Landwirtschaftsausschuss beschließt neue Marktordnung   

erstellt am
02. 07. 09

Angeregte Debatte über die Maßnahmen für die Milchbauern
Wien (pk) - Eine ausführliche und lebhafte Diskussion über das Agrarrechtsänderungsgesetz 2009 fand am Nachmittag des 01.07. in der Sitzung des Landwirtschaftsausschusses statt. Zunächst stand nur ein S-V-Antrag auf der Tagesordnung, zu dem im Laufe der Sitzung jedoch ein sehr umfangreicher Abänderungsantrag eingebracht wurde. Gegen diese Vorgangsweise protestierte die Opposition, da es ihrer Ansicht nach nicht möglich sei, sich in so kurzer Zeit auf eine so komplexe Materie vorzubereiten; eine sachliche Diskussion sei somit nicht gewährleistet. Im Mittelpunkt des Antrags stand die Etablierung einer neuen Marktordnung, durch welche die im Rahmen des GAP-Gesundheitschecks eingeräumten Spielräume im Bereich der Direktzahlungen (v.a. am Milchsektor) umgesetzt werden sollen. Das Gesetzespaket, das von Seiten der SPÖ nur als kleiner Schritt, dem viele weitere folgen müssen, beurteilt wurde, wurde mit den Stimmen der Vertreter der Koalitionsparteien angenommen.

Schließlich standen noch drei Anträge der Opposition auf der Agenda, in der die Grünen und das BZÖ auf die schwierige Situation der heimischen Milchbauern hinwiesen und jeweils entsprechende Maßnahmenpakete forderten. Ein FPÖ-Entschließungsantrag betraf den Erhalt einer kleinbäuerlich strukturierten Landwirtschaft in Österreich ohne Einsatz von Gentechnik; alle drei Anträge wurden abgelehnt.

Agrarrechtsänderungen: Schwieriger Kompromiss zwischen SPÖ und ÖVP
Ausgangspunkt für die Debatte war ein S-V-Antrag betreffend ein Agrarrechtsänderungsgesetz 2009, das in erster Linie nur Anpassungen an das EU-Recht sowie die Umsetzung von bisherigen Vollzugserfahrungen enthielt. Dazu wurde jedoch ein 41 Seiten umfassender S-V-Abänderungsantrag eingebracht, der vor allem die nationalen Umsetzungsmaßnahmen im Bereich der Direktzahlungen enthielt (Änderung des Marktordnungsgesetzes 2007 und des Marktordnungs-Überleitungsgesetzes).

Die Hauptbestandteile der Betriebsprämienregelung werden beibehalten. Die Sektoren, in denen derzeit noch produktionsgekoppelte Zahlungen gewährt werden, sollen schrittweise (im Zeitraum 2010 bis 2012) in die Betriebsprämienregelung einbezogen werden, wobei die Mutterkuhprämie aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die Landwirtschaft in bestimmten Regionen auch weiterhin als gekoppelte Maßnahme beibehalten werden kann. Von der grundsätzlich vorgesehenen Möglichkeit eines Betriebsprämienmodellwechsels wird nicht Gebrauch gemacht. Der Hauptgrund liegt darin, dass der Gesundheitscheck lediglich eine Zwischenstufe darstellt, jedoch keine spezifischen Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2013 (deren Grundzüge und finanzielle Ausgestaltung derzeit noch völlig offen sind) enthält, heißt es in den Erläuterungen.

Um die Auswirkungen des Auslaufens der Milchquoten aufgrund struktureller Nachteile in der Milchproduktion zu dämpfen, besteht die Möglichkeit einer besonderen Stützung innerhalb bestimmter gemeinschaftsrechtlich determinierter Grenzen. Die weitere Ausgestaltung der Stützung in Form einer tierbezogenen Zahlung (Milchkuhprämie) wird im MOG 2007 geregelt. Bereits bisher war vorgesehen, dass die Milchquote lediglich bis zum 31. März 2015 fort besteht. Mit schrittweisen Quotenerhöhungen von fünf Mal 1 % soll ein reibungsloser Übergang erfolgen und eine übermäßige Korrektur nach dem Auslaufen der Quotenreglung vermieden werden. Diese Quotenerhöhungen sollen bei entsprechender Marktlage und gegebenen Absatzmöglichkeiten im Milchsektor durch Verordnung einzelbetrieblich den Lieferquoten zugeteilt werden können, wobei der schon bisher im MOG 2007 enthaltene Grundsatz der linearen Zuteilung zur Anwendung kommt. Durch eine Änderung beim Zuweisungssatz (Saldierung) soll auf stärkere Überlieferungen der einzelbetrieblichen Milchquote gezielter Bedacht genommen werden.

