Eröffnung des NEUEN Tiroler Volkskundemuseums am 19. Mai   

erstellt am
18. 05. 09

Innsbruck (tiroler-landesmuseen.at) - Von außen lässt die strenge Fassade kaum erahnen, welche aufregenden Veränderungen sich im Tiroler Volkskunstmuseum im letzten Jahr vollzogen haben: 80 Jahre nachdem das Museum im ehemaligen Franziskanerkloster in der Innsbrucker Universitätsstraße eröffnet wurde, präsentiert es sich im neuem Glanz, mit neuen, oft überraschenden, auf jeden Fall aber spannenden und abwechslungsreichen Schwerpunkten. Das Tiroler Volkskunstmuseum beherbergt die größte und bedeutendste Sammlung Kulturgut aus dem alten Tirol. Die vielfältigen Themengebiete sind nun in sechs Ausstellungsbereiche strukturiert. Dazu kommt eine multimediale Vorschau, welche die BesucherInnen auf die Bedeutung der Hofkirche und ihrer Kunstschätze aufmerksam macht.

Ein Verführer
Die Luzifer-Figur aus dem Nikolausspiel von Stumm (Zillertal), ist der Ver-führer in und durch das neue Tiroler Volkskunstmuseum. Er ist der Provokateur, das Enfant terrible in der schönen, wohl geordneten Museumswelt. Luzifer thront deshalb vor dem Aufgang ins Museum über einem kulturellen "Schwemmhaufen". Dabei ist nicht klar, ob es sich um kulturelles Erbe oder einfach nur um eine Menge Unrat handelt. Luzifer weist damit symbolisch auf die schmale Grenze zwischen Kulturgut, Weggeworfenes und nicht mehr Gebrauchtes hin. Wer entscheidet, was in einem Museum gesammelt wird, und was nicht? Was kann gar nicht gesammelt werden, weil es hierfür keine materiellen Relikte gibt? Was ist im Museum Inszenierung, was Original? An einzelnen Stellen konfrontiert Luzifer die Besucher in Form von Leuchtschriften deshalb mit irritierenden Fragen. Luzifer hinterfragt und "verführt", hinter die Kulissen und Fassaden zu blicken. Luzifer regt zum Nachdenken an: Warum erfährt das Handwerk eine solche Betonung? Was hat es mit den prachtvollen Festtagstrachten und der Selbstinszenierung auf sich? Luzifer, die Figur aus dem Zillertaler Nikolausspiel, avanciert zum heimlichen Begleiter der MuseumsbesucherInnen.

Ausstellungsbereiche
Die einzelnen Ausstellungsbereiche konzentrieren sich auf einen bestimmten Schwerpunkt. Einem Interessierten werden aber auch die zahlreichen Verknüpfungen nicht verborgen bleiben. Das Erdgeschoss steht ganz im Zeichen Krippen - jenen Miniaturdarstellung des Evangeliums, die seit dem späten 18. Jahrhundert aus dem Kirchenraum in die Stuben gewandert sind und mit großer Kreativität ästhetisch ausformuliert wurden. Gerade weil sie Mittelpunkt häuslicher Andacht waren, waren sie seither offen für eine Vielzahl von Einflüssen und regionalen Eigenheiten. Durch eine im Vorraum gezeigten Projektion steht der Besucher mitten in einer Krippe und wird so ein Teil von ihr. Dadurch erfährt er von zahlreichen Details der in den beiden anschließenden Räumen gezeigten Krippen und wird so auf die faszinierenden Kunstwerke vorbereitet und zum genau Schauen animiert.

Der Bereich über dem Kreuzgang im ersten Stock führt durch das Pralle Jahr. Dargestellt wird ein Jahreszyklus, der durch kirchliche Feste, ausgelassene Feiern, vielfältige Bräuche aber auch arbeitsreichen Zeiten bestimmt ist. Der im Boden eingelassenen Kalender korrespondiert mit den ausgestellten Stücken im jahreszeitlichen Ablauf. Während beim Prallen Jahr das Leben in der Öffentlichkeit und in der Gemeinschaft im Mittelpunkt steht, widmet sich der zweite Stock dem von Ängsten und Gefahren geprägten Prekären Leben im privaten Raum. Thematisiert werden die Lebensabschnitte von der Schwangerschaft bis hin zum Tod mit den unterschiedlichen Jenseitsvorstellungen wie Fegefeuer oder Ewiges Leben. Wie eine Spur zieht sich durch die "Rites de passage" - die Übergangsriten - die Darstellung des irdischen Versuchs, Unheil durch Segen und Magie, Bitte und Dank zu bewältigen.

Die museale Präsentation des Lebens nach dem Tod ist dabei nicht nur Endpunkt des Ausstellungsteils, sondern auch inhaltlicher Übergang zur Hofkirche. Denn nachdem die BesucherInnen das Bild vom "Letzten Gericht" bewundern konnten, betreten sie die Lettner-Empore der Hofkirche, um von oben auf das Grabmal Kaiser Maximilians zu blicken.

