Nationalrat debattiert über EU-Verständnis  

erstellt am
18. 06. 09

Cap: Menschen müssen stärker über EU informiert werden, sonst wächst Misstrauen weiter
Kommissionspräsident muss sich permanent dem Europarlament stellen
Wien (sk) - "Österreich ist ein Teil der EU und wir haben darüber nachzudenken wie sich die EU weiterentwickeln wird. Aber wir müssen auch die Menschen darüber informieren wie sie von welchen Weiterentwicklungen profitieren. Wenn wir das nicht schaffen, dann wird das Misstrauen wachsen und die Wahlbeteiligung weiter sinken", betonte SPÖ-Klubobmann Josef Cap am 17.06. im Nationalrat. "Sie ordnen dem Kommissionspräsidenten Rechte zu, die maximal der französische Staatspräsident hat," stellte Cap in Richtung der Grünen Abgeordneten Lunacek klar und führte weiter aus, dass die Rechtsgrundlage der Kommission eindeutig vorsehen würde, dass die Kommission im wesentlichen Initiativ-, Kontroll- und Exekutivrechte habe und die wesentlichen Entscheidungen in der EU vom Europarlament, dem europäischen Rat und der europäischen Kommission gemeinsam getätigt würden.

"Der Kommissionspräsident muss sich permanent diesem Europaparlament stellen. Und er muss auch dort bestätigt werden," führte der SPÖ-Klubobmann weiter aus. Cap sprach sich für eine Aufwertung des EU-Hauptausschusses und der Ausweitung der Redemöglichkeit für Mitglieder des EU-Parlamentes aus. "Ich bin dafür, dass, wenn die Regierung die Kandidatin oder den Kandidaten für die EU-Kommission beschlossen hat, sich dieser vor der Einvernahme einer Diskussion im Hauptausschuss stellen muss," so Cap, der weiter erklärte dass es keine rechtliche Grundlage für das, von den Grünen vorgeschlagene, Hearing mit mehreren Kandidatinnen und Kandidaten gebe.

Cap betonte, dass er sich einen "endlich klaren Meinungsbildungsprozess" darüber wünschen würde, wie man Europa eigentlich definieren möchte und kritisierte die "momentan herrschende Erweiterungseuphorie". Cap sprach sich gegen einen EU-Beitritt der Türkei und Ukraine aus, begrüßte aber den Vorschlag einer "priviligierten Partnerschaft" mit diesen Ländern. "Ich glaube, dass darüber eine interessante Debatte zu erwarten ist und Österreich wird seinen Beitrag daran leisten. Wir werden einen Kommissar stellen und auch mit anderen Kommissaren zusammenarbeiten", unterstrich der SPÖ-Klubobmann.

Enttäuscht zeigte sich Cap über das Ergebnis der EU-Wahlen die "jene gestärkt haben, die für den jetzigen Kurs verantwortlich sind". Cap betonte weiter, dass sich die Menschen nicht dafür interessieren würden, wenn wochenlang über personelle Fragen debattiert werde. "Die Menschen interessieren sich dafür, ob die EU in ihrer Koordinationsfunktion einen Beitrag für die Wirtschaftsentwicklung, das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung leistet. Ob sie fähig ist Kontroll- und Regelstrukturen für den Finanzmarkt, eine europäische Finanzmarktaufsicht und Regeln für Hedge-Fonds schaffen kann. Wie die EU mit Kriminalität umgeht, welchen Beitrag sie zum Klimaschutz leistet und wie sicher die Schengen-Grenzen sind. Das sind die Punkte die die Menschen wirklich interessieren und mit denen wir ihr Vertrauen in die EU zurückgewinnen können," schloss Cap.

