Außenwirtschaftliche Erfolge in turbulenten Zeiten   

erstellt am
30. 04. 09

Wien (oenb) - Die Oesterreichische Nationalbank präsentierte am 30.04. im Rahmen einer Pressekonferenz die Zahlungsbilanz Österreichs für das Jahr 2008. Trotz widriger Rahmenbedingungen erzielte die österreichische Außenwirtschaft mit einem Leistungsbilanzüberschuss von 9,8 Mrd Euro erneut ein Rekordergebnis. Ausschlaggebend dafür waren die Überschüsse der Dienstleistungsbilanz. Die österreichische Volkswirtschaft war damit nicht auf Kapitalimporte angewiesen, sondern konnte ihre Nettoverschuldung im Ausland abbauen.

„Die Weltwirtschaft befindet sich in der schwersten Rezession nach Ende des Zweiten Weltkriegs und das makroökonomische Gefüge wird nach der Krise nicht mehr das gleiche sein“, sagte Gouverneur Nowotny im Rahmen der Pressekonferenz zur Zahlungsbilanz des Jahres 2008. Er nannte drei Entwicklungen, die nun korrigiert würden: Die unzureichende Sparneigung der US-Bürger und die damit verbundene Überschuldung der amerikanischen Haushalte, die Unterschätzung von Kreditrisiken, die nun einer grundlegenden Neubewertung unterzogen würden, und die überhöhten Ölpreise und die dadurch gewachsenen Leistungsbilanzungleichgewichte, wo es durch die Rezession nun zu einer zumindest temporären Verschiebung der „Terms of Trade“ zu Gunsten der Öl importierenden Länder komme.

„Man dürfe angesichts der aktuellen Krise, der sich Österreich natürlich nicht entziehen könne, aber nicht die gewohnten Stärken der heimische Wirtschaft aus den Augen verlieren“ erinnerte Gouverneur Nowotny. Dabei erwähnte er die Innovationskraft der kleinen und mittleren Unternehmen, das funktionierende Zusammenspiel der Sozialpartner und die anerkannt gute Ausbildung der Fachkräfte. Die hervorragende Wettbewerbsposition Österreichs sei das Ergebnis einer wohlüberlegten, langfristigen Strategie. Daher stehen die österreichischen Banken und andere Investoren auch zu ihrem Engagement in zentral,- ost- und südosteuropäischen Staaten. Das Entwicklungspotenzial dieser Region sei nach wie vor gegeben und werde nach der Krise wieder für überdurchschnittliches Wachstum sorgen.

Um einer möglicherweise verzerrten Wahrnehmung entgegenzutreten, betonte Gouverneur Nowotny, dass nach wie vor der Euroraum der wichtigste Markt Österreichs sei: Etwa die Hälfte der österreichischen Exporte und knapp 60% der Importe entfielen 2008 auf unsere Partnerländer innerhalb der Währungsunion. Auch Österreichs Finanzaktiva sind fast zur Hälfte im Euroraum, d. h. in durchwegs stabilen Ländern und ohne Währungsrisiko veranlagt. Außerdem sei Österreich einer der ersten und erfolgreichsten, keineswegs aber der einzige Investor in den europäischen Wachstumsmärkten gewesen: Rund ein Zehntel aller Exporte der Währungsunion gehen in die neuen Mitgliedsländer der EU. Allein die Exporte Deutschlands in diese Region übertreffen die österreichischen um das Fünffache.

Schließlich warnte Gouverneur Nowotny vor den Gefahren eines Rückfalls in protektionistische Strategien, der gerade für eine kleine offene Volkswirtschaft wie Österreich fatale Folgen haben könnte.

Anschließend präsentierte Direktor Andreas Ittner, das für den Bereich Statistik zuständige Mitglied des Direktoriums der OeNB, die wichtigsten Ergebnisse der Zahlungsbilanz 2008.

