Berlin (idw) - Forschern des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch ist
ein erster entscheidender Einblick in die Entwicklung des Tastsinns gelungen. Die Neurobiologen und Schmerzforscher
Dr. Stefan G. Lechner und Prof. Dr. Gary Lewin konnten die Entstehung des Tastsinns durch die Messung elektrischer
Impulse in sensorischen Nervenzellen von Mäusen erstmals direkt nachweisen. Zugleich konnten sie zeigen, dass
die Nervenzellen ihre Fähigkeiten, Berührungen und Schmerz wahrzunehmen, zu unterschiedlichen Entwicklungsphasen
ausbilden, aber immer gleichzeitig mit der Ausbreitung der Nervenbahnen (EMBO Journal, 2009, doi:10.1038/emboj.2009.73).
In den hinteren Wurzelganglien zwischen den Wirbelscheiben der Bandscheibe sitzen die sensorischen Nervenzellen,
die Berührungen und Schmerz wahrnehmen. Die Nervenzellen nehmen den Reiz auf und wandeln ihn in elektrische
Impulse um, die an das Gehirn weitergeleitet werden. Die Reizweiterleitung ist sehr gut erforscht. Das hat auch
zur Entwicklung von Medikamenten geführt, die die Weiterleitung von Schmerzsignalen an das Gehirn blockieren.
Nur wenig ist aber darüber bekannt, wie die Reizwahrnehmung überhaupt entsteht.
In isolierten Zellen von Mausembryonen gelang es den MDC-Forschern mit Hilfe der Patch-Clamp-Technik winzige elektrische
Ströme in den Zellmembranen nach einem Berührungsreiz zu messen. "Diese Messungen sind außerordentlich
schwierig", erläutert Dr. Lechner, "weshalb nur sehr wenige Labore in der Welt darauf spezialisiert
sind."
Die Forscher in Berlin-Buch konnten zeigen, dass die sensorischen Nervenzellen ihre Fähigkeit, Berührungen
wahrzunehmen, bei Mäusen bereits am 13. Entwicklungstag eines Embryos voll ausgebildet haben. Das entspricht
etwa dem Ende des sechsten Schangerschaftsmonats beim Menschen. Die Zellen benötigen dazu keinen Nervenwachstumsfaktor,
weshalb die Forscher vermuten, dass dieser Prozess von einem genetischen Programm gesteuert wird. Im Gegensatz
dazu kann sich die Fähigkeit zur Schmerzwahrnehmung in den sensorischen Nervenzellen aber nur mit Hilfe eines
Nervenwachstumsfaktors (NGF) entwickeln. Sie erfolgt auch zu einem späteren Zeitpunkt in der Embryonalentwicklung
und noch nach der Geburt. |