Pilotprojekt im Oscar-Helmer-Hof erntet erste Früchte
Wien (rk) - Im vergangenen Herbst rief Vizebürgermeister Wohnbaustadtrat Dr. Michael Ludwig
den ersten interkulturellen NachbarschaftsGarten in einem Wiener Gemeindebau - dem Oscar- Helmer-Hof in Floridsdorf
- ins Leben. Für das Pilotprojekt, das vom Verein "Wirbel" begleitet wird, wurde eine Wiese in Beete
für interessierte MieterInnen umgestaltet. Mittlerweile grünt es im NachbarschaftsGarten nicht nur prachtvoll,
sondern auch das gute Miteinander blüht und gedeiht. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig lud am 29.05. gemeinsam
mit MieterInnen und VertreterInnen des Vereins "Wirbel" zu einem Besuch des interkulturellen NachbarschaftsGartens
ein.
Der Oscar-Helmer-Hof in Floridsdorf verfügt über rund 790 Wohnungen, großzügige Grünanlagen
und seit wenigen Monaten auch über den ersten interkulturellen NachbarschaftsGarten in einem Wiener Gemeindebau.
Das Pilotprojekt, an dem rund 20 "GärtnerInnen" und deren Angehörige teilnehmen, hat sich hervorragend
entwickelt und erntet auch viel positives Feedback von MieterInnen des Gemeindebaus, die zwar nicht mitgärtnern,
die aber gerne auf einen Plausch im Garten vorbeischauen. Denn der NachbarschaftsGarten trägt mittlerweile
erste Früchte: In den Beeten reifen Erdbeeren, wachsen verschiedene Gemüsesorten, Kräuter und Blumen,
vor allem aber hat sich der gute nachbarschaftliche Kontakt durch das gemeinsame Hobby Gärtnern vertieft.
Ältere Mitglieder der Gemeinschaft werden bei der Arbeit tatkräftig von den jüngeren unterstützt,
das Beet eines Gemeindebaubewohners, der schwer erkrankte, wird von den anderen mitgepflegt.
"Durchs Reden kommen die Leute zusammen. Das Rezept für den Erfolg des NachbarschaftsGartens ist, durch
gemeinsame Interessen Schwellenängste, die oft auch im Kontakt mit Nachbarn bestehen, abzubauen. Man lernt
einander näher kennen, organisiert sich bei der Betreuung des Gemeinschaftsbeets, hilft einander und freut
sich gemeinsam über die Ernte. Das Miteinander profitiert von dem größeren Verständnis und
der damit verbundenen höheren Toleranz für die Nachbarn. Und das ist die beste Basis, um auch auftretende
Meinungsverschiedenheiten auf friedliche und demokratische Weise selbst regeln zu können", betonte Wohnbaustadtrat
Michael Ludwig bei seinem Besuch im ersten Gemeindebau-NachbarschaftGarten.
Die Mitarbeiterinnen des Vereins "Wirbel" unterstützen das Pilot-Projekt fachlich. Ihre Aufgabe
ist es vor allem, den Aufbau der Gartengemeinschaft in der Anfangszeit zu begleiten und praktische Hilfestellung
für die Selbstorganisation, aber auch beispielsweise fürs Bio-Gärtnern zu geben. Ziel ist es, eine
Struktur aufzubauen, die dann selbstständig weiterbesteht.
Kaffeejause im NachbarschaftsGarten
Im eingezäunten, rund 500 Quadratmeter großen Garten gibt es einen Gemeinschaftsbereich zum Sitzen,
Treffen und Spielen mit einer kleinen Rasenfläche, einer Hütte, Beerensträuchern und einem alten
Apfelbaum. Daneben befinden sich die 22 Beete (jeweils 10 bis 20 Quadratmeter groß) zum Gärtnern. Die
Parzellen sind durch kleine Wege mit Holzhäcksel und einer einfachen Begrenzung mit Pflöcken und Schnüren
voneinander getrennt. Ein Gartenplan mit den Namen zeigt, wer welche Fläche bewirtschaftet. Eine Wasserleitung
mit zwei Bottichen sorgt für Wasser zum Gießen. Komposterde wurde von der MA 49 (Forstamt) geliefert
und kann von den GärtnerInnen zur Bodenverbesserung eingebracht werden.