Außerdem soll die Möglichkeit der einzelbetrieblichen Zuteilung der Milchquotenerhöhung ab 2009 nach Maßgabe der jeweils aktuellen Marktlage und der Absatzmöglichkeiten im Milchsektor geschaffen werden. Vorgesehen ist zudem die Teilnahme an optionalen Gemeinschaftsprogrammen (wie zum Beispiel Schulobstprogramm oder kostenlose Abgabe von Erzeugnissen aus Beständen der Intervention an Bedürftige in der Gemeinschaft).

Weiters sieht das Agrarrechtsänderungsgesetz Anpassungen in folgenden Rechtsmaterien vor: Durch die Änderung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 werden die Bestimmungen der vereinfachten Zulassung von Pflanzenschutzmitteln an die Judikatur des EuGH angepasst. Die Pflanzgutgesetz-Novelle enthält Vorschriften betreffend die Umstellung der Zulassung von Versorgern auf eine bloße Registrierung, eine Anpassung der Sortenlisten für Obstarten, ein Zertifizierungsverfahren für Obstpflanzgut sowie eine Präzisierung der "amtlichen Prüfung". In das Pflanzenschutzgesetz 1995 sollen Vorschriften für Ausführer von Pflanzen, Pflanzenerzeugnissen und sonstigen geregelten Gegenständen hinsichtlich der Verpflichtung zu Registrierung, Kennzeichnungs- und Verplombungssystemen und phytosanitären Sicherstellungen aufgenommen werden; bei der Kontrolle von Verpackungsmaterial aus Holz mit Ursprung in Drittländern soll es zu einer Neuausrichtung der Kontrollen kommen; weiters soll die Strafbestimmung hinsichtlich der Ahndung der Einfuhr von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen ohne gültiges Pflanzengesundheitszeugnis im Zusammenhang mit dem Schmuggel artenschutzrechtlich geschützter Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen ergänzt werden. Schließlich wird auch noch das Forstliche Vermehrungsgutgesetz 2002 geändert, da nach sechsjähriger Anwendungszeit des Gesetzes Ergänzungen und Korrekturen erforderlich wurden.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) bekannte sich offen dazu, dass sich seine Fraktion zwar eine viel weitreichendere Lösung gewünscht hätte, dem vorliegenden Kompromiss aber zustimmen werde. Es handle sich dabei bei weitem nicht um die beste Lösung, aber es sei ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Daran wurde aber die Bedingung geknüpft, dass die Gespräche mit der ÖVP intensiv fortgesetzt werden. Außerdem soll bis zum Herbst auch eine Lösung bezüglich der Finanzierung der AGES auf dem Tisch liegen.

Abgeordneter Franz Eßl (V) war überzeugt davon, dass das Marktordnungsgesetz einige sehr wichtige Punkte für die Bauern enthalte. Als Beispiel führte er an, dass die Auszahlung einer Milchkuhprämie möglich ist, wovon vor allem kleinere Betriebe profitieren werden. Die Forderung der Grünen nach Abschaffung der Saldierung lehnte er ab, weil dies in der jetzigen Phase nachteilige Auswirkungen hätte. So eine Maßnahme hätte man vor drei bis vier Jahren durchführen müssen. Außerdem befürchtete Eßl, dass dadurch die Quotenpreise in die Höhe getrieben werden. Ablehnend äußerte er sich auch zum G-Vorschlag, die Exportsubventionen abzuschaffen, weil gerade damit der Markt reguliert werden könne. Überdies sei die Quote ohne Begleitinstrumente wirkungslos, gab Eßl zu bedenken.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) war überzeugt davon, dass die österreichischen Milchbauern die aktuelle Krise aufgrund der Ausgleichszahlungen viel besser überstehen werden als die Landwirte in anderen EU-Staaten. Sodann befasste er sich noch mit den Änderungen in den übrigen Agrargesetzen, wie etwa dem Pflanzenschutzmittelbereich.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) ging zunächst auf den Entschließungsantrag seiner Fraktion ein, in dem u.a. eine amtliche Preiskalkulation für Milch und Milchprodukte gefordert wird, die sich an einer Vollkostenrechnung orientiert. Außerdem trat er für die Abschaffung des Systems der Saldierung sowie für die Umsetzung eines modernen Marketingkonzepts im Milchbereich ein. Weiters wünschte sich Pirklhuber, dass sämtliche Interessenorganisationen im Milchsektor (Molkereien, IG-Milch, Landwirtschaftskammern, Handel) regelmäßig zu einem Runden Tisch eingeladen werden, damit aktuelle Herausforderungen partnerschaftlich gelöst werden können.

