Finanzkrise hinterlässt tiefe Spuren am österreichischen Wertpapiermarkt   

erstellt am
03. 06. 09

Die Oesterreichische Nationalbank präsentierte heute im Rahmen einer Pressekonferenz jüngste Entwicklungen am österreichischen Wertpapiermarkt
Wien (oenb) - Die Finanzkrise hat seit Mitte 2007 tiefe Spuren am internationalen und damit auch am österreichischen Wertpapiermarkt hinterlassen. Der Markt war von viel Vorsicht und Zurückhaltung der Investoren geprägt. Für Österreichs Banken ist der Kapitalmarkt eine bedeutende Finanzierungsquelle, die unter anderem dank staatlicher Garantien im ersten Quartal 2009 nicht zum Versiegen kam. Neben den Aktienmärkten spürte insbesondere die Fondsindustrie ganz deutlich diese Zurückhaltung der Anleger, sowohl in Österreich als auch international reduzierten Anleger massiv ihre Fondsbestände.

„Die Finanzkrise hat seit Mitte 2007 tiefe Spuren am internationalen und damit auch am österreichischen Wertpapiermarkt hinterlassen, eröffnete Dr. Aurel Schubert, Direktor der Hauptabteilung Statistik, diese Pressekonferenz. Seit Mitte 2007 ist die relative Bedeutung des österreichischen Wertpapiermarktes (in Bezug auf die Gesamtverbindlichkeiten) auf das Niveau von 1999 zurückgefallen. Dies ist vor allem auf – durch Verkaufsdruck entstandene -Kursverluste bei Aktien zurückzuführen. Auch die österreichischen Investmentfondsgesellschaften konnten sich der Krise nicht entziehen; sie mussten seit Mitte 2007 weit mehr Anteile von Investoren zurücknehmen als sie neue Anteile ausgeben konnten. Dies führte gemeinsam mit Kursverlusten zu einem starken Rückgang des gesamten Fondvolumens seit Mitte 2007.

„Der Kapitalmarkt ist speziell für den Staat, aber auch für Banken und größere nichtfinanzielle Unternehmen eine wichtige Finanzierungsquelle, erklärte Direktor Schubert. Besonders das Ausland spielt in diesem Segment als Kapitalgeber eine zentrale Rolle. Für Österreichs Banken stellen verzinsliche Wertpapiere mit einem Markt bewerteten Volumen von rund 265 Mrd EUR (Ende März 2009) etwa ein Viertel der (unkonsolidierten) Gesamtverbindlichkeiten dar und haben damit eine ähnliche Bedeutung wie die Einlagen von inländischen Nichtbanken (286 Mrd EUR). Für Banken ist die Finanzierung am Kapitalmarkt in den letzten Quartalen allerdings deutlich schwieriger geworden. Insbesondere die bedeutenden ausländischen Investoren stehen als Finanzierungsquelle in Krisenzeiten weit weniger zur Verfügung. In den letzten beiden Quartalen traten ausländische Investoren – wie in den letzten 5 Jahren zuvor nur im dritten Quartal 2007 – als Nettoverkäufer von verzinslichen Bankpapieren auf; insbesondere Geldmarktpapiere kamen unter Druck. „Staatsgarantierte Bankanleihen haben mit einem Emissionsvolumen von knapp 11 Mrd EUR im ersten Quartal 2009 einen sehr wichtigen und notwendigen Beitrag zur Refinanzierung der Banken zu vergleichsweise günstigen Konditionen geleistet, betonte Direktor Schubert. Bis Ende Mai ist das Volumen staatsgarantierter Bankanleihen auf 15,5 Mrd EUR angestiegen.

Anleiheemissionen nichtfinanzieller Unternehmen (sogenannte Corporate Bonds) machen 15% der Fremdkapitalverbindlichkeiten aus (35 Mrd EUR Marktwert Ende März 2009), für größere Unternehmen ist die Finanzierung am Kapitalmarkt allerdings bedeutender. Wie bei Bankanleihen spielt das Ausland als Kapitalgeber eine zentrale Rolle. Wenngleich der Refinanzierungsbedarf aufgrund der langen Restlaufzeiten nicht unmittelbar gegeben ist, so konnten Neuemissionen seit Ende 2008 wie jene von Voestalpine und OMV nur mit einem höheren Risikoaufschlag platziert werden.

