Veranstaltung in Erinnerung an Adelheid Popp
Wien (pk) - Sie habe ihre Meinung geändert und sei nun überzeugt, dass es gesetzlicher
Quoten bedürfe, um Frauen die gleichen Chancen in der Arbeitswelt, und vor allem in höheren Positionen,
zu ermöglichen wie Männern, betonte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer am 28.04. im Rahmen
einer Diskussionsveranstaltung, die Adelheid Popp gewidmet war. Popp war eine der ersten acht Parlamentarierinnen
in der Konstituierenden Nationalversammlung nach Einführung des Frauenwahlrechts im Jahr 1918 und den Wahlen
vom 16. Februar 1919 sowie politische Pionierin der Sozialdemokratie.
Es gebe zwar keine perfekten Modelle zur Quotenregelung, sagte Prammer, aber man sei in Gesprächen mit den
weiblichen Abgeordneten der anderen Fraktionen übereingekommen, im Herbst eine parlamentarische Enquete zu
diesem Thema abzuhalten. Vieles habe sich zwar für die Frauen zum Besseren gewendet, dennoch sei es Realität,
dass es hinsichtlich der Frauenbeteiligung nur zaghafte Schritte gibt. Die Nationalratspräsidentin wies auf
den wieder gesunkenen Frauenanteil im Nationalrat hin, der nun bei knapp 28 Prozent liegt, nachdem er bereits einmal
fast 34 Prozent erreicht hatte. Alles gehe viel zu langsam, obwohl sich die Gesellschaft enorm dynamisch entwickelt,
unterstrich Prammer und wies in diesem Zusammenhang auch auf die Notwendigkeit hin, angesichts der aktuellen Krise
Bedingungen zu schaffen, damit Frauen nicht noch mehr ins Hintertreffen geraten.
Barbara Prammer diskutierte mit der Aufsichtsrätin Wilhelmine Goldmann, der Journalistin und Autorin Sibylle
Hamann und der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt bei der
Gleichbehandlungsanwaltschaft Sandra Konstatzky. Die Diskussionsleitung hatte die Linzer Universitätsprofessorin
Gabriella Hauch inne, die sich in ihren Arbeiten eingehend mit Adelheid Popp und der Frauenrechtsbewegung auseinander
gesetzt hat.
Die Diskussionsteilnehmerinnen, die der Frage nachgingen, inwieweit die politischen Strategien von Adelheid Popp
auch heute noch Relevanz haben, waren sich darin einig, dass die Erzeugung von Druck und allem, was irritiert und
provoziert, gut und nützlich sei. Deshalb sei die Forderung nach einer Frauenquote wichtig, denn das tue offensichtlich
weh, ziehe man die aufgeregte Diskussion darüber in Betracht. Anreize allein seien zu wenig, man brauche auch
gesetzliche Bestimmungen, stellte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer fest.
Angesichts der Tatsache, dass die Entlohnung in frauentypischen Berufen wesentlich niedrigerer ist und die Gehälter
im Laufe der Zeit auch dort relativ gesunken sind, wo Frauen mehrheitlich männliche Beschäftigte abgelöst
haben, wäre eine bessere Durchmischung innerhalb der einzelnen Berufssparten ein wichtiger Hebel zur Gleichbehandlung,
zeigten sich die Diskutantinnen unisono überzeugt.
Zum heiklen Thema Transparenz der Einkommen, was von Sibylle Hamann als eine notwendige Maßnahme erachtet
wurde, schlug Nationalratspräsidentin Prammer als ersten Schritt Einkommensstatistiken vor, und zwar auch
in privaten Unternehmen. Dies würde eine wesentliche Orientierung bieten, und daran führe kein Weg vorbei,
meinte sie. Als wesentliche Faktoren zur Änderung der noch immer vorhandenen Benachteiligung von Frauen wurden
in der Diskussion auch der Bildungsbereich sowie der Ausbau der Kinderbetreuung und die leichte Erreichbarkeit
des Arbeitsplatzes genannt.
Zur Veranstaltung "Adelheid Popp – Eine Frau schreibt Geschichte" hatte Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer anlässlich "90 Jahre Frauenwahlrecht" und zur Erinnerung an den 3. April 1919 geladen,
als erstmals eine Frau, nämlich Adelheid Popp, als Abgeordnete ans Rednerpult im Parlament trat. Bei dieser
Rede handelte es sich um den Gesetzesantrag zur Abschaffung des Adels und aller seiner Privilegien und Vorrechte.
Die Schauspielerin und Autorin Anna Hauer trug aus dem Stenographischen Protokoll vor und vermittelte damit auch
einiges vom leidenschaftlichen Engagement und der rhetorischen Kraft Adelheid Popps. Diese Rede der damals fünfzigjährigen
Sozialdemokratin sei ein Systembruch in doppelter Hinsicht gewesen, bemerkte Gabriella Hauch in ihrer Einleitung.
Einerseits sei es um einen radikalen Inhalt gegangen, nämlich die Abschaffung des Adels, andererseits um die
Tatsache, dass eine Frau, noch dazu Autodidaktin aus ärmlichen Verhältnissen, das Parlament eroberte.
Nationalratspräsidentin Prammer konnte unter den Gästen die ehemalige Präsidentin des Bundesrats
Anna Elisabeth Haselbach, Bundesministerin a.D. Lore Hostasch und die frühere Dritte Präsidentin des
Nationalrats Heide Schmidt begrüßen. |