Bern (edf) - Bundespräsident Hans-Rudolf Merz hat am Abend des 22.06. in Berlin den deutschen Finanzminister
Peer Steinbrück zu einem Arbeitsessen getroffen. In einer sachlichen Atmosphäre betonten beide Minister
die engen Verbindungen der beiden Staaten. Bundespräsident Merz hob an dem Gespräch die Position der
Schweiz bei der internationalen Amtshilfe in Steuersachen hervor. Er forderte zudem gleich lange Spiesse für
alle Länder im Listenprozess der OECD- bzw. G-20-Staaten. Beide Minister vereinbarten, das Doppelbesteuerungsabkommen
zu revidieren.
Bundespräsident Merz hob gegenüber Finanzminister Steinbrück hervor, dass es das freundschaftliche
Verhältnis und die guten Wirtschaftsbeziehungen beider Länder auszubauen gelte. Die Schweiz, so Merz,
sei eine attraktive und verlässliche Partnerin für Deutschland. Das gelte auch für den Finanzplatz
Schweiz, der für Personen aus dem Ausland wegen seiner Professionalität, wegen des Schweizer Frankens
und wegen der stabilen Rahmenbedingungen attraktiv ist - und nicht wegen Steuerfragen. Den Vorwurf, die Schweiz
sei eine Steueroase, wies Bundespräsident Merz entschieden zurück.
Er bekräftigte gegenüber Finanzminister Steinbrück den Willen der Schweiz, den Entscheid des Bundesrates
vom 13. März 2009, den Vorbehalt zu Artikel 26 des OECD-Musterabkommens zurückzuziehen und künftig
auf Anfrage auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe zu leisten, rasch umzusetzen und bestehende Diskriminierungen
zu beseitigen. Er betonte aber auch, dass er dafür eine entsprechende Gegenleistung erwarte. Merz verwies
in diesem Zusammenhang sowohl auf das Merkblatt der deutschen Finanzmarktaufsicht (Bundesanstalt für Finanzdienst-leistungsaufsicht
BaFin) - die Behörde will Schweizer Finanzdienstleistern den Marktzutritt in Deutschland verwehren - wie auch
auf die Frage der Besteuerung von Schweizer Flugpersonal, das in Deutschland angestellt ist. Die Schweiz und Deutschland
kamen überein, Revisionsarbeiten zum Doppelbesteuerungsabkommen aufzunehmen. Aufgrund der vielfältigen
Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Staaten dürfte die Aushandlung des neuen Abkommens einige Zeit
in Anspruch nehmen.
Bundespräsident Merz unterstrich an dem Gespräch erneut die Haltung des Bundesrates, mit jedem Staat
einzeln über die Ausweitung der Amtshilfe in internationalen Steuerfragen zu verhandeln. Das sei zielführender
als eine multilaterale Umsetzung des Entscheides zum Beispiel im Rahmen des Betrugsbekämpfungsabkommens der
EU.
Das zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossene Zinsbesteuerungsabkommen kam an dem Treffen ebenfalls zur Sprache.
Bundespräsident Merz bekräftigte den Willen des Bundesrates, am Koexistenzmodell, das heisst am Steuerrückbehalt,
festzuhalten. Den automatischen Informationsaustausch lehnt der Bundesrat weiterhin ab. Die Schweiz, so Bundespräsident
Merz, ist jedoch bereit, mit der EU eine Verbesserung des Zinsbesteuerungsabkommens zu erörtern.
Bundespräsident Merz nahm die Gelegenheit des Treffens wahr, sich von der Tonalität einzelner politischer
Exponenten auf Deutscher wie Schweizer Seite zu distanzieren. Er erwarte, so Merz, auch von deutscher Seite eine
andere Art und Tonalität der Auseinandersetzung und hoffe auf eine künftig sachliche Zusammenarbeit. |