Die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) erlaubt Einblicke
München (idw) - Patienten mit einer Panikstörung erleben ohne erkennbaren Auslöser
wiederholt Zustände massiver Angst, die oft von Herzrasen, Atemnot und Übelkeit begleitet werden. Tatsächlich
werden diese Sinneseindrücke durch Fehlleistungen des Gehirns ausgelöst. Wissenschaftler des Max- Planck-Instituts
für Psychiatrie untersuchten nun mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) Hirnregionen,
die an der Verarbeitung emotionaler Information beteiligt sind. Im Vergleich zu gesunden Probanden zeigen Patienten
mit einer remittierten Panikstörung eine verstärkte Aktivierung des Mandelkerns, einer Hirnregion, die
für die Auslösung einer Furchtreaktion die Schlüsselrolle spielt. Interessanterweise tritt diese
Überaktivität parallel mit einer verminderten Aktivierung des zingulären und präfrontalen Kortex
auf. Panikattacken entstehen offensichtlich dadurch, dass diese höheren Steuerregionen ihre kontrollierende
Funktion bei der Gefahreneinschätzung nicht ausreichend wahrnehmen können. (PLoS ONE, Online-Vorabpublikation
20. Mai 2009)
Bei der Panikstörung kommt es zum schlagartigen Ausbrechen von intensiven Angstgefühlen, ohne dass eine
objektive Gefahr erkennbar ist. Die Angst kann sich zu Todesangst steigern und von zahlreichen körperlichen
Symptomen wie Herzrasen, Atemnot, Schweißausbrüchen oder Übelkeit begleitet sein. Die Erkrankung
tritt bei ein bis vier Prozent der Bevölkerung auf, wobei der Krankheitsausbruch meistens zwischen 20 und
40 Jahren liegt. Die Patienten sind häufig schwer beeinträchtigt. Zu den Symptomen der Panikstörung
treten häufig Vermeidungsreaktionen, wie Agoraphobie - der Angst vor offenen Plätzen - mit Rückzugsverhalten
und depressiven Reaktionen hinzu. In Extremfällen sind Patienten nicht mehr in der Lage, ihre Wohnung zu verlassen.
Bis heute sind die eigentlichen Ursachen der Panikstörung weitgehend unbekannt. Wegen der starken vegetativen
körperlichen Reaktionen während der Panikattacke stand bisher ein neuronales Netzwerk im Gehirn im Zentrum
des Interesses, das für die Erkennung der emotionalen Bedeutung eines Reizes und der Entstehung eines erregten
Zustands verantwortlich ist. Dieses Netzwerk umfasst vor allem den Mandelkern und den vorderen zingulären
Kortex.
n der aktuellen Studie untersuchten Dr. Sämann und seine Mitarbeiter mittels fMRT, inwieweit sich bei Patienten
mit Panikstörung die Verarbeitung emotionaler Reize von gesunden Kontrollpersonen unterscheidet. Hierbei wurde
Wert darauf gelegt, dass die Patienten im Zeitraum vor der Untersuchung frei von Panikattacken waren.
Während der zirka 20-minütigen Untersuchung wurden Bilder von Gesichtern gezeigt, die entweder mit einem
passenden oder unpassenden Begriff kombiniert waren (siehe Abbildung 1). Die Testpersonen sollten per Tastendruck
angeben, ob Text und Bild übereinstimmten oder nicht. Dabei waren sie angewiesen, vorwiegend auf den Gesichtsausdruck
zu achten und soweit wie möglich den Wortgehalt zu ignorieren.
Eine leichte Irritation durch widersprüchliche Bild/Wort-Paare ist bei solchen Experimenten ein bekanntes
Phänomen, das sich in einer verlangsamten Antwort niederschlägt. Patienten zeigen dieses Phänomen
jedoch stärker als Gesunde. Außerdem treten bei Patienten deutliche Unterschiede in der Hirnaktivierung
auf: Sie verringerten dann die Aktivität der Kontrollregionen im präfrontalen Kortex und reagierten mit
einer Mehraktivierung des Mandelkerns, wenn ein widersprüchliches Bild/Wort-Paar vorausging. Je größer
die Mehraktivierung ausfiel, desto stärker verzögerte sich die Antwort des Patienten - einer von mehreren
Hinweisen, dass diese Erregung des Gehirns keine erfolgreiche Kompensation, sondern eher eine Fehlleistung darstellt.
Interessanterweise zeigte sich ein gegensätzliches Bild beim Patienten, wenn ein übereinstimmendes Bild/Wort-Paar
vorausging. Dann war die Aktivität der Kontrollregionen eher stärker als bei Gesunden.
Diese veränderten Aktivierungsmuster deuten auf eine instabile Reaktion derjenigen Hirnregionen hin, die normalerweise
die Reaktion des Furchtsystems auf emotionale Reize regulieren. Die neuen Erkenntnisse helfen zu erklären,
warum pharmakologische Substanzen, die vor allem mittelfristig die Reaktion limbischer und präfrontaler Hirnregionen
beeinflussen, wie beispielsweise Serotonin- Wiederaufnahme-Hemmer, bei der Panikstörung erfolgreich Wirkung
zeigen.
Originalveröffentlichung: Natalya Chechko, Renate Wehrle, Angelika
Erhardt, Florian Holsboer, Michael Czisch, Philipp G. Sämann Unstable prefrontal response to emotional conflict
and activation of lower limbic structures and brainstem in remitted panic disorder PLoS ONE (2009), 1-15, Online-Vorabpublikation
20. Mai 2009 |