Abgeordneter Gerhard Huber (B) konnte dem Abänderungsantrag wenig abgewinnen, da vor allem die Milchbauern endlich eine konkrete Hilfe brauchen. Er wünschte sich die Einführung eines Sockelbetrags für kleine Vollerwerbsbauern, damit sie ihre Höfe erhalten können. Kritisch beurteilte er auch, dass bei den Molkereien keine Kontrollmechanismen etabliert werden. Sein Fraktionskollege Abgeordneter Sigisbert Dolinschek machte sich vor allem Sorgen darum, wie es nach dem Jahr 2013 weitergehen soll; hier fehlen die Perspektiven. Er forderte, dass die Bundesregierung auf EU-Ebene koordinierter und stärker für die Interessen der Milchbauern eintritt.

Abgeordneter Harald Jannach (F) trat für die Abschaffung der Saldierung ein, da sie unfair sei und jene begünstige, die jetzt Überlieferer sind. Handlungsbedarf sah er auch hinsichtlich der Milchersatzprodukte, die immer mehr über Hand nehmen.

Auch Abgeordneter Josef Muchitsch (S) berichtete von schwierigen, aber sehr tiefgehenden Verhandlungen mit dem Koalitionspartner. Er glaube, dass sich beide Seiten durchaus bewusst sind, dass weitere Maßnahmen zu setzen sind, vor allem in den Fragen Konsumententäuschung und Milchüberproduktion sowie im gesamten Förderbereich.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) betonte die Notwendigkeit, in den Markt einzugreifen, wenn man den vielfältigen Leistungen der Bauern in der Agrarpolitik Rechnung tragen wolle. Er erwarte ein Ende der Deregulierung und einen agrarpolitischen Kurswechsel nach den Wahlen in Deutschland und forderte den Landwirtschaftsminister auf, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass Österreich - wie bei der Gentechnik - auf der richtigen Seite stehe. Gefordert seien agrarpolitische Zukunftsstrategien, sagte Pirklhuber, und zeigte sich überzeugt, dass Exportsubventionen, die zu Dumpingpreisen führen, sicherlich nicht dazu gehören, da mittlerweile jeder wisse, dass EU-Agrarexporte bäuerliche Existenzen in Afrika und Mittelamerika zerstörten. Auch die Themen Vorsorgepolitik und Ernährungssouveränität sollten viel stärker forciert werden. Mit Abgeordnetem Jannach wusste sich Pirklhuber einig im Kampf um gentechnikfreie Futtermittel. Die Existenz der Milchbauern sah Pirklhuber gefährdet und forderte ein Konjunkturpaket für den ländlichen Raum.

Abgeordneter Harald Jannach (F) erbat Auskunft über die Auswirkungen der Saldierung auf die Milchbauern und über den Verhandlungsstand zu den Themen Einheitswerte und Agrardiesel.

Bundesminister Nikolaus Berlakovich zeigte sich froh darüber, dass das Agrarrechtsänderungsgesetz, dessen Herzstück die neue Marktordnung sei, heute einem Beschluss zugeführt werden könne. Er wies die Abgeordneten darauf hin, dass die Änderungen im Bereich der Direktzahlungen zwar erst mit 1. Jänner 2010 wirksam werden, die Mitteilung an die Europäische Kommission über die vom Mitgliedstaat getroffenen Umsetzungsmaßnahmen jedoch bereits vor dem 1. August 2009 erfolgen müssen.