„Trotz schwieriger Rahmenbedingungen hat die österreichische Außenwirtschaft im Jahr 2008 einen Rekordüberschuss der Leistungsbilanz in Höhe von 9,8 Mrd Euro bzw. 3,5% des BIP erwirtschaftet“, erklärte Direktor Ittner und stellte fest, dass dadurch „die heimische Volkswirtschaft nicht auf eine Finanzierung aus dem Ausland angewiesen sei, sondern vielmehr als Kapitalgeber an das Ausland auftreten könne.“

Im Außenhandel mit Gütern ergab sich 2008 eine „rote Null“, so dass der Leistungsbilanzüberschuss allein den Dienstleistungen zu verdanken war. Sowohl im Reiseverkehr, als auch bei den übrigen Dienstleistungen verzeichnete die Zahlungsbilanzstatistik für das Jahr 2008 Rekordüberschüsse. Die Reiseverkehrseinnahmen stiegen um 1 Mrd Euro, was angesichts stagnierender Ausgaben zu einem noch nie dagewesenen Plus von 7,1 Mrd Euro führte. Aber auch bei den übrigen Dienstleistungen konnte der Nettoertrag auf 6,3 Mrd Euro weiter gesteigert werden. „Österreich ist heute nicht nur das Land, in dem man auch in schwierigen Zeiten die Seele baumeln lassen kann, sondern auch ein erfolgreicher Anbieter vorwiegend unternehmensnaher Dienstleistungen“ hob Direktor Ittner hervor.

Trotz aller internationalen Erfolge könne sich die österreichische Volkswirtschaft aber nicht der Weltwirtschaftskrise entziehen. Die Güterexporte sind zum Jahreswechsel 2008/09 dramatisch eingebrochen, bei den unternehmensnahen Dienstleistungen, wie etwa dem Transport oder den Forschungs- und Entwicklungsleistungen, sei man im 4.Quartal bei einem Nullwachstum angelangt und nur der Reiseverkehr konnte zumindest im Jänner 2009 noch positive Wachstumsraten ausweisen. Obwohl das Jahr 2009 für die Außenwirtschaft außerordentliche Herausforderungen mit sich bringen werde, sei er zuversichtlich, dass es auch im laufenden Jahr ein positives Leistungsbilanzergebnis geben werde, meinte Direktor Ittner.

Markant waren die Auswirkungen der Finanzkrise natürlich auch in der Kapitalbilanz: Der Forderungsaufbau war mit +48 Mrd Euro der niedrigste seit 2003. Vor allem im 4.Quartal wurden ausländische Wertpapiere aller Arten abgestoßen, so dass es erstmals in einem Kalenderjahr zu Nettoverkäufen von ausländischen Wertpapieren kam. Eine besondere Rolle spielten dabei die inländischen Investmentfonds. Noch geringer war die Zunahme der Verpflichtungen mit +36½ Mrd Euro, ein Wert, der seit Österreichs Teilnahme an der Währungsunion vor 10 Jahren nur zwei mal unterboten wurde.

Abschließend präsentierte Aurel Schubert, Direktor der Hauptabteilung Statistik, weitere interessante Details der umfassenden Außenwirtschaftsstatistik: So betonte er einmal mehr die positive Rolle, die die engen Wirtschaftsbeziehungen Österreichs zu den Ländern Zentral-, Ost- und Südosteuropas hatten, haben und wohl auch in Zukunft haben werden. Zwar sei Deutschland nach wie vor der mit Abstand wichtigste Handelspartner, doch sei der Großteil des Exportzuwachses von 2,65 Mrd Euro im Jahr 2008 auf die Ausweitung der österreichischen Exporte in diese Region zurückzuführen. Ähnlich sei die Situation im Tourismus: Deutschland sei zwar nach wie vor für mehr als die Hälfte der Ausländernächtigungen verantwortlich, die Dynamik sei in den letzten Jahren jedoch vor allem in den östlichen Herkunftsregionen gelegen, von wo die Gästezahlen zumeist mit zweistelligen Raten gewachsen seien. Auch bei den übrigen Dienstleistungen biete sich ein ähnliches Bild: Deutschland ist mit 30% Anteil an den Exporten und Importen wichtigster Geschäftspartner, im Jahr 2008 stagnierten jedoch die Dienstleistungsexporte in die 15 „alten“ EU-Mitgliedsländer, während beispielsweise gegenüber den 12 neuen Mitgliedsländern ein Plus von 12% zu verzeichnen gewesen sei. Ein Ausnahmeergebnis habe man 2008 mit +50% gegenüber Russland erzielt, das mittlerweile auf Platz 10 der wichtigsten Exportdestinationen liege, hob Direktor Schubert hervor.

