Dritter Nationalratspräsident zum Rücktritt aufgefordert  

erstellt am
28. 05. 09

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) haben den Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ) wegen seiner jüngsten Aussagen gegen den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, zum Rücktritt aufgefordert. „Ich gehe davon aus, dass jemand, der eine derartige Entgleisung begeht, dass der auch die Konsequenzen zieht und zurücktritt“, sagte Faymann am 27.05. nach einem Besuch bei der EU-Kommission in Brüssel. "Die Aussagen Grafs dürfen nicht als Kavaliersdelikt angesehen werden“, sagte Faymann. Spindelegger erklärte, er könne sich "dem nur anschließen. Aus meiner Sicht ist das eine unentschuldbare Entgleisung". Graf müsse wissen, dass man sich "entsprechend verhalten" müsse, wenn man ein Amt des Dritten Nationalratspräsidenten innehabe. Graf hatte in der Wochenzeitung "Neue Freie Zeitung" in einem Kommentar geschrieben, dass "sich schon viele Bürger fragen, ob Muzicant nicht als Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus bezeichnet werden sollte".

 

Erklärung der Klubobleute von ÖVP, SPÖ und Grünen
Wien (övp-pk) - Nachstehend die Erklärung der Klubobleute von ÖVP, SPÖ und Grünen zu den Äußerungen des Dritten Nationalratspräsidenten Dr. Martin Graf im Wortlaut:

In einem Kommentar, erschienen in der "Neuen Freien Zeitung" am 21. Mai 2009, tätigt der Dritte Präsident des Nationalrates, Dr. Martin Graf, unter anderem folgende Aussagen: "Verlängerter Arm des Herrn Muzicant (Anm.: Dr. Ariel Muzicant ist Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich) ist der gewalttätige linke Mob auf den Straßen." und "Mit seinen Beschimpfungen schafft der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde ein Klima der politischen Brutalität, weswegen sich schon viele Bürger fragen, ob er nicht als Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus bezeichnet werden sollte.".

Die Unterzeichneten distanzieren sich auf das Schärfste im eigenen Namen und im Namen ihrer Fraktionen im Hohen Haus von allen politischen Äußerungen, die dazu geeignet sind, Menschen mit unterschiedlicher religiöser Orientierung oder unterschiedlichem ethnischen Hintergrund gegeneinander aufzubringen.

Auf Grundlage dieser Wertehaltung verurteilen die Unterzeichneten die oben zitierten Äußerungen nachhaltig. Sie sind weder mit den ethischen, noch mit den demokratiepolitischen Standards, die in Österreich gelten und in gemeinsamer Verantwortung beachtet und geschützt werden müssen, vereinbar. Diese Standards gelten auch in Wahlkämpfen, also Zeiten zugespitzter politischer Auseinandersetzung.

 

 Pröll: Graf sollte wissen, was er jetzt zu tun hat
Unwürdiger Tiefpunkt der FPÖ-Wahlkampagne - ÖVP würde für Auslieferung Grafs stimmen
Wien (övp-pd) - Scharf kritisiert ÖVP-Parteiobmann Finanzminister Josef Pröll die FPÖ-Kampagnenführung im laufenden Europawahlkampf: "Mit den Äußerungen von Martin Graf hat der Europa-Wahlkampf der FPÖ einen neuen und unwürdigen Tiefpunkt erreicht. Derartige Provokationen haben offenbar System. Ich halte das für verantwortungslos und gefährlich", so Pröll. Die FPÖ habe offenbar nichts Positives zur Zukunft Europas beizutragen und setze daher systematisch auf dreiste Provokationen. Dies betreffe sowohl den Missbrauch religiöser Symbole, wie auch die aktuellen Äußerungen Martin Grafs. In diesem Sinne erwartet Pröll von Graf, dass er Verantwortung für seine Aussagen übernimmt: "Von Dr. Graf erwarte ich, dass er weiß, was er jetzt zu tun hat."

Für die ÖVP stellt Pröll klar: Martin Graf wird sich, so seine Äußerungen strafrechtlich relevant sind, vor Gericht verantworten müssen. Er kann nicht davon ausgehen, seine parlamentarische Immunität zu behalten. Die ÖVP würde für die Auslieferung Grafs stimmen. Der Vorschlag von NR-Präsidentin Barbara Prammer, künftig die Abwahl der NR-Präsidenten mit 2/3 Mehrheit jederzeit möglich zu machen, sei jedoch nach Auffassung der ÖVP nicht ausgereift. Pröll: "Der Schutz der parlamentarischen Organe ist von zentraler Bedeutung für den Parlamentarismus. Die Handlungsfähigkeit des Parlaments ist besonders wichtig. Hier ist kein Platz für kurzfristige Anlassgesetzgebung, die bestehenden Regeln sind wohl durchdacht und sollten nach Auffassung der ÖVP weiter gelten. Eine freie Abwählbarkeit des Nationalratspräsidiums bedeutet im Missbrauchsfall eine Gefährdung des Parlaments und der Demokratie. Er ist außerdem zum Nachteil für Präsidenten, die von kleinen Fraktionen gestellt werden. Die ÖVP sieht den Vorschlag der Präsidentin daher sehr kritisch."