„Der Staat hat also durch seine Maßnahmen im Rahmen des Bankenhilfspakets auch stabilisierend auf die Märkte gewirkt, macht Direktor Schubert deutlich. Seine Rolle als sicherer Hafen widerspiegelt sich in den deutlich gestiegenen Kursen von Staatsanleihen in der zweiten Jahreshälfte 2008. Unter österreichischen privaten Haushalten boomte aus den gleichen Gründen „bundesschatz.at mit einer Verdoppelung der Einlagen im vierten Quartal 2008 (von 1 auf 2 Mrd EUR); in den ersten Monaten 2009 verließen allerdings einige Anleger wieder diesen sicheren Hafen (-300 Mio EUR).

Aufgrund starker Kursrückgänge, aber auch aufgrund der Delistings großer börsennotierter Unternehmen sowie fehlender Börsengänge ist die Marktkapitalisierung österreichischer börsennotierter Aktiengesellschaften 2008 von rund 169 auf knapp 60 Mrd EUR zurückgegangen; sie fiel damit unter den Wert von 2004. Besonders schwer hat die Krise österreichische Immobilienaktiengesellschaften und deren Anteilsinhaber getroffen; die Marktkapitalisierung der Immo AG ist zwischen Ende 2006 und 2008 aufgrund von Kursverlusten von 15 auf knapp 2 Mrd EUR abgestürzt. „Inländische private Haushalte haben sich in diesen letzten schwierigen Quartalen besonders als Stütze des österreichischen Aktienmarktes erwiesen, betonte Direktor Schubert. Sie kauften sowohl im vierten Quartal 2008 als auch im ersten Quartal 2009, als der ATX Anfang März seinen bisherigen Tiefststand während der Krise sah, netto österreichische Aktien zu, während ausländische Investoren als (Netto-)Verkäufer auftraten. Ab Mitte März war eine deutliche Erholung – auch bei den Immo AG – zu beobachten.

Obwohl österreichische Fonds im internationalen Vergleich eher konservativ (d. h. deutlich mehr Renten als Aktien) orientiert sind, hat auch die Fondsindustrie in Österreich wie auch auf der übrigen Welt bisher besonders stark unter der Finanzkrise gelitten. Sowohl Kursverluste als auch signifikante Nettomittelabgänge führten zu einer massiven Reduktion des Nettovolumens der inländischen Fonds (von 145 auf 103 Mrd EUR zwischen Juni 2007 und März 2009). Vor allem inländische private Haushalte und ausländische Investoren verkauften österreichische Fonds aller Anlagekategorien. In dem überwiegend schwachen Umfeld konnten sich 2008 nur Immobilienfonds und Fonds, die zu einem großen Teil in Staatsanleihen investiert waren, behaupten. Staatsanleihenfonds konnten besonders im vierten Quartal punkten. Die Portefeuilles anderer Rentenfonds hingegen litten teilweise unter den Verwerfungen am Verbriefungsmarkt sowie an Insolvenzen wie jenen von Lehman Brothers oder von isländischen Banken. Auch das erste Quartal 2009 bescherte allen Fondskategorien im Durchschnitt eine leicht negative Performance.

Einige Indikatoren für die internationalen Finanzmärkte, aber auch für die Realwirtschaft, gaben in den letzten Wochen Anlass zur Hoffnung. Die positiven Kursentwicklungen an den internationalen Börsen, speziell auch an der Wiener Börse, die gefallenen Risikoaufschläge am Finanzmarkt, sowohl für Banken als auch für Staatsanleihen einiger Länder wie Österreich, machen unter anderem deutlich, dass etwas Beruhigung in den Finanzmarkt gekommen ist. „Die nächsten Monate werden zeigen, ob der internationale und somit auch der österreichische Wertpapiermarkt wieder das Vertrauen der Investoren gewinnen wird und gestärkt aus der Krise herausgehen kann, bemerkte Direktor Schubert abschließend.
     
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