Fremdenrecht: Fekter fordert "legistische Nachrüstung"  

erstellt am
05. 06. 09

Innenministerin Fekter in der Fragestunde des Bundesrats
Wien (pk) - In der 771. Sitzung des Bundesrats stand zunächst Innenministerin Maria Fekter den BundesrätInnen in einer Fragestunde Rede und Antwort.

Bundesrat Michael HAMMER (V/O): Wie hat sich die Zahl der Dublin-Überstellungen seit Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets 2005 in den letzten Jahren verändert?

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Die Zahl der Überstellungen habe sich sehr positiv entwickelt, sagte FEKTER, und zwar von 4.369 Konsultationen im Jahr 2008 auf 1.747 in den ersten vier Monaten 2009. Sie rechne mit einer durchschnittlichen Zahl von 5.000. Probleme gebe es, wenn Betroffene in die Illegalität "untertauchten". Die Ministerin lobte die europäische Zusammenarbeit bei Abschiebemaßnahmen, insbesondere bei den neuen EU-Mitgliedsländern. Italien hingegen verhalte sich wenig kooperativ. Zur Steigerung der Effizienz sei die Fremdenpolizei aufgestockt worden, es bedürfe aber auch einer "legistischen Nachrüstung", betonte die Innenministerin, und zwar im Sinne einer "res iudicata" auch im Fremdenrecht.

Bundesrat Reinhard WINTERAUER (S/O): Welches Maßnahmenbündel werden Sie als Innenministerin, aber auch gemeinsam mit dem Herrn Bundeskanzler und anderen Mitgliedern der Bundesregierung, setzen, um die besorgniserregende Steigerung der Kriminalität in Österreich wirksam zu bekämpfen und gleichzeitig die Aufklärungsquote zu erhöhen?

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Die Ministerin stellte eine "besorgniserregende" Steigerung der Kriminalität in Frage, 2005 bis 2008 sei die Kriminalität gesunken, und auch jetzt gebe es wieder rückläufige Zahlen. Es seien massive Maßnahmen gesetzt, neue Strategien entwickelt und Schwerpunktaktionen durchgeführt worden. Das Budget zur Auswertung von DANN-Spuren sei z.B. um 238 Mio. € aufgestockt worden, betonte die Innenministerin. Auch auf diesem Gebiet brauche es eine "gesetzliche Nachrüstung", auch im Sinn von präventiven Maßnahmen wie dem Assistenzeinsatzes des Bundesheers. Zu letzterem kündigte sie eine Befragung der Bevölkerung an. Auf eine Zusatzfrage gab Fekter an, dass die Polizei von Aufgaben wie Parkraumüberwachung einschließlich des Inkassos entlastet werden müsse. Die Stadtwachen seien ebenfalls eine Entlastung der Polizei, die sich dadurch der Kriminalitätsbekämpfung widmen könne.

Bundesrat Stefan ZANGERL (Liste Dinkhauser/T): Welche Schritte werden von politischer Seite unternommen, um das Problem der illegal in Innsbruck aufhältigen Straftäter aus dem nordafrikanischem Raum – vorwiegend aus Marokko – einer befriedigenden Lösung zuzuführen?

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Italien müsse jene Personen, die über die Brennergrenze gekommen seien, zurück nehmen, betonte Fekter. Außerdem habe man Professionalisierungsschritte gesetzt. Nicht alle Mitglieder der "Marokkanerszene" stammten aus Marokko; die Zusammenarbeit mit Marokko sei gut, und Marokko nehme zu Recht nur Marrokaner, aber keine anderen Staatsangehörigen zurück. In diesem Zusammenhang müsste gegen "Identitätsbetrug" und Dokumenteschwindel vorgegangen werden. Fekter räumte ein, dass ein Teil der Asylwerber aus diesem Raum zu Recht um Asyl ansuche. Auf eine Zusatzfrage zeigte sich Fekter überzeugt, dass europäischen Vorschlägen zur Schubhaft eine Absage zu erteilen sei, weil diese Materie nationale Angelegenheit sei. Aus der Haft entlassene ausländische Straftäter würden umgehend in Schubhaft übernommen und abgeschoben. Ein Problem sah Fekter in der freien Mobilität von Asylwerbern und Dublin-Fällen, sie wünsche sich eine Gebietsbeschränkung auf das Gemeindegebiet, zumal nur 40 % der Dublin-Fälle außer Landes gebracht werden könnten. Im Kampf gegen die organisierte Kriminalität gebe es Schwerpunktaktionen. Kein Verständnis habe sie für Ideen der Liberalisierung im Zusammenhang mit Drogen.