 

Cap fordert Rücktritt Grafs als Dritter NR-Präsident
Mit Beschimpfung Muzicants Werte der Demokratie und Bundesverfassung auf das Gröblichste verletzt
Wien (sk) - SPÖ-Klubobmann Josef Cap forderte den dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf im Rahmen einer Geschäftsordnungsdebatte am 27.05. im Nationalrat zum Rücktritt auf. Grund dafür ist die Äußerung Grafs in der "Neuen freien Zeitung" vom 21. Mai 2009 gegenüber dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Dr. Ariel Muzicant, wo Graf schreibe, dass der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde verlängerter Arm des gewalttätigen linken Mobs auf den Straßen ist. Graf weiters: "Weswegen sich schon viele Bürger fragen, ob er nicht als Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus bezeichnet werden sollte."

Cap betonte, dass er zu jenen gehöre, die den Dialog hier immer mit allen Parteien auf gleicher Augenhöhe gesucht haben und auch in Zukunft suchen werden. Dadurch, dass diese Entgleisungen bereits zu Beginn der Nationalratsitzung diskutiert wurde und bisher "weder ein Zurückziehen, noch eine Entschuldigung, noch sonst irgendetwas gefolgt ist", sei die SPÖ der Ansicht, dass hier Konsequenzen zu ziehen sind. "Die einzige richtige Konsequenz wäre ein Amtsverzicht in ihrer Funktion als Dritter Präsident des Nationalrates", betonte Cap.

Unabhängig von strafrechtlichen Kriterien seien auch "die Grundsätze unserer Demokratie, unserer Bundesverfassung und der damit verbundenen ethischen Werte heranzuziehen. Und wir glauben, dass Sie dies durch Ihre Aussage auf das Gröblichste verletzen", so der SPÖ-Klubobmann. Der Dritte Präsident des Nationalrates sei eine der höchsten Funktionen, die die Republik zu vergeben habe, betonte Cap, daher müsse Graf wissen, was er sage, was er schreibe und dafür die Verantwortung übernehmen.

"Wir haben, wie es unsere Aufgabe hier im Hohen Haus ist, aus ethischen, moralischen, demokratiepolitischen Gründen, aber auch dem Parlament verbundenen Gründen, uns einem internen Diskussionsprozess mit Rechtsexperten gestellt", so Cap. Man sei davon ausgegangen, dass der Tatbestand der Verächtlichmachung und der Beschimpfung nach § 283 Strafgesetzbuch gesetzt wurde. Dieser lautet wie folgt:


"Paragraph 283.
(1) Wer öffentlich auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden, zu einer feindseligen Handlung gegen eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft oder gegen eine durch ihre Zugehörigkeit zu einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, zu einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat bestimmte Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer öffentlich gegen eine der im Abs. 1 bezeichneten Gruppen hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen sucht."

Cap hielt fest, dass die unabhängigen Gerichte festzustellen hätten, ob dieser Tatbestand erfüllt wurde", insbesondere ob nicht damit gegen eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft gehetzt oder ob diese die Menschenwürde verletztender Weise beschimpft oder ob diese verächtlich zu machen versucht wurde".

 

 Graf weist Verhetzungs- und Antisemitismus-Vorwürfe in gebotener Deutlichkeit zurück
"Kommentar war reine Replik auf die ungeheuerlichen Vorwürfe Muzicants"
Wien (fpd) - Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf zeigte sich erschüttert über die Aufregung wegen seines Kommentars in der "Neuen Freien Zeitung", in dem er die Frage aufgeworfen hat, ob der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant nicht als Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus bezeichnet werden könne. Graf stellte klar, dass sich sein Kommentar rein gegen die Person des Ariel Muzicant gerichtet habe und nicht gegen die Israelitische Kultusgemeinde oder gar eine Religionsgemeinschaft an sich: "Muzicant agitiert seit Monaten vehement gegen die freiheitliche Gesinnungsgemeinschaft und maßgeblich auch gegen meine Person. Er nimmt eine wesentliche Rolle in der österreichischen Innenpolitik ein und muss daher mit Kritik leben können."

