Hundstorfer, Kopf, Kaske, Schenner: In schwierigen Zeiten zusammenrücken - Touristischer
Arbeitsmarkt noch relativ krisenfest
Wien (pwk) - Die steigenden Arbeitslosenzahlen, die auch die Tourismusbranche erfasst haben, stehen im Mittelpunkt
des dritten Tourismus-Arbeitsmarktgipfels, der am 16.06. in Wien stattfand und von der Bundessparte Tourismus und
Freizeitwirtschaft (WKÖ) initiiert wurde. Gerade in schwierigen Zeiten ist es umso wichtiger, Experten-Know-how
zu bündeln, um im gegenseitigen Austausch und Zusammenwirken einen der wichtigsten Pfeiler der österreichischen
Volkswirtschaft zu unterstützen und Strategien zu entwickeln, die es ermöglichen, wirtschaftlichen Turbulenzen
gegenzusteuern, waren sich Bundesminister Rudolf Hundstorfer, AMS-Vorstand Johannes Kopf, vida-Vorsitzender Rudolf
Kaske und der Obmann der Tourismussparte in der WKÖ, Hans Schenner, einig.
Hundstorfer: Leitprojekte verbinden erfolgreich Tourismus und Arbeitsmarktpolitik
"Die Tourismus- und Freizeitwirtschaft hat für den Arbeitsmarkt enorme Bedeutung", so Hundstorfer.
Die Beschäftigungslage im Tourismus sei derzeit weiterhin stabil und biete jungen Menschen berufliche Perspektiven.
Mit 14.495 bildete die Tourismusbranche im Jahr 2008 11 Prozent aller Lehrlinge aus. "Erfreulicherweise gibt
es in der Tourismusbranche seit Jahren einen unverändert hohen Bedarf an Lehrlingen", betonte Hundstorfer.
So seien im Mai 2009 1.393 Lehrlinge für die Ausbildung in Tourismusberufen gesucht worden, diesen offenen
Lehrstellen stehen 403 Lehrstellensuchende gegenüber.
Wie man Tourismus und Arbeitsmarktpolitik erfolgreich verbinden kann, zeigen die Leitprojekte des Bundesministeriums
für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Das Projekt "Modellregion Tourismusnetzwerk Neusiedler See"
im Burgenland und das Projekt "Welterberegion Bad Goisern, Gosau, Hallstatt, Obertraun" im Inneren Salzkammergut
verbinden Arbeitsmarkt- und Tourismuspolitik und können ausgezeichnete Zwischenergebnisse aufweisen.
"Das Projekt "Modellregion Tourismusnetzwerk Neusiedler See" ist beispielgebend für die Weiterentwicklung
des österreichischen Tourismus", betonte Hundstorfer. Arbeitsmarktpolitische Prioritäten des Projekts
sind unter anderem Landschafts-pflege/Radwege/Wanderwege: Aufwertung bestehender Beschäftigungsverhältnisse
in den Gemeinden, das Beschäftigungsprojekt "Gäste- und Betriebsbetreuer" (Pilotprojekt zum
neuen Berufsfeld Informationsmanagement) sowie die Förderung von Abgänger/innen der Tourismusschulen
(Innovative Einstiegsförderung).
Das Projekt "Welterberegion Bad Goisern, Gosau, Hallstatt, Obertraun" hat zum Ziel, die touristische
Qualität im Inneren Salzkammergut zu verbessern, die Saisonen zu verlängern und damit das Beschäftigungsangebot
in der Region zu erweitern. Durch Innovationen sollen neue Beschäftigungsfelder im Kultur- und Konferenztourismus
eröffnet werden und unter anderem eine stärkere Zusammenarbeit von Tourismusschulen und arbeitsmarktpolitischen
Akteuren forciert werden. "Mit Maßnahmen wie diesen beiden Projekten wollen wir dazu beitragen, dass
die Tourismus- und Freizeitwirtschaft auch in Zukunft gut aufgestellt ist", so Hundstorfer.