Bundesrat Günther KÖBERL (V/St): Wie bewerten Sie die erst kurz zurückliegenden Ereignisse in Ebensee sowie den Vorfall in einem Wiener Gebetshaus?

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Maria Fekter bedauerte, dass in der Causa Ebensee speziell bei Jugendlichen mangelnde Sensibilität gegenüber der NS-Zeit zum Ausdruck komme. Der "Zunahme extremistischer Artikulation" werde auf den Grund gegangen; neben den polizeilichen Maßnahmen müsse aber auch in den Schulen "nachgerüstet" werden. Zu den Anschlägen im Wiener Sikh-Tempel sagte die Innenministerin, man müsse sich anschauen, wie es möglich gewesen sei, dass radikale Gruppen ihre Zellen hätten aufbauen können. Die Polizei habe rasch, mit der entsprechenden Einheit und Stärke reagiert und dadurch Schlimmeres verhindert. Generell sei sie bezüglich religiöser Konflikte besorgt. Hier gelte es, den interkulturellen Dialog breiter und intensiver zu führen, sagte Fekter. Bei entsprechenden Konflikten müsse man sich der rechtsstaatlichen Institutionen bedienen, jede Form der Selbstjustiz sei abzulehnen. Bei linksextremen Tathandlungen sei ein Sinken, bei rechtsextremen ein Anstieg festzustellen.

Bundesrätin Monika KEMPERLE (S/W): Werden Sie das vom Mauthausen Komitee Österreich präsentierte Maßnahmenpaket – 35 zusätzliche Guides, antirassistische Planspiele für Lehrlinge oder das Zivilcourage-Training – offensiv unterstützen? (Verlesen wurde die Anfrage von Bundesrat Josef Kalina, S/W)

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Ein entsprechendes Projekt sei vom Innenministerium entwickelt und finanziert worden, weshalb einem zusätzlich angebotenen Projekt nicht nähergetreten worden sei. Massenbesuche seien nicht sinnvoll, betonte Fekter und sprach sich für eine Verteilung über das ganze Jahr aus; deshalb seien auch zusätzliche Guides nicht nötig. Wünsche von Opferorganisationen könnten nur nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten erfüllt werden. Positiv äußerte sich Fekter auf eine Zusatzfrage zum Auslands-Gedenkdienst.

Bundesrat Stefan SCHENNACH (G/W): Auf welche strukturellen und organisatorischen Mängel bei der Kriminalpolizei führen Sie die niedrige Aufklärungsquote, insbesondere in Wien bei Wohnungseinbrüchen, zurück, und was werden Sie dagegen unternehmen?

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Innenministerin Maria FEKTER wies darauf hin, dass die strukturellen und organisatorischen Mängel durch die Reform der Kriminalpolizei bereits beseitigt sind. Die Reform wurde nämlich im Herbst abgeschlossen. Eine weitere Reform sei nicht beabsichtigt. Es sei richtig, so die Ressortleiterin, dass Wien ein Sorgenkind ist, daher wurde ein Wien-Schwerpunkt gesetzt. Aufgrund der guten Prognoseinstrumente habe man bereits im Herbst erkannt, dass es eine Kriminalitätszunahme geben werde. Die Prognoseinstrumente werden nun verfeinert, um auch die Logistik der Täter stören zu können. Die Maßnahmen greifen, wie die Zahlen von April und Mai zeigen. Derzeit sei man dabei, den Modus Operandi der Tätergruppierungen zu analysieren. Durch Undercover-Aktionen wolle man erfahren, wie diese Täter vorgehen.

Bundesrat Josef KALINA (S/W) gegenüber erklärte die Ministerin, es werde auch die Kommunikation mit den Kriminalämtern vor Ort intensiviert. Noch nicht umgesetzt wurde etwa die Reform der Dienstzeitsysteme von Polizei und Gendarmerie, die gemeinsam mit der Personalvertretung durchgeführt werden soll.

Zu der Zusatzfrage des Bundesrates Franz Eduard KÜHNEL (V/W) meinte FEKTER, vor Ostern habe es in Kooperation mit anderen Bundesländern eine massive Fahndungsserie gegeben. Diese Fahndung sei "enorm erfolgreich" gewesen, man konnte der Justiz eine Reihe von Tätern übergeben, die auf der Fahndungsliste standen, aber illegal untergetaucht waren. Es gab die Festnahme von 30 Straftätern, 11 Festnahmen der Fremdenpolizei, 21 Aufgriffe von Illegalen sowie 27 Anzeigen und 17 Kfz-Sicherstellungen. Fahndungsschwerpunkte sollen nicht nur gemeinsam mit den Bundesländern, die Wien umschließen, wiederholt werden, sondern auch mit den benachbarten Staaten erfolgen, das bedeute, es werde Schwerpunktaktionen gemeinsam mit der Slowakei und Ungarn geben, gab Fekter bekannt.

