Eigentlich hatte Bundespräsident Heinz Fischer geplant, nach diesem Sommer seine Entscheidung bekanntzugeben,
ob er im Frühjahr 2010 für einer weitere Funktionsperiode als Staatsoberhaupt kandidieren wird. Fischer
hatte bei seiner Wahl am 25. April mit 2,166.690 Stimmen 52,39 Prozent erreicht und damit seiner Mitbewerberin
Benita Ferrero-Waldner auf den zweiten Platz verwiesen, sie konnte 1,969.326 Stimmen und damit 47,61 Prozent auf
sich vereinen (wahlberechtigt waren 6,030.982 Personen, die Wahlbeteiligung betrug 71,60 Prozent; Quelle: Innenministerium).
Aus der ÖVP wußte man, sie würde zuwarten, wie sich der amtierende Bundespräsident entscheiden
und ob man dann einen eigenen Kandidaten nominieren würde. Man ging davon aus, daß der von der SPÖ
unterstützte Heinz Fischer für eine zweite Amtszeit von der Volkspartei akzeptiert werden könnte
- und es im Falle dessen keinen Gegenkandidaten gebe. Schließlich werden Fischer allgemein makellose Amtsführung
und hohe Vertrauenswerte bei der Bevölkerung quer durch die eigentlichen Parteipräferenzen zugesprochen.
Bis dann Hans Dichand, Herausgeber der "Kronen Zeitung", in einem Interview im Magazin "Live"
(es wird freitags der "Krone" beigelegt) erklärte, es sei sein erklärter Wunsch, daß
der nächste Bundespräsident Erwin Pröll, der nächste Bundeskanzler Josef Pröll heißen
sollten. Ersterer ist seit 22. Oktober 1992 unangefochtener Landeshauptmann Niederösterreichs, zweiterer ist
dessen Neffe und zur Zeit ÖVP-Bundesparteiobmann, Vizekanzler und Finanzminister im Kabinett Faymann I.
Dichands Wunsch kommt - vor allem in dieser Deutlichkeit - überraschend, auch wenn bis zu einem gewissen Grad
zu erwarten war, daß er Stellung beziehen werde. Denn nach der massiven Unterstützung, die er dem heutigen
Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzenden Werner Faymann vor der Wahl am 28. September 2008 angedeihen ließ,
folgte dessen massiver medialer Einsatz für Hans-Peter Martin zur EU-Wahl am 7. Juni 2009 (Martin ist ehemaliges
Parteimitglied der SPÖ). Mit dem Erfolg, daß Martin nicht nur rund eine halbe Million Stimmen und Rang
drei erreichen konnte, er kostete der SPÖ rund 75.000 Stimmen - die den Abstand zum EU-Wahl Ersten ÖVP
um einiges vergrößerte. Da Hans-Peter Martin kurz nach der EU-Wahl zwar erklärt hatte, Österreich
brauche eine neue Partei, er selbst würde dieser aber nicht vorstehen wollen, war nicht klar, welche politsche
Richtung Dichand nun wohl unterstützen werde. Es war aber abzusehen, daß es Faymann wohl nicht mehr
sein würde, denn: dieser hat auch "Krone"-Mitbewerber Wolfgang Fellners Tageszeitung "Österreich"
als Transportmittel eingesetzt - und Dichand damit wohl verärgert.
Faymann selbst erklärte die Ankündigungen, ob Erwin Pröll kandidiere oder nicht, seien dessen Sache.
Aber eines sei unmißverständlich zu sagen: Die SPÖ stehe geschlossen hinter ihrem Heinz Fischer.
Wenn dieser sich entscheide, zu kandidieren, würden die SPÖ ihren ganzen Einsatz aufbieten, dafür
zu sorgen, daß auch in Zukunft der Bundespräsident der Republik Österreich Heinz Fischer heißen
würde.
Vizekanzler Josef Pröll, wie gesagt, Neffe von LH Erwin Pröll, erklärte in der ORF-Radiosendung
"Mittagsjournal", daß ihn die Wünsche des "Krone"-Herausgebers weder stören,
noch sonderlich motivieren würden. Erwin Pröll erklärte, jetzt müsse sich der Bundespräsident
"outen", denn er habe im letzten Wahlkampf gesagt, daß er nur einmal für sechs Jahre antreten
werde. Diese würden nächstes Jahr enden - er selbst habe als Landeshauptmann Niederösterreichs jedenfalls
andere Sorgen.
BZÖ-Chef Josef Bucher ließ mit einem Vorschlag aufhorchen, er würde FPÖ und Grüne dazu
einladen, Claudia Haider, Witwe nach dem vergangenes Jahr tödlich verunglückten Kärntner Landeshauptmann
Jörg Haider, als überparteiliche Kandidatin zu unterstützen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache
kündigte jedoch in einem Interview mit der Tageszeitung "Österreich" , man werde einen eigenen
"Kandidaten mit großer politischer Erfahrung" nominieren, der über die Parteigrenzen höchste
Anerkennung erhalten habe. Namen nannte er keinen. Die FPÖ habe ehemalige Vizekanzler oder Nationalratspräsidenten,
die in Frage kämen. Für die Grünen erklärte deren Bundesgeschäftsführerin Michaela
Sburny, Ex-Parteichef Prof. Alexander Van der Bellen sei wohl bestens dafür geeignet. Über eine mögliche
Nominierung würde aber erst im Herbst entschieden werden.
Jedenfalls ist davon auszugehen, daß Erwin Pröll nicht als Gegenkandidat Heinz Fischers antreten wird
- ebenso sicher wird dieses Thema in den kommenden Monaten und schon weit vor dem Wahltermin im Frühjahr 2010
für ausreichend Gesprächsstoff sorgen. Vor allem aber auch dann, sollte die ÖVP möglicherweise
bei den Landtagswahlen in Oberösterreich und Vorarlberg (im September 2009) durch Zugewinne gestärkt
werden. Denn das würde das durch das Ergebnis der EU-Wahl ohnedies bereits einigermaßen strapazierte
Koalitionsklima zusätzlich belasten. (mm) |