Vorwürfe des Antisemitismus und der Verhetzung würden daher völlig ins Leere gehen, ergänzt Graf: "Wer derlei aus meinen Worten herauslesen will, der tut das vorsätzlich und reiht sich damit in die Kampagne gegen die FPÖ ein."

Muzicant selbst trage die Verantwortung dafür, wenn das politische Klima derzeit vergiftet sei: "Wer freiheitliche Funktionäre als Kellernazis bezeichnet, wer gegen uns eine Koalition der Bürger mit Hilfe der anderen Parteien schmieden will, der muss mit Gegenwind rechnen. Ich habe als hoher Repräsentant des Staates die Pflicht, die Wähler einer demokratisch legitimierten Partei gegen solche Anschüttungen in Schutz zu nehmen. Dies gelte nicht nur für die FPÖ, sondern auch für jede andere Partei, wenn sie Opfer einer derartigen Hetzkampagne wäre."

 

 Bucher: Bundespräsident Fischer soll sofort "Runden Tisch" zur Religionshetze einberufen
Der BZÖ-Obmann warnt anlässlich der aktuellen Ereignisse vor einem Flächenbrand.
Wien (bzö) -
BZÖ-Obmann und Klubobmann Abg. Josef Bucher appelliert an Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, sofort einen "Runden Tisch" einzuberufen, um den Missbrauch von Religionen, die Religionshetze und die internen religiösen Konflikte im aktuellen EU-Wahlkampf einzudämmen. "Der Missbrauch von Religion durch eine Parlamentspartei und die Radikalisierung der Sprache auch innerhalb der Religionsgemeinschaften haben ein Ausmaß erreicht, das ein sofortiges Handeln verlangt. Der Herr Bundespräsident soll daher so rasch wie möglich die hohen kirchlichen Würdenträger, die Vertreter der Religionsgemeinschaften und die Verantwortlichen der Politik an einen Tisch holen, um ein dringend notwendiges Ende der Hasstiraden zu erreichen", so Bucher, der in diesem Zusammenhang auf den aktuellen Fall Graf verweist.

Der BZÖ-Obmann warnt anlässlich der aktuellen Ereignisse vor einem Flächenbrand. Es sei unverantwortlich, dass es in Österreich politische Parteien gebe, die diese Religionshetze forcieren, um daraus politisches Kapital zu schlagen. "Offenbar ist einigen politischen Mitbewerbern die Tragweite nicht bewusst, was sie damit anrichten können. Es ist selbstverständlich, dass Botschaften gerade in einem Wahlkampf pointiert formuliert werden müssen, aber es muss auch klare Grenzen geben, die in den vergangenen Tagen überschritten wurden."

"Es ist jedem Politiker unbenommen, seine persönliche religiöse Einstellung hervorzuheben. Die derzeitigen Denunzierungen und Beschimpfungen - vor allem wenn sie von einem der höchsten Amtsträger der Republik kommen - schießen jedoch klar über das Ziel hinaus. Der Herr Bundespräsident wird daher ersucht, als moralische Instanz die Verantwortlichen zur Räson zu bringen und für eine Entspannung zu sorgen", so Bucher.

 

 Glawischnig: Graf muss zurücktreten
3. NR-Präsident schadet Parlament und Ruf Österreichs
Wien (grüne) - Die Klubobfrau der Grünen, Eva Glawischnig, hat die jüngsten anti-semitischen Ausritte des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf gegen den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, heute früh im Parlament publik gemacht. "Graf verletzt damit zum wiederholten Mal die Würde des Parlaments eklatant und schadet Österreichs Ansehen nachhaltig. Als Nationalratspräsident ist der Freiheitliche untragbar und muss zurücktreten", fordert die Grüne. "Viele Menschen in Österreich fühlen sich durch diese Äußerungen an den dunkelsten Teil der Geschichte unseres Landes erinnert und bedroht."

Glawischnig: "Es reicht bei weitem nicht mehr, die rechtsextremen Entgleisungen im Nachhinein pflichtbewusst zu verurteilen. Die FPÖ hat den antifaschistischen Grundkonsens längst hinter sich gelassen, auf dem diese Republik und ihre politischen Vertreterinnen und Vertreter stehen", betont Glawischnig. "Alle Fraktionen, die zu diesem Grundprinzip stehen, müssen alles daran setzen, dass Graf sein Amt als einer der höchsten Repräsentanten dieser Republik nicht mehr für seine menschenverachtenden Botschaften und seine beispiellose Hetze missbrauchen darf."
 
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