Mit ihrer Fülle an Exponaten lädt die Studiensammlung zum vergleichenden Schauen und Studieren ein. Die Schwerpunkte dieses Ausstellungsteils liegen auf den Produkten der Hausindustrie, dem Handwerk, und auf den Bereichen Hab und Gut sowie Erben. Die materiellen Relikte sind in den alten Vitrinen zu bewundern. Gerade durch die Menge an außergewöhnlichen Gegenständen werden soziale Ungleichheiten oder regional unterschiedliche Erbsitten deutlich.

Ein nach historischen Vorbildern rekonstruiertes Fotostudio um 1900 will den romantischen Blick auf Sein und Schein der Trachten vermitteln. Die 48 handgeschnitzten Figurinen -überlebensgroße Holzfiguren, in stattliche Tiroler Festtagstrachten gekleidet - sind Ausdruck der Idealisierung auf eine um 1900 bereits abgelegte Kleidung. In der Tracht fokussierten sich Wünsche nach Beständigkeit, Sehnsüchte nach einer als authentisch wahrgenommenen Natur oder Bedürfnisse nach der Echtheit im Ländlichen. Die Ausstellung der Trachten verfolgt nicht den Anspruch einer historisch-didaktischen Präsentation, sondern bringt den idealisierten Lebensentwurf zum Ausdruck.

Einen bekanten Höhepunkt bilden die getäfelten Stuben aus der Gotik, der Renaissance und dem Barock. Sie stammen Nord- und Südtirol sowie dem Trentino und waren einst nicht in Bauernhäusern eingebaut, sonder fast ausschließlich im adeligen oder bürgerlichen Umfeld. Die für das Museum eigens angefertigten Hörspiele hauchen den alten Räumen neues Leben ein und lassen Geschichte spürbar werden.

Vorschau Hofkirche
Ein besonderes Augenmerk wird auf die Besichtigung der Hofkirche gelegt. Den BesucherInnen wird mit spektakulären und multimedialen Bildern die historische Bedeutung dieses Monumentalwerks mit den ideengeschichtlichen Hintergründe näher gebracht. Die BesucherInnen werden so für die europäische Dimension des Kaisergrabes sensibilisiert und zum genau Hinschauen angeregt.

Der Personal Digital Assistent - Museumsguide
Die Schaulust der Besucher wird weder bei den herausragenden, noch bei den filigranen Gegenständen durch langatmige Beschriftungen gestört, denn das Museum geht auch in der Informationsvermittlung neue Wege und leistet dabei Pionierarbeit. In allen Ausstellungsbereichen kommt der PDA, der Personal Digital Assistent, zum Einsatz. Er ist und kann viel mehr als die bisher bekannten Audioguides, ist er doch mit einem Strichcodelesegerät ausgestattet. Durch Abscannen der kleinen Codes bei den Vitrinen und wichtigen Objektgruppen und Objekten erhält man Informationen über den ausgewählten Gegenstand, kann Geräusch- und Musiksequenzen hören oder Bilder ansehen. Kinder können sich mit seiner Hilfe mit den von der Museumspädagogik entwickelten Spielen, Quiz und Rätseln unterhalten. Vorbereitete Schwerpunkttouren und Rundgänge für Erwachsene ergänzen die umfangreichen Möglichkeiten des PDA. Alle Informationen sind freilich nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Italienisch und Englisch abrufbar. Den kleinen Handcomputer erhalten die BesucherInnen ohne Aufpreis an der Museumskasse.

Historischer Charme im neuen Glanz
Kenner des alten Volkskunstmuseums werden im neuen Museum die fantastischen und einmaligen Gegenstände wiedererkennen. So manch Altbekanntes ist in die Neukonzeption eingeflossen, wie beispielsweise die Holzvitrinen in der Studiensammlung, um den Charakter eines Schaudepots zu vermitteln. Die Exponate aus der Museumssammlung wurden behutsam in verführerische Inszenierungen und wechselnde Raumstimmungen eingebettet.

Beauftragt vom Direktor der Tiroler Landesmuseen, Dr. Wolfgang Meighörner, entwickelte das Museumsteam in enger Zusammenarbeit mit der Gestaltungsfirma Steiner Sarnen Schweiz das abwechslungsreiche Konzept für das neue Tiroler Volkskunstmuseum. Das Resultat der intensiven, über ein Jahr dauernden Arbeit ist ein vielfältiges Haus, das den BetrachterInnen auch beim mehrmaligen Besuch noch immer überraschen kann und Langeweile, Müdigkeit oder Verdruss erst gar nicht aufkommen lässt. Genau deshalb ist das Tiroler Volkskunstmuseum einen Besuch wert.

TIROLER VOLKSKUNSTMUSEUM
Universitätsstraße 2, 6020 Innsbruck
Telefon: ++43 / (0)512 / 594 89-510

ÖFFNUNGSZEITEN
Montag bis Sonntag 9.00 - 18.00 Uhr
     
Informationen: http://www.tiroler-landesmuseen.at    
     
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