Am System der Saldierung, für das sich auch das Expertengremium der Landwirtschaftskammer ausgesprochen hat, halte er fest, führte der Agrarminister weiter aus. Weiters erinnerte Berlakovich daran, dass trotz des österreichischen Widerstands die Mehrheit der EU-Staaten ein Auslaufen der Milchquote beschlossen hat. Er räumte auch gravierende Probleme auf dem Milchmarkt ein, die auf Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage zurückgehen - daher seien die Markt-Maßnahmen (Interventionskäufe, Exporterstattungen etc.) der EU richtig und notwendig, hielt der Minister gegenüber Abgeordnetem Pirklhuber fest. Als Beispiel führte Berlakovich die Tatsache an, dass die Lebensmittelindustrie die Milchbeigaben im Speiseeis nun durch Pflanzenfette ersetze. Einen Bericht über die Auswirkungen des Healthchecks habe die EU für 2010 in Aussicht gestellt, teilte er den Abgeordneten mit.

Schließlich erläuterte der Minister das System der "Spreizung", mit dem dafür gesorgt werde, dass Milch-"Überlieferer" mehr zahlen. Man sollte aber nicht vergessen, dass auch kleine Bauern zu den "Überlieferern" zählten und betroffen wären, wenn sie ab dem ersten Liter über der Quote zahlen müssten. Es sei aber vorgesehen, dass jene, die extrem überliefern, nun zur Kasse gebeten werden.

Die Auswirkungen der Agrarrechtsänderungen auf Milchbetriebe bezifferte der Minister gegenüber Abgeordnetem Jannach mit 60 Euro bei zehn und mit 40 Euro bei 20 Kühen. Die Verhandlungen über die Einheitswerte seien im Gange, das Pauschalierungssystem bleibe aufrecht.

Alle drei Oppositionsanträge wurden abgelehnt



Auf der Tagesordnung stand auch ein Entschließungsantrag der Grünen, in der Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber von einer "ruinösen Milchmarktpolitik" spricht. Die österreichische Bundesregierung müsse seiner Ansicht nach in der EU mit Nachdruck für folgende Maßnahmen eintreten: Anstatt der Quotenerhöhung soll das Instrument der flexiblen Mengensteuerung eingesetzt werden, um Angebot und Nachfrage auszubalancieren. Gemäß dem Leitbild einer flächengebundenen Milchproduktion müssen den Grünland-Bäuerinnen und -Bauern auch nach 2015 Lieferrechte für die Milchproduktion garantiert werden. Außerdem muss das Exportdumping umgehend beendet und die Exportsubventionen eingestellt werden. Auf nationaler Ebene fordert der G-Mandatar Wolfgang Pirklhuber die Umsetzung einer umfassenden Qualitätsstrategie für die österreichische Milchwirtschaft.

Auch das BZÖ setzt sich in einem Entschließungsantrag für die finanzielle Absicherung der Milchbauern ein. Die EU-Agrarminister haben sich bedauerlicherweise darauf geeinigt, die Milchquote in fünf Schritten von je 1 % jährlich bis 2014 anzuheben, beklagten die Antragsteller. Die drastisch sinkenden Milchpreise und der Rückgang bei den Förderungen zwingen viele Bauern zur Aufgabe ihrer Betriebe. Der Landwirtschaftsminister wird vom BZÖ daher aufgefordert, umgehend die nationalen rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für die Zahlung einer Milchkuhprämie zu schaffen, im Sinne einer Gewährleistung eines angemessenen bäuerlichen Einkommens für gerechte und faire Milchpreise zu sorgen und sich weiterhin auf europäischer Ebene gegen eine vorzeitige Erhöhung der Milchquoten einzusetzen.

Schließlich befassten sich die Mandatare noch mit einem FPÖ-Entschließungsantrag, in der sich die freiheitlichen Abgeordneten zu einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft abseits von Agrarfabriken und ohne jede Form von Gentechnik bekannten. Von der Bundesregierung wünschten sich die Freiheitlichen die Vorlage eines Maßnahmenpakets, das sicherstellt, dass der Einsatz von Gentechnik in unserer Landwirtschaft dauerhaft verhindert, das Weiterbestehen der heimischen Landwirtschaft in ihrer traditionellen Struktur gesichert und die Ernährungssicherheit unserer Bevölkerung dauerhaft garantiert wird. Durch den Erhalt der heimischen Landwirtschaft in ihrer traditionellen Struktur soll die Diversität der Arten und Ökologie, und damit das Funktionieren unseres Ökosystems, dauerhaft gewährleistet werden
     
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