Kopf: Weiterbildung sichert Arbeitsplätze
Der Arbeitsmarkt im Tourismus funktioniert trotz Krise nach wie vor recht gut. Obgleich wir insgesamt weniger
Stellen auch in diesem Bereich gemeldet bekommen, finden sich Berufe aus dem Bereich Gastgewerbe und Tourismus
weiterhin unter den Top Ten der beim AMS am stärksten nachgefragten Berufe. So gab es von Jänner bis
Mai die absolut meisten Stellenzugänge für Kellner/innen (gesamt 11.785), gefolgt von Stellen für
Gaststätten-köch/innen (gesamt 7.587) auf Platz zwei und den Stellen für Kochgehilf/innen (gesamt
5.020) auf Platz vier. Den gemeldeten Stellen stehen auch zahlreiche Arbeitsuchende gegenüber. Ende Mai lag
das Verhältnis von Arbeitsuchenden zu freien Stellen bei den Kellner/innen bei 1:2,4 und bei den Gaststättenköch/innen
bei 1:1,3. "Da hier auf eine freie Stelle weniger als 1,5 Arbeitsuchende kommen, besteht bei dem Köchinnen
und Köchen nach wie vor Fachkräftemangel", erklärte Johannes Kopf.
Um Betriebe im Tourismus und Gastgewerbe mit gut ausgebildetem Personal weiterhin zu versorgen, fördert das
AMS die Fachkräfteausbildung in dieser Branche. Über ein regionales Qualifizierungsprogramm bildet das
AMS heuer österreichweit insgesamt rund 900 Personen zu speziellen Fachkräften in Gastronomie- und Tourismusberufen
aus. Der Großteil der Schulungen wird in den Tourismusregionen Salzburg (21 %), (Wien (18 %), Steiermark
(17 %), Niederösterreich (15 %) und Tirol (15 %) durchgeführt. "Im Rahmen des regionalen Qualifizierungsprogramms
werden beispielsweise Facharbeiterintensiv-ausbildungen für Köchinnen und Köche in Wien und Ausbildungen
für Restaurantfachkräfte in der Steiermark durchgeführt", erläuterte Kopf.
Darüber hinaus fördert das AMS im Rahmen der Qualifizierungsförderung für Beschäftigte
die Weiterbildung von Personen im Alter ab 45 Jahren, von Frauen mit höchstens Lehrausbildung oder mittlerer
Schule sowie von Wiedereinsteigerinnen. Dabei finanziert das AMS gemeinsam mit dem Europäischen Sozialfonds
(ESF) den Unternehmen zwei Drittel der Kurskosten, ein Drittel zahlt der Betrieb selbst. Die Förderung wird
von der Hotel- und Gastronomiebranche in steigendem Ausmaß in Anspruch genommen: 2007 gab es rund 1.400 Schulungsteilnehmer,
2008 bereits 4.592 und von Jänner bis Mai 2009 haben schon 5.602 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Förderung
profitiert. "Durch die Qualifizierungsförderung für Beschäftigte erreichen wir, dass an den
betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen verstärkt Ältere und Frauen teilnehmen, und durch die Weiterbildung
auch deren Arbeitsplätze besser abgesichert sind", so Kopf.
Schenner fordert Konjunkturpaket für Regionen und Reparatur des Antikorruptionsgesetzes
"Tourismus findet vor allem in den Regionen statt, daher fordern wir ein Konjunkturpaket zur Stärkung
der Regionen und Gemeinden", erklärte Hans Schenner. Durch Investitionen in die Infrastruktur sowie in
den Tourismus erhöhe sich das lokale und regionale Potenzial, Einheimische mit ihren Familien in den Regionen
zu halten, neue Bürger anzusiedeln, aber auch mehr Urlaubsgäste für die Region zu gewinnen.
Tourismusinvestitionen rechnen sich für die gesamte Volkswirtschaft vielfach, da die Beschäftigungsmultiplikatoren
in dieser Branche zu den höchsten zählen. "Überlegen wir doch einmal wie viele Branchen vor
Ort allein vom Tourismus profitieren: Vom Bäcker bis hin zum Installateur, um nur zwei Beispiele zu nennen",
verdeutlichte Schenner. Aber nur finanzkräftige Gemeinden hätten ausreichend Möglichkeiten in den
Tourismus zu investieren und somit auch perfekte Rahmenbedingungen für Bürger und Betriebe zu schaffen.