 

Plassnik: EU-Kommission nicht zum Feindbild machen, sondern als Partner für österreichische Interessen gewinnen
Ehemalige Außenministerin bei der Debatte zur Dringlichen Anfrage im Nationalrat
Wien (övp-pk) - Es ist gut, wenn im Nationalrat EU-Debatten geführt werden. Ich warne die Grünen aber davor, ihren Frust über den Ausgang der EU-Wahl in eine Jagd nach Sündenböcken umzumünzen. Personalisierungen dieser Art sind ältester Politikstil und überzeugen niemanden. Schaffen Sie also keine Feindbilder, sondern helfen Sie mit bei der Partnersuche, wenn es um die Durchsetzung österreichischer Interessen geht. Das sagte ÖVP-Abg. Ursula Plassnik bei der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Grünen im Nationalrat.

Angesichts der anhaltenden Wirtschaft- und Finanzkrise brauche es mehr denn je eine europäische Zukunftsoffensive. "Die Krise ist da, und die EU-Institutionen müssen nun ihre Hausaufgaben machen. Es ist eine einseitige und unzutreffende Betrachtungsweise der Grünen, Kommissionspräsident Barroso für alles Negative verantwortlich zu machen", findet Plassnik klare Worte.

Sie, Plassnik, sei dafür, dass man sich mit den Aufgaben des Präsidenten realistisch auseinandersetze und mit beiden Beinen am Boden stehend beleuchte, welche Aufgaben und Funktionen er in der Tat habe. "Da werden wir erkennen, dass er eine gewichtige Rolle im europäischen Institutionsgefüge spielt, also müssen wir ihn für unsere Interessen als Partner gewinnen. In den Händen der Kommission liegen das Initiativmonopol für Rechtsakte sowie die Ausgestaltung der gemeinsamen europäischen Politik in für Österreich so wichtigen Bereichen wie der Agrarpolitik oder im Außenhandel. Auch die Verteilung von Mittel und Förderungen von Projekten sowie personellen Ressourcen und Infrastruktur sind der Kommission zugeordnet", erklärt Plassnik das Aufgabenspektrum der Kommission und des Präsidenten und fügt hinzu: "Die Kommission ist der Motor der europäischen Integration, das ist besonders für die kleineren und mittleren Mitgliedsstaaten unverzichtbar. Die Haltung der ÖVP ist völlig klar: Wir sehen in Barroso keinen besseren EU-Sektionschef, wie ihn der Bundeskanzler charakterisiert. Wir wollen aber auch keinen EU-Ministerpräsidenten oder einen Generalsekretär eines Direktoriums der Großen."

Verwundert zeigt sich Plassnik über die Kritik der Grünen, dass sich der Kommissionspräsident in der Vergangenheit zu wenig für Umweltthemen und Klimaschutz eingesetzt habe: "Barroso hat sich in den vergangenen fünf Jahren massiv für den Klimaschutz eingesetzt. Man denke nur an seine Initiativen zur Förderung der erneuerbaren Energien, für die er sogar von Umweltschutzorganisationen wie WWF und Greenpeace Anerkennung erntete. Zudem hat die EU-Kommission auch den großen Konzernen wie Microsoft die Stirn geboten. Das europäische Wettbewerbsrecht ist ein Garant für Konsumentenschutz."

Das weitere Verfahren betreffend Kommissionsbestellung sei allgemein bekannt, dazu müssen sich Kommissionspräsident und die 27 Regierungen auf ein Team verständigen. Österreich habe bisher immer eine gute Wahl getroffen. "Sowohl Benita Ferrero-Waldner als auch Franz Fischler sind zwei bemerkenswerte Europäer mit Weitblick. Österreich hat guten Grund, mit mehr Mut und mehr Selbstbewusstsein die europäischen Herausforderungen anzunehmen", schloss Plassnik.

 

Hübner: Ja zum sofortigen Abbruch der Türkei-EU-Beitrittsverhandlungen
Klare Aussagen der Regierungsparteien unabdingbar
Wien (fpd) - "Es gibt viele Gründe, warum die Türkei der Europäischen Union nicht beitreten kann: Der grundlegendste ist wohl, dass die Türkei weder geographisch, noch kulturell, noch vom Stand der Demokratisierung her gesehen, ein europäisches Land ist," so der außenpolitische Sprecher der Freiheitlichen, NAbg. Dr. Johannes Hübner, im Hauptausschuss des Parlaments.

