Kein Abverkauf trotz Krise
Wien (oenb) - Robuster als erwartet entwickelten sich im Jahr 2008 die Direktinvestitionen. Gegenüber
dem Ausnahmejahr 2007 sanken die Investitionen Österreichs im Ausland nur um 20% und erreichten 19,3 Mrd Euro.
Selbst im vierten Quartal wurde weiter investiert und die Kreditgewährung an Konzernfirmen ausgeweitet. Auf
weniger als die Hälfte des Vorjahreswertes sanken dagegen die Direktinvestitionen des Auslands in Österreich,
mit 9,3 Mrd Euro wurde aber immer noch der zweithöchste Wert aller Zeiten erreicht. Bei der Finanzierung durch
Konzernkredite trat Mitte des Jahres allerdings eine Wende ein – statt weiter Kapital zuzuführen wurden die
Kreditlinien in der zweiten Jahreshälfte gekürzt. Auf der Aktivseite erfolgte mehr als die Hälfte
der Direktinvestitionen in die zentral-, ost- und südosteuropäischen Länder (Ukraine, Ungarn, Russland
und Bulgarien), auf der Passivseite wurden Desinvestitionen aus den USA, der Schweiz, Irland und Luxemburg durch
Zuflüsse aus Italien, Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden mehr als kompensiert.
Die strategischen Investitionen inländischer Investoren in ausländische Unternehmen, also die aktiven
Direktinvestitionen, erreichten 2008 einen Wert von 19,7 Mrd Euro, das sind nur 20% weniger als im Ausnahmejahr
2007 und der zweithöchste jemals erzielte Wert. Zieht man von diesem Betrag den Kauf privater Liegenschaften
im Ausland (136 Mio Euro) und die Aktivitäten sogenannter „Special Purpose Entities“ – ausländische Holdinggesellschaften
ohne wirtschaftliche Aktivität in Österreich – ab, so bleiben 19,3 Mrd Euro an Direktinvestitionen im
engeren Sinne. Davon entfielen 11,4 Mrd Euro auf den Eigenkapitalerwerb und 3,8 Mrd Euro auf reinvestierte Gewinne,
während die konzerninternen Forderungen um 4,0 Mrd Euro zunahmen. Trotz der Finanzkrise hat die Investitionstätigkeit
im Jahresverlauf kaum nachgelassen. Dass die österreichischen Investoren selbst im vierten Quartal die Gewährung
von Krediten an ihre Töchter ausgeweitet haben, spricht dafür, dass sie an die wirtschaftliche Zukunft
ihrer Beteiligungen glauben.
Die regionale Streuung der aktiven Direktinvestitionen im Jahr 2008 war besonders breit: wichtigstes Zielland war
Deutschland mit Rekordinvestitionen von 2,2 Mrd Euro. Nahezu gleichauf und ebenfalls mit Rekordinvestitionen liegt
die Ukraine an zweiter Stelle, gefolgt von Ungarn und Russland mit jeweils 1,4 Mrd Euro an Direktinvestitionen.
Auch für die Niederlande verzeichnete die Kapitalbilanz mit 1,2 Mrd Euro einen historischen Höchstwert
an Neuinvestitionen. Auf den Plätzen 6 bis 8 liegen Bulgarien, die Tschechische Republik und Rumänien
mit Investitionen von 0,9 bis 1,0 Mrd Euro. Weitere Zielländer mit mehr als 500 Mio an investiertem Kapital
waren Belgien, Kroatien, die Türkei, Kasachstan, Zypern und Italien. Mit einem Anteil von 90% der Investitionen
in Europa und einem Anteil von 52% für die Länder Zentral-, Ost- und Südosteuropas bleiben die heimischen
Investoren aber letztlich dem Investitionsmuster der letzten Jahrzehnte treu.
Neben dem im Vordergrund stehenden Finanzsektor – mit Investitionen und Desinvestitionen – sind im Berichtsjahr
Immobilieninvestoren und der Telekomsektor hervorzuheben. Auch der Erwerb der ungarischen Güterbahn wurde
im Jahr 2008 statistisch erfasst.
Die breite Streuung der aktiven Direktinvestitionen wird auch durch die Zahl von rund 500 einzeln gemeldeten Investitionsprojekte
von mehr als 1 Mio Euro unterstrichen, während die Zahl der Großprojekte mit Eigenkapitalinvestitionen
von mehr als 100 Millionen Euro gegenüber 2007 von 50 auf 20 gesunken ist.
Ausländische Unternehmenseigner investierten 2008 netto 9,3 Mrd Euro in ihre österreichischen Beteiligungen,
womit die aktiven Direktinvestitionen die passiven deutlich überstiegen. Obwohl sich die passiven Direktinvestitionen
gegenüber dem Ausnahmejahr 2007 auf weniger als die Hälfte gesunken sind, markiert das Ergebnis des Berichtsjahres
immer noch das zweitstärkste Jahr. Marginalen Eigenkapitalabzügen von 0,4 Mrd Euro stand eine Zufuhr
an Eigenkapital von 6,6 Mrd Euro gegenüber. Die vorläufigen Schätzungen für die reinvestierten
Gewinne ergeben einen Kapitalzuwachs von 3,8 Mrd Euro. Reduziert hat sich das Ausmaß der Finanzierung durch
konzerninterne Kredite. Während im ersten Halbjahr 2008 noch 1,5 Mrd an Krediten zugeflossen waren haben die
ausländischen Muttergesellschaften im zweiten Halbjahr die Kreditlinien ihrer österreichischen Töchter
um 2,2 Mrd Euro reduziert. In einem größeren Fall handelt es sich dabei um die Umwandlung von Krediten
in Eigenkapital.
Das Geschehen bei den passiven Direktinvestitionen war wie immer deutlich stärker regional konzentriert als
bei den aktiven Direktinvestitionen. Aus vier Ländern, nämlich den USA, Irland, der Schweiz und Luxemburg,
wurden zwischen 1 und 1,5 Mrd Euro an Kapital abgezogen. Dem standen Zuflüsse aus Italien (+3,8 Mrd Euro),
Großbritannien (+3,1 Mrd Euro), Deutschland (+2,8 Mrd Euro) und den Niederlanden (+2,3 Mrd Euro) gegenüber,
womit der Abfluss weit übertroffen wurde.
Zum Teil handelt es sich bei diesen Vorgängen um bloße Verschiebungen im Zuge finanzieller Restrukturierungen
multinationaler Konzerne, die in Österreich regionale Zentren unterhalten, zum Teil nutzten aber auch liquide
Investoren die niedrigen Aktienkurse um strategische Anteile an österreichischen Unternehmen zu erwerben. |