"Wir wollen im Tourismus keine Kurzarbeit und keine Umschulungen. Unser Ziel ist es, unsere Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in der Arbeit zu halten und zwar in Jobs mit Standortgarantie", bekräftigte Schenner.
"Wenn Wirtschaftskapitäne wie Hannes Androsch sagen, dass niemand eine Garantie in einer so unsicheren
Wirtschaftslage abgeben kann, so ist das falsch: Ich kann eine Standortgarantie abgeben, denn Tourismus ist untrennbar
mit Standortgarantie verbunden - aber dafür müssen wir ein optimales Umfeld bieten!"
Weiters fordert Schenner dringend eine Reparatur des Antikorruptionsgesetzes. Dieses Thema sorgt in der Tourismusbranche
für großen Unmut. Bereits über ein Jahr ist dieses Gesetz in Kraft, die Unklarheiten werden aber
immer größer. "Ich stimme zu: Korruption muss bekämpft werden, aber bitte nicht mit Kanonen
auf Spatzen schießen. Hier ist die Politik dringend gefordert, für klare Regelungen mit Augenmaß
zu sorgen, denn derzeit verfehlt dieses Gesetz sein Ziel komplett und stiftet nur Verwirrung."
Das Antikorruptionsgesetz führe gerade in der gehobenen Gastronomie zu massiven Geschäftseinbußen.
"Ich weiß persönlich von einem Gastronomen in der Wiener Innenstadt, der aufgrund des erheblichen
Wegfalls von Geschäftsessen bereits drei Mitarbeiter kündigen musste - und das ist kein Einzelfall!",
berichtete Schenner. Nicht vergessen dürfe man auch die zahlreichen Eventagenturen und Catering-Unternehmer,
die durch diese Regelungen ebenfalls mittelbar betroffen sind. Hier bestehe dringender Handlungsbedarf, denn diese
Unklarheiten und Unsicherheiten dürfen nicht auf dem Rücken des Tourismus ausgetragen werden.
Mit Bezug auf die Problematik der noch immer bestehenden Einkommensschere zwischen Mann und Frau bekräftigte
Schenner: "Unsere Branche ist nicht nur mit rund 60 Prozent aller Beschäftigten weiblich, bei uns sind
auch die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede am geringsten." Im Gastgewerbe liegt der Anteil der
Verdienste der Frauen an jenen der Männer bei 90,4 Prozent. Der österreichweite Durchschnitt liegt bei
77,3 Prozent.
Kaske fordert Beschäftigungsgarantie und Erhöhung des Arbeitslosengeldes
"Die Sicherung von Arbeitsplätzen hat zurzeit oberste Priorität. Eine Standortgarantie ist
gut, noch besser wäre aber eine Beschäftigungsgarantie", meinte Rudolf Kaske.
Auch die soziale Absicherung für Saisonbeschäftigte ist der Gewerkschaft ein Anliegen. "Dringend
notwendig wäre in diesem Zusammenhang eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Die Nettoersatzrate von derzeit
55 Prozent auf 60 Prozent zu erhöhen, kann auch als direkte Investition in den Konsum gesehen werden",
so Kaske.
"Die Entwicklung des österreichischen Tourismus ist sehr stark von den Herkunftsmärkten abhängig.
Die österreichische Bundesregierung hat vorbildlich auf die Krise reagiert, aber das allein reicht nicht.
In Hinblick auf die touristischen Herkunftsmärkte ist auch dort entschlossenes Handeln gefragt - Stichwort:
Osteuropahilfe", bemerkt der vida-Vorsitzende.
"Arm trotz Arbeit" dürfe für den Tourismus als identitätsstiftende Prestigebranche des
Landes nicht gelten. Die generelle Anhebung des Einkommensniveaus im Tourismus sei daher unumgänglich: "Was
die Branche braucht sind höhere Löhne und bessere berufliche Perspektiven, um konkurrenzfähig zu
bleiben und damit uns die qualifiziertesten Mitarbeiter/innen nicht abhanden kommen", konstatiert Kaske. Daher
könne die Gewerkschaft auch nicht damit zufrieden sein, dass die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede
im Tourismus geringer sind als in anderen Branchen. Vielmehr gelte es, die Einkommensschere auf hohem Niveau zu
schließen und nicht zu akzeptieren, dass Frauen und Männer gleich wenig verdienen. |