Beim Kapitalverkehr ging Direktor Schubert zunächst auf die Direktinvestitionen österreichischer Investoren im Ausland ein. Mit 19,9 Mrd Euro lag die investierte Summe nur 20% unter dem außerordentlichen Ergebnis des Jahres 2007: Die Investitionstätigkeit habe bis ins 4.Quartal angehalten und sei ein Beleg dafür, dass die Investoren an die wirtschaftliche Zukunft ihrer Beteiligungen – auch in Ost- und Südosteuropa – glauben. Umgekehrt habe auch Österreich seine Rolle als attraktiver Standort für ausländische Direktinvestitionen behaupten können. Zwar sei das Volumen gegenüber 2007 deutlich zurückgegangen, der Zufluss von 9,3 Mrd Euro war aber immer noch das zweitbeste Ergebnis aller Zeiten.

Im Hinblick auf die Nettoverkäufe ausländischer Wertpapiere, vorwiegend durch heimische Fonds, ergänzte Direktor Schubert, dass die Bewertungsverluste um ein Vielfaches höher gewesen seien. „Zu Jahresbeginn 2008 war das Portfolio an ausländischen Wertpapieren noch 274 Mrd Euro wert, zu Jahresende jedoch nur noch 230 Mrd Euro; nur 10 Mrd sind durch Verkäufe zu erklären, der Rest von 34 Mrd Euro entfällt auf Bewertungsverluste.“ Umschichtungen innerhalb des Portefeuilles habe es zugunsten von Papieren der „neuen“ Mitgliedsländer der EU bzw. der Nichteuroländer Schweden, Dänemark und Großbritannien gegeben, wobei allerdings vor allem in Euro denominierte Wertpapiere gekauft wurden. Der Absatz inländischer Wertpapiere ans Ausland war mit 16 Mrd Euro gering: Aktien und Investmentzertifikate wurden abgestoßen, stark nachgefragt waren vor allem die kurzfristigen Austrian Treasury Bills (+7 Mrd Euro).

Der aus dem Leistungsbilanzüberschuss resultierende Kapitalüberschuss wurde vor allem durch den Bankensektor im Ausland veranlagt (+30 Mrd Euro), indem er langfristige Kredite an ausländische Nichtbanken gewährte und seine Einlagen bei ausländischen Banken erhöhte. Auch der Staat hatte im 4.Quartal zusätzlich kurzfristige Auslandforderungen von 7 Mrd Euro aufgebaut. In der Statistik ist auch zu erkennen, dass die Banken nach Ausbruch der Krise das kurzfristige Interbankgeschäft mit ausländischen Partnerbanken beiderseits deutlich zurückgefahren haben. Besonders hoch war 2008 mit +21 Mrd Euro die Netto-Kreditvergabe an ausländische Nichtbanken, wobei etwa die Hälfte auf verbundene Finanzholdings oder Leasinggesellschaften entfiel. Auch heimische Unternehmen konnten im ersten Halbjahr noch 5 Mrd Euro an Krediten im Ausland aufnehmen, in der zweiten Jahreshälfte versiegte diese Finanzierungsquelle.
     
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