Nicht nur Nullen und Einsen, sondern alle Möglichkeiten
gleichzeitig? Quantencomputer könnten in Zukunft eine Rechenkraft erreichen, die alle heutigen Computer in
den Schatten stellt.
Wien (tu) - Auf dem weiten Weg zum Computer mit Quanten-Eigenschaften gelang Physikern an der Yale
Universität (USA) unter Beteiligung der Technischen Universität (TU) Wien nun ein bemerkenswerte Fortschritt:
Johannes Majer vom Atominstitut der TU führte erfolgreich Rechnungen mit Quanten-Computerchips durch. Er veröffentlicht
seine neuen Forschungen gemeinsam mit Kollegen aus den USA und Kanada im weltweit führenden Fachmagazin „Nature“.
Herkömmliche Computerchips verarbeiten in ihren Schaltelementen die Signale „Eins“ und „Null“ – also „Strom“
oder „kein Strom“. Daraus können all die komplexen Fähigkeiten zusammengebaut werden, die moderne Rechner
heute haben. Für manche Aufgaben ist diese Vorgangsweise aber nicht besonders effizient – etwa für das
Durchsuchen unsortierter Datenbanken. Soll ein klassischer Computer zum Beispiel in einem Telefonbuch nachsehen,
welcher Name zu einer bestimmten Telefonnummer gehört, muss er einen Eintrag nach dem anderen überprüfen
– und das kann ziemlich lange dauern. Genau für diese Art von Problemstellungen, bei denen eine lange Liste
von möglichen Lösungen ausprobiert werden muss, könnten Quanten-Computer eine bahnbrechende Weiterentwicklung
bringen.
Die Quantenphysik sagt, dass sich mikroskopisch kleine Objekte in einer Überlagerung aus verschiedenen Zuständen
befinden können: Ein Atom kann sich gleichzeitig im und gegen den Uhrzeigersinn drehen, ein Elektron kann
an mehreren Orten gleichzeitig sein. Dieses Prinzip der Quanten-Überlagerung versuchen Wissenschafter nun
auf Computertechnologie anzuwenden. Wenn ein Computerchip nicht nur mit „Null“ oder „Eins“ arbeitet, sondern jede
mögliche Überlagerung von „Null“ und „Eins“ gleichzeitig annehmen kann, dann kann er auch mit jeder möglichen
Überlagerung gleichzeitig rechnen. Der Computerchip muss sich gar nicht entscheiden, welche Zahlen er gerade
verarbeitet – er rechnet mit allen Möglichkeiten auf einmal.
Rechnen mit Quanten-Chips
Seit Jahren versuchen PhysikerInnen, dem Traumziel Quantencomputer näher zu kommen. Ganz unterschiedliche
technologische Ansätze wurden dabei bereits getestet. Johannes Majer und seine Kollegen setzen auf supraleitende
Schaltkreise, in denen bei tiefsten Temperaturen (ein Fünfzigstel Grad über dem absoluten Nullpunkt)
elektronische Quantenüberlagerungen erzeugt werden können – und sie schaffen es nun, mit diesen überlagerten
Zuständen (den sogenannten Qbits) Rechenaufgaben zu lösen. „Das Problem dabei ist, dass solche Überlagerungszustände
sehr fragil sind“ erklärt Johannes Majer. Geraten sie in Kontakt mit ihrer Umwelt, können sie rasch zerfallen
und liegen dann wieder nur ein einem eindeutigen Zustand vor – einer Null oder einer Eins, wie in einem klassischen
Computer.
Allerdings kann man die Quanten-Zustände auch nicht vollständig von der Umwelt abkoppeln, schließlich
muss das Ergebnis der Rechnung auch irgendwie aus dem Chip augelesen werden – und genau darin besteht das große
Grundproblem von Quantencomputern.
Fragile Quantenzustände
Für Quantenphysik-Verhältnisse sind die supraleitenden Chips erstaunlich groß, betont Johannes
Majer: „Wir verschränken Quanten-Zustände auf Schaltelementen, die einen Drittelmillimeter groß
sind – man kann sie mit freiem Auge sehen.“ Dadurch stehen
die Quanten-Zustände auf den Quantenchips in Kontakt mit vielen anderen Teilchen und gehen rasch kaputt: Sie
haben eine Lebensdauer von nur etwa einer Millionstelsekunde. In anderen Systemen, etwa in einzelnen Atomen, die
in elektromagnetischen Feldern gefangen sind, kann man Quanten-Zustände länger konservieren. Die supraleitenden
Chips haben aber den entscheidenden Vorteil, dass auf ihnen die Quanten-Zustände sehr rasch verarbeitet werden
können. Mit Hilfe von Mikrowellen wird der Quanten-Chip in einen bestimmten Zustand versetzt und die gewünschte
Rechnung wird ausgeführt. Das alles muss so schnell gehen, dass eine möglichst große Zahl von Rechenschritten
möglich ist, bevor die Quanten-Überlagerungseigenschaften nach einer Millionstelsekunde dann verlorengehen.
Erste Quanten-Rechnungen
An der Yale Universität, in der Gruppe von Rob Schoelkopf, gelang es Johannes Majer und seinen Kollegen, zwei
Quantenzustände auf einem Computerchip zu koppeln und damit erfolgreich einfache Rechnungen durchzuführen.
Damit ist bewiesen, dass Quanten-Rechnungen in supraleitenden Computerchips tatsächlich möglich sind.
Die Tür zu weiteren, komplizierteren Quanten-Chips mit einer größeren Anzahl von Quanten-Zuständen
scheint damit offen zu sein.
Eine spannende Zukunftsvision für die Quantenphysiker wäre es, die supraleitenden Chips mit stabileren
Atom-Zuständen zu koppeln. Dieses Ziel will Majer nun am Atominsitut der TU Wien weiterverfolgen. „Vielleicht
kann man eines Tages Atome wie einen Speicher verwenden, und die schnellen Supraleiter-Chips zum Rechnen benützen“,
hofft Majer. Bis man Quantencomputer im Elektro-Fachmarkt kaufen kann, haben WissenschafterInnen jedenfalls mit
Sicherheit noch einiges zu tun. |