Fachsymposion im Wiener Kardinal-König-Haus anlässlich der Emeritierung
von Prof. Paul Zulehner suchte "Zukunftsbilder" der Kirche
Wien (pew) - Nach "Zukunftsbildern" von Kirche und Glaube suchte ein Fachsymposion aus
Anlass der Emeritierung des Wiener Pastoraltheologen Prof. Paul M. Zulehner am 29.06. im Wiener Kardinal-König-Haus.
In ihren "Visionen für das Jahr 2030" zeigten sich die Referenten einig, dass "Glaube und Religion
eine öffentliche Angelegenheit sind und bleiben werden", wie es Altvizekanzler Erhard Busek auf den Punkt
brachte. Die Kirche werde sich dabei in Zukunft noch stärker als "Gewissen der Gesellschaft" profilieren
und sich aktiver in die gesellschaftlich-politischen Diskurse einbringen müssen, so Busek.
Konkret rief Busek die Christen dazu auf, politische Realitäten wie etwa die Migrationsbewegung immer auch
als "pastorale Aufgabe" zu begreifen. Die Kirche müsse den Menschen klarmachen, dass Migration nicht
nur eine Tatsache der Gegenwart darstellt, sondern auch in Zukunft eine soziale Realität bleiben wird, die
es produktiv zu nutzen gelte. Durch das dichte soziale Netz etwa der Pfarren könne die Kirche dazu beitragen,
die wachsende Vielfalt als Chance für ein friedliches Miteinander zu nutzen, so Busek. Zugleich warnte der
Politiker vor einer zunehmenden Aggressivität in der Kommunikation. Es gelte, "Sprachverantwortung"
neu zu lernen und die "Abrüstung der Worte" einzuüben. Daran hänge letztlich das "gesamte
Projekt Europa"..
An den öffentlichen Auftrag der Kirche erinnerte auch der Salzburger Pastoralamtsleiter und Dompfarrer Balthasar
Sieberer. Kirche beweise ihre "Zukunftsfähigkeit" weniger durch strikt durchgeführte Strukturreformen
auf pfarrlicher Ebene, sondern dadurch, dass sie zu einer "den Menschen zugewandten Kirche" werde, so
Sieberer. Zukunftsfähig sei die Kirche zugleich jedoch nur dann, wenn sie ihre Berufungspraxis ändere.
Heute sei die Kirche "keine Rufende mehr", sie lege möglichen Priesterkandidaten zu viele Steine
in den Weg. Weiters empfahl Sieberer eine größere Gelassenheit beim Beschreiten