Experten diskutierten neue Markt- und Fütterungsstrategien
Wien/Graz (bmlfuw) - Neue Gesundheits-, Fütterungs- und Marktstrategien standen Ende vergangener
Woche im Mittelpunkt des Kongresses der Europäischen Schweineproduzenten (EPP) in Graz. Der Kongress findet
seit nunmehr 20 Jahren statt. Noch nie war der Andrang so groß wie heuer, 350 Gäste aus ganz Europa
(Dänemark, Belgien, Holland, Niederlande, Deutschland, Schweden, England) nahmen teil, berichten die Organisatoren
Georg Mayringer, Geschäftsführer des Verbandes Österreichischer Schweinebauern (VÖS), und Raimund
Tschiggerl, neuer Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Styriabrid. Es habe sich in Graz alles eingefunden
was in der europäischen Schweinezucht und auch in der Forschung Rang und Namen hat, so Mayringer.
Deutlicher Strukturwandel in der heimischen Schweinehaltung
Den Schwerpunkt des Kongresses bildete ein sehr anspruchsvolles Vortrags- und Tagungsprogramm, zum Abschluss wurden
mehrere Fachexkursionen veranstaltet. Der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Gerhard Wlodkowski,
nahm in seinen Grußworten zur aktuellen österreichischen und europäischen Agrarpolitik Stellung.
Ulrich Herzog vom Bundesministerium für Gesundheit verwies auf die rasante Entwicklung der Schweinehaltung
in Österreich seit dem EU-Beitritt: Wurden 1995 noch durchschnittlich 33 Schweine je Betrieb gehalten, so
waren es 2006 bereits 70 Stück. Herzog hob weiters den guten österreichischen Tiergesundheits-Status
hervor und betonte, dass dieser beim freien Viehverkehr innerhalb Europas auch in Zukunft gesichert werden müsse.
Die Forschung in der Schweinezucht und -haltung sei nur im internationalen Konnex sinnvoll, so Herzog.
Auch in Zukunft kein "europäisches Einheitsschwein" als Ziel
Zu Fragen der Zucht nahm der Geschäftsführer des Schweinezuchtverbandes Oberösterreich Stellung.
"Die Besamungsstationen in Österreich haben eine mittlere Größe", erklärte Peter
Knapp. Derzeit sei ein besonderer Druck im Bereich der Produktionskosten festzustellen, die Züchter sollten
sich verstärkt auf den Markt konzentrieren. "Es wird auch in Zukunft nicht das 'europäische Einheitsschwein'
geben. Für züchterische Erfolge müssen folgende Voraussetzungen gelten: beste Fruchtbarkeit, hohe
Tageszunahmen, Einheitlichkeit in den Schlachtprodukten und geringe Ausfälle", so Knapp.
Johann Schlederer, Geschäftsführer des Verbandes Landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten (VLV), bezifferte
das jährliche Schweinemarktvolumen in Österreich mit 5 Mio. Stück. "Es hat sich in unserem
Bundesgebiet in den vergangenen Jahren sehr viel verändert. Es gibt nur mehr halb so viele Schweinebauern
wie vor zehn Jahren - derzeit sind es 40.000 Betriebe mit rund 3,3 Mio. Stück. Heute halten im Bundesgebiet
20 Betriebe mehr als 2.000 Schweine", berichtete Schlederer. "Die Futterkosten sind weltweit im Gleichklang,
jedoch schlagen die Gebäude- und Arbeitskosten sowie die Finanzierung verstärkt zu Buche", ergänzte
der Schweinemarkt-Experte.
Wettbewerb am Weltmarkt wir härter
Mathias Ritzmann, Vorstand und Leiter der Klinik für Schweine an der Veterinärmedizinischen Universität
Wien, referierte zum Thema Tiergesundheit und ging dabei auch auf neue Erkrankungen im Schweinebereich ein. Peter
Juul Kristensen vom Pharmaunternehmen Boehringer-Ingelheim gab einen Überblick über die derzeitige Lage
am internationalen Schweinemarkt. Seiner Einschätzung nach gibt es für die EU drei bedeutende Wettbewerber
am Weltmarkt: Kanada, USA und Brasilien. Es werde noch zu weiteren Zusammenschlüssen von großen Produktionsgenossenschaften
kommen, diese würden dann geballt am Weltmarkt auftreten, so Kristensen. "Weltweit werden in Asien und
Südamerika 10.000 bis 100.000 Schweine in einem System gehalten und dann zum Schlachthof geliefert. Wer kontrolliert
diese Betriebe?", fragte der Experte. Brasilianisches Exportfleisch sollte von der EU genau geprüft werden.
In Zukunft werde das "Match" am Schweinemarkt nicht mehr Österreich gegen Deutschland lauten, sondern
EU gegen andere Länder.
Eine Lanze für den Konsum von Schweinefleisch brach schließlich der Internist und Ernährungsexperte
Primarius Meinrad Lindschinger. Er versicherte, dass Schweinefleisch grundsätzlich keine Gefahr für den
Menschen darstelle und sich sogar für Diäten eigne.
Große Herausforderungen für europäische Schweinehalter
"Es gibt sehr große Unterschiede zwischen der österreichischen Schweineproduktion und beispielsweise
jener in Holland, Deutschland oder Dänemark. Nicht nur aufgrund der Größe, sondern auch durch die
Marktsituation und die dazugehörigen Strategien ergeben sich hier andere Ansatzpunkte", stellte EPP-Präsident
Bach Laursen zum Abschluss fest. Der Kongress habe einen sehr interessanten Erfahrungs- und Informationsaustausch
ermöglicht. "Wir stehen vor großen Herausforderungen in unserer Branche. Durch Länder außerhalb
Europas, die niedrigere Produktionskosten haben und in denen Tierschutz keine Rolle spielt, stehen wir unter sehr
hohem Wettbewerbsdruck. Wenn wir diese Herausforderung bewältigen wollen, müssen wir in Europa zusammenhalten
und unsere Industrie gemeinsam weiterentwickeln. Die Konsumenten müssen wir davon überzeugen, dass sie
auch weiterhin europäisches beziehungsweise regionales Schweinefleisch kaufen", unterstrich Laursen. |