"Darüber hinaus scheinen auch die beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP, die bisher nichts gegen einen EU-Beitritt der Türkei unternommen haben, beziehungsweise diesen sogar forciert haben, im Zuge des Wahlkampfes für die Wahl zum Europäischen Parlament erkannt zu haben, dass ein Beitritt der Türkei zur EU kaum Gutes mit sich bringen würde, und haben sich daher durch die EU-Spitzenkandidaten Johannes Swoboda (SPÖ) und Ernst Strasser (ÖVP) gegen einen Beitritt der Türkei im Namen ihrer Parteien ausgesprochen", so Dr. Hübner weiters.

"Am Tag nach der Europawahl können sich Rot und Schwarz zwar noch an die Aussagen Ihrer Spitzenkandidaten erinnern, den Worten auch Taten folgen zu lassen, wagen sie aber nicht. Sowohl VP-Außenminister Michael Spindelegger als SP-Klubobmann Josef Cap haben mit ihrem heutigen Abstimmungsverhalten im Ausschuss klar bewiesen, daß sie einen Abbruch der Verhandlungen mit der Türkei nicht wirklich wollen und den diesbezüglichen Antrag der FPÖ abgelehnt. Dies obwohl beide angeblich nur eine privilegierte Partnerschaft wollen", berichtet Hübner.

Die Türkei ihrerseits habe wiederholt klargestellt, dass sie eine an einer privilegierten Partnerschaft nicht interessiert sei. Das Ziel sei eine Vollmitgliedschaft, wie gestern erst Außenminister Ahmet Davutoglu in Berlin forderte, so Hübner.

"Angesichts dieser Tatsache sind alle europäischen Verhandlungspartner, insbesonders die österreichischen Regierungsparteien SPÖVP seitens der Freiheitlichen aufgerufen, mehr Ehrlichkeit an den Tag zu legen und alle Maßnahmen zu ergreifen, um umgehend einen Abbruch der Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei über deren Beitritt zu erwirken. Man soll niemals über Dinge verhandeln, die man in Wahrheit gar nicht hergeben will," mahnt Dr. Hübner die Versprechungen aus dem Europawahlkampf ein.

 

Stadler: Barroso ist als Kommissions-Präsident ungeeignet
"Kanzler Faymann soll sich für Barroso nicht zu weit hinauslehnen…"
Wien (bzö) - "Barroso stellt eine schwache Figur dar und ist als Kommissionspräsident ungeeignet", erklärte der stellvertretende BZÖ-Klubobmann Abg. Mag. Ewald Stadler in der Dringlichen Anfrage. Er warf Barroso vor, nur für die größeren Länder zu arbeiten. Zusätzlich habe Barroso noch nicht einmal Vorschläge präsentiert, wie gegen Spekulanten vorgegangen werden könne. Deshalb appellierte Stadler an die anderen Parteien: "Zeigen sie ein Signal bei der Abstimmung! Ein anderer Präsident soll her!"

"Kanzler Faymann soll sich für Barroso nicht zu weit hinauslehnen. Man wird erkennen, dass er der Falsche ist, weil er ein schwacher Präsident ist", sagte Stadler. Als Beispiel nannte er die Einführung von Basel II, wodurch die kleinen Unternehmen kein Geld von den Banken bekommen, Großspekulanten aber ungehindert weiterarbeiten konnten.

Kritik gab es von Stadler auch für die Regierungsparteien. Die ÖVP habe "ein mühsam inszeniertes Vorzugsstimmenspiel" geschaffen und sich trotz des schlechten Ergebnisses als Wahlsieger präsentiert. Kanzler Faymann habe schon bei den Verhandlungen zur Bestellung für Kommission immer die ehemalige Justizministerin Berger für den Europäischen Gerichtshof genannt - "als Abtausch", so Stadler. "Damit hat der Kanzler den österreichischen parteipolitischen Proporz auch auf europäische Ebene getragen", kritisierte Stadler.
 

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