Die Innenministerin machte Bundesrat Johann ERTL (F/N) darauf aufmerksam, dass im Koalitionsübereinkommen eine Reform im Hinblick auf die Verteilung nach Belastungskennzahlen vorgesehen ist. Dieses mittelfristige Projekt bezeichnete sie als gerecht, weil dann jene BeamtInnen am besten bezahlt werden, die die meiste Belastung haben.

Bundesrat Kurt STROHMAYER-DANGL (V/N): Wie sieht das Budget des Innenministeriums, insbesondere im Bereich Personal, aus?

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Das Gesamtbudget für 2009 betrage 2.343,5 Mio. €. Die Personalausgaben seien mit 1.589,6 Mio. € veranschlagt. Das seien um 200 Mio. € mehr als im Vorjahr, so Fekter. 2010 gebe es nochmals 219 Mio. € mehr. Es werde somit eine Personalaufstockung im Innenressort möglich sein. Zur Ausbildung der Polizei teilte Fekter mit, die Ausbildung dauere 1,5 Jahre, nach der Ausbildung kommen die jungen Leute in den Flexipool, um flexibel einsetzbar zu sein, und dann in die Ballungszentren und entlang der Hauptverkehrsrouten. Derzeit gebe es in ganz Österreich Ausbildungsplätze, derzeit befinden sich in der Polizeigrundausbildung 1.141 Exekutivbeamte, davon seien 752 männlich, 389 weiblich. Aufteilung auf die Bundesländer: Niederösterreich 102, Oberösterreich 98, Salzburg 120, Steiermark 101, Tirol 132, Vorarlberg 50 und Wien 538.

Die Ressortchefin teilte Bundesrätin Christa VLADYKA (S/N) mit, der Anteil der Frauen in der Polizei steige kontinuierlich, derzeit betrage der Frauenanteil 12 %. In Salzburg wurde ein eigener Polizeikindergarten geschaffen, der auf die Dienstzeit der PolizistInnen Rücksicht nimmt. Der Flexipool diene auch als Karenzpool.

Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) gegenüber betonte Fekter, mit dem vorhandenen Geld sei sie zufrieden und könne damit die vorgesehenen Arbeiten leisten und Prioritäten setzen; für Zusatzwünsche müsse sie sich Freiräume schaffen.

Bundesrat Wolfgang SODL (S/B): Wie haben sich bei Einbruchsdiebstählen im Burgenland im ersten Quartal des Jahres 2009, die Zahl der angezeigten Fälle und die Aufklärungsquote zum Vergleichszeitraum 2008 entwickelt?

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Vom Jänner bis März 2008 habe es im Burgenland 1.900 angezeigte Fälle gegeben, geklärt seien 1.061 worden; das entspreche einer Ausklärungsquote von 55,84 %, teilte die Ministerin dem Bundesrat mit. Im Jänner bis März 2009 sei die Zahl der angezeigten Fälle um 6 % zurückgegangen, auch die Aufklärungsquote habe abgenommen (49,64 %). Vom Jänner bis März 2008 gab es 259 Einbruchsdiebstähle, im Vergleichzeitraum des heurigen Jahres 297. Die Aufklärungsquote bei den Einbruchsdiebstählen sei massiv gesunken, und zwar von 32 % auf 11,8 %. Weiters wies Fekter darauf hin, das man "von der Grenzbalkenkontrolle zur Grenzraumkontrolle" kommen wolle.

Bundesrat Reinhard JANY (V/B) gegenüber betonte die Ministerin, die höchste Kriminalität habe es in den Jahren 2002 und 2003 gegeben, dann sei die Kriminalität sukzessive gesunken, habe aber im Herbst vergangenen Jahres wieder zugenommen. Fest steht für Fekter, dass Österreich mit dem EU-Beitritt der neuen Länder mehr Sicherheit bekommen hat, aufgrund der massiven Anstrengungen Österreichs sei auch mit Schengen kein exorbitanter Anstieg gegeben. "In Wirklichkeit sei es ein dumpfes Bauchargument zu sagen, Grenzbalken herunter, weil Schengen ist schuld", sagte die Ministerin.

Niemand könne sagen, wie viele Delikte durch den Assistenzeinsatz an der Grenze verhindert wurden, strich die Ministerin gegenüber Bundesrat Peter MITTERER (B/K) heraus.
     
Informationen: http://www.parlinkom.gv.at    
     
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