werden und sich die Stimmungsaufhellung der vergangenen Wochen in den kommenden Monaten fortsetzt.“

Budgetkonsolidierung durch ausgabenseitige und strukturelle Maßnahmen
Die konjunkturelle Entwicklung werde massive Auswirkungen auf die Budgetpolitik haben, betonte IV-Generalsekretär Beyrer anlässlich der Budgetrede des Finanzministers. „Wir brauchen ausgabenseitige Einsparungen und strukturelle Veränderungen: diese ergeben sich unter anderem in den bekannten Bereichen Verwaltungsreform, aber auch Pensionen.“
Eine klare Absage erteilte Beyrer den Forderungen nach einer Vermögensbesteuerung, um neue Staatseinnahmen zu lukrieren. „In einer so herausfordernden konjunkturellen Situation bedarf es keinen neuen Steuer- und Pseudo-Umverteilungsphantasien, die ohnehin nur den Mittelstand treffen würden. Den Menschen in einem Hochsteuerland mit Rekordumverteilung und besonders hoher Sozialquote in die Taschen zu greifen, ist eine Kapitulationserklärung politischen Gestaltungswillens. Es ist zudem ein Konzept der Vergangenheit, wir aber müssen an der Zukunft arbeiten – mit den Ideen der Vergangenheit werden wir die Krise nicht meistern“.

Beyrer verwies insbesondere auf ausgabenseitige Potenziale im Pensionsbereich: „Die aktuellen Zahlen belegen einen wahren Run auf die Hacklerpension – allerdings nicht von wirklichen „Hacklern“. Diese Regelung war und ist ein Fehler, der rasch korrigiert werden muss.“ Ein weiteres wichtiges Anliegen ist der IV nach wie vor die Berücksichtigung der demographischen Realitäten bei den Pensionsanpassungen. „Die jetzigen Staatsausgaben haben auf lange Sicht die jüngeren Generationen zu schultern. Wenigstens bei den Pensionen sollte man der realen demographischen Entwicklung Rechnung tragen“, so Beyrer. Wenn schon über soziale Gerechtigkeit geredet wird, dann ist hier ein weites politisches Betätigungsfeld gegeben.

Gegen die Vermögensbesteuerung führte Markus Beyrer vor allem folgende sachpolitische Punkte an:

1. Österreich ist ein Hochsteuerland.
Die österreichische Gesamtabgabenquote im Jahr 2007 lag mit 42,2% des BIP auf Platz 7 der EU-27. Außer Italien (Platz 5), das wirtschaftspolitisch kein Vorbild ist, haben sämtliche EU-Nachbarländer deutlich niedrigere Abgabenquoten (DE/ H: 39,8%; SLO: 38,2%; CZ: 36,9%; SK: 29,6%). Der EU-27-Mittelwert liegt gewichtet bei 40,0 %.

2. Österreich besteuert Erwerbseinkommen sehr hoch. Leistungsträger zahlen den Hauptanteil.

  • 2,7 Mio. Steuerpflichtige zahlen ab 2009 keine Steuer mehr, das sind rd. 48% aller österreichischen. Einkommensbezieher (jeder Zweite!!!).
  • Die obersten 10% der Einkommensbezieher tragen rd. 58% der Steuerleistung. Der Mittelstand trägt die Hauptlast und soll auch noch Zukunftsvorsorge betreiben.
  • Auf das oberste und vermögendste Prozent entfallen 9% des Einkommens, und mehr als 20% der gesamten Steuerleistung.


3. Österreich hat eine der höchsten Sozial- und Umverteilungsquoten weltweit, wie auch in der EU.

  • Rund 28,5% des BIP (Stand 2006) werden für Sozialausgaben verwendet, das ist der sechst-höchste Wert in der EU und ein wesentlicher Indikator wie intensiv Wohlstand in Österreich umverteilt wird.
  • Auch der „Gini-Koeffizient“, der angibt wie gleichmäßig bzw. ungleichmäßig Einkommen und somit auch Vermögen in einem Land verteilt sind, zeichnet Österreich mit einem besonders niedrigen Quotienten von 26% (= gleichmäßige Einkommensverteilung) aus. Im EU-Vergleich nimmt Österreich – zusammen mit Belgien – den 5. Platz ein. Der Durchschnitt der EU15 liegt bei 30%.


4. Die Vermögenssteuer wurde im Jahr 1994 aus guten Gründen abgeschafft und gleichzeitig fast aufkommensneutral gegenfinanziert.

Die Ergebnisse der IV-Konjunkturumfrage im Detail
Bei den Auftragsbeständen als dem singulär wichtigsten Vorlaufindikator der IV-Konjunkturerhebung für die Entwicklung der Industriekonjunktur in den kommenden Monaten ist hingegen nach wie vor kein Anzeichen einer Bodenbildung zu erkennen. Auftragsflaute herrscht sowohl bei den Bestellungen aus dem Inland als auch aus dem Ausland. Daher verminderten sich die Gesamtauftragsbestände weiter um 24 Punkte auf einen Saldo von -33 Punkten, wobei der Saldo der Auslandsaufträge in vergleichbarer Weise von -12 Punkten auf ebenfalls -33 Punkte abnahm.

Dementsprechend verharren die Produktionserwartungen in der Industrie in saisonbereinigter Betrachtung für die kommenden Monate auf niedrigstem Niveau. Die Folge ist – im Durchschnitt der österreichischen Industrie – eine drastische Unterauslastung der Produktionskapazität und eine anhaltende Investitionszurückhaltung.

Hiermit korrespondierend setzt sich der negative Beschäftigungstrend im Durchschnitt der Industriebranchen fort (Saldo -42 nach -49). Allerdings erwartet nahezu die Hälfte der Unternehmen, dass es gelingen wird, den jeweiligen Beschäftigtenstand in den kommenden Monaten zu halten, während jedes sechzehnte Unternehmen eine Ausweitung der Personalstandes vorzunehmen beabsichtigt.

Der Anteil der Unternehmen, welcher in den kommenden Monaten mit einem absoluten Rückgang der erzielbaren Verkaufspreise rechnet, nimmt rezessionsbedingt noch weiter zu (Saldo -30 nach -20). Die Mengenentwicklung in Verbindung mit dem enormen Preisdruck löst eine massive Ertragserosion aus (Saldo -27 nach -5), die sich mit Zeitverzögerung fiskalisch signifikant negativ bei dem Aufkommen an Unternehmenssteuern niederschlagen wird. Im Jahresverlauf erwarten die Unternehmen eine weitere Verschlechterung ihrer Ertragslage, doch sollte sich das Ausmaß der erforderlich werdenden Ertragsrevisionen allmählich verringern (Saldo -22 nach -32).

Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 455 Unternehmen mit mehr als 304.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

     
Informationen: http://www.iv-net.at    
     
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