Bei sonnigem Wetter haben viele GärtnerInnen in den ersten Wochen nach der Eröffnung des Gartens die
Gelegenheit genutzt, ihre Beete zu bearbeiten, einzeln oder gemeinsam Wege anzulegen und beim Arbeiten oder bei
Kaffee, Tee und Kuchen mit den anderen GärtnerInnen Kontakte zu knüpfen und sich gegenseitig bei der
Arbeit zu helfen. Alle beteiligten MieterInnen sind dem neu gegründeten Verein "Nachbarschaftsgarten
Roda-Roda-Gasse" beigetreten und haben nun durch einen eigenen Schlüssel jederzeit Zugang zum Garten.
Auch die ersten Fragen und Unsicherheiten im Umgang miteinander sind aufgetaucht und wurden besprochen, einerseits
zwischen den GärtnerInnen direkt und andererseits mit den Frauen vom Verein "Wirbel". Sie sind derzeit
zwei Nachmittage im Garten tätig und stehen für Gespräche, Fragen und Mithilfe zur Verfügung.
Diskussionsthemen bisher waren z. B. die Überschreitung der zugewiesenen Flächen, wie den jüngeren
Kindern der sorgfältige Umgang mit den Beeten vermittelt werden kann, wie Kinder mit besonderen Bedürfnissen
gut in das Gartenleben integriert werden können, wie die verschiedenen Pflanzen in den verschiedenen Sprachen
heißen und wer den Müll, der immer wieder über den Zaun geweht wird, wegräumt. Im Tun neben-
und miteinander werden natürlich auch die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe spürbar und
thematisiert. Viele Talente, Fähigkeiten und Vorlieben der verschiedenen GärtnerInnen werden sichtbar
und tatkräftig eingesetzt.
Viele der beteiligten MieterInnen kannten sich bereits vom Sehen, hatten aber bisher nie Kontakt und lernen sich
jetzt über das gemeinsame Hobby kennen. Gespräche über den Zaun sind häufig. Bekannte, NachbarInnen
und Neugierige fragen nach und informieren sich. Auch die bisher skeptischen Stimmen der unmittelbaren AnrainerInnen
sind in wohlwollendes Beobachten, Freude und Interesse, selbst mitzumachen, umgeschlagen. Es wurde eine Warteliste
eingerichtet für all jene, die derzeit keine eigene Parzelle bekommen können und die InteressentInnen
wurden eingeladen, öfter vorbeizuschauen. Auch der engagierte Mieterbeirat des Oscar-Helmer-Hofs unterstützt
das Projekt nach Kräften.
Ziele des Pilotprojekts
Das Projekt wird zwei Jahre lang vom Verein "Wirbel" begleitet und soll dann von den beteiligten MieterInnen
selbstständig weitergeführt werden. Der Verein "Wirbel" - Institut für feministische Forschung
und Praxis, hat bereits viele Erfahrungen bei der Errichtung und Förderung von Mädchengärten, aber
auch bei der Planung und Gestaltung von ökologischen Gärten gesammelt. Die Mitarbeiterinnen des Vereins
beim Pilotprojekt sind mehrsprachige Expertinnen aus verschiedenen Fachbereichen, die über zusätzliche
Qualifikationen, etwa im Bereich der Konfliktarbeit, verfügen. Ein besonderer Projekt-Schwerpunkt wird bei
der Betreuung der beteiligten Frauen und Mädchen liegen. Denn oft sind es die Frauen, die sich im Alltag um
einen Garten kümmern, ihre Anliegen sollen daher gezielt angesprochen und gefördert werden. Das Pilotprojekt
im Oscar-Helmer-Hof wird evaluiert und soll als Vorbild für weitere GemeinschaftsGärten in Wiener Gemeindebauten
dienen.
Finanzierung des Pilotprojekts
Das Projekt finanziert sich durch Wiener Wohnen, die Magistratsabteilung 17 (Integrations- und Diversitätsangelegenheiten),
durch kleine Kostenbeiträge der teilnehmenden MieterInnen im Ausmaß von 20 Euro pro Jahr und durch Sponsoren.
Die gesamten Mittel werden für das Projekt, so z.B. für die Erhaltung des Gartens und für die Anschaffung
von Geräten, verwendet. Es entstehen somit keinerlei Kosten für die nicht am Projekt beteiligten MieterInnen
des Gemeindebaus. Drei Sponsoren haben das Pilotprojekt bereits tatkräftig unterstützt: Die Firmen Algebra
und Weitschacher sponserten den Zaun und eine Sitzbank, das Unternehmen Labau sorgte kostenlos für das Umbrechen
der Gartenfläche und das Roden alter Sträucher. |