Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus…   

erstellt am
18. 06. 09

… an der Universität Wien 1938: Online-Version weltweit abrufbar
Wien (universität) - Am 30.06. präsentiert die Universität Wien das "Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938" der Öffentlichkeit. Das handgeschriebene Buch wird im Denkmal Marpe Lanefesch, dem ehemaligen jüdischen Bethaus des Allgemeinen Krankenhauses, am Campus der Universität Wien (Hof 6) aufbewahrt. Das Online-Gedenkbuch mit 2.200 Namen von Betroffenen ist online abrufbar. Vorgestellt wird das Gedenkbuch von Georg Winckler, Rektor der Universität Wien, der gemeinsam mit Esther Fritsch von der Israelitischen Kultusgemeinde die Veranstaltung eröffnet. Erstellt wurde das Gedenkbuch von Friedrich Stadler und Herbert Posch vom Forum Zeitgeschichte der Universität Wien.

An der Universität Wien wurden im Jahr 1938 – mit der Machtübernahme des Nationalsozialismus – über 2.700 vorwiegend jüdische Angehörige der Universität aus "rassischen" und/oder "politischen" Gründen entlassen und in der Folge vertrieben und/oder ermordet. Dies betraf Lehrende, Studierende und VerwaltungsmitarbeiterInnen, sowie über 200 AbsolventInnen, denen ihr akademischer Grad aus diesen Gründen aberkannt wurde. Unter den Betroffenen befanden sich z. B. der Psychoanalytiker Bruno Bettelheim, der Schriftsteller Stefan Zweig, die Psychologin Charlotte Bühler, die Romanistin Elise Richter (erste habilitierte Frau, ermordet im KZ Theresienstadt), der Komponist Egon Wellesz, die KunsthistorikerInnen Hans Tietze und Erica Tietze-Conrath oder der Jurist und spätere Bundeskanzler Bruno Kreisky.

Seit einigen Jahren setzt die Universität Wien Initiativen, die vielschichtigen Dimensionen des Nationalsozialismus an der eigenen Institution aufzuarbeiten. Zahlreiche Projekte wurden bereits umgesetzt, so z.B. das Forschungsprojekt "Vertreibung der Studierenden 1938", das Provenienzforschungsprojekt der Universitätsbibliothek, die historische und künstlerische Kontextualisierung des "Siegfriedskopfes" oder die Gedenkveranstaltung anlässlich der Aberkennung und Wiederverleihung akademischer Grade.

2009 erinnert die Universität Wien mit dem Gedenkbuch an dieses Unrecht, und sie ist sich zugleich der Mitverantwortung für das unfassbare Leid bewusst, das den Angehörigen der Universität Wien damals zugefügt wurde. Die Namen der entlassenen, vertriebenen und entrechteten Frauen und Männer sind darin verzeichnet. Das handgeschriebene Gedenkbuch wird im Denkmal Marpe Lanefesh (übersetzt: Heilung für die Seele), dem ehemaligen jüdischen Bethaus des Allgemeinen Krankenhauses, am Campus der Universität Wien aufbewahrt.

Online-Gedenkbuch
Die Online-Datenbank "Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938" umfasst derzeit rund 2.200 Namen von Betroffenen. Bisher konnten die Namen von 1.770 der rund 2.230 vertriebenen Studierenden festgestellt werden,
sowie die Namen der 234 Betroffenen von Aberkennungen akademischer Grade und rund 200 Namen von vertriebenen ProfessorInnen und DozentInnen. Mit der Online-Version des Gedenkbuches sind Namen und Biografien Betroffener weltweit einsehbar.

Das Gedenkbuch versteht sich als "work in progress", das weiterhin Ausgangspunkt und Ziel der Forschung sein wird. Die Präsentation und Online-Version sollen auch eine Chance zur Erweiterung der wissenschaftlichen Kenntnisse sein.
     
Online-Gedenkbuch: http://gedenkbuch.univie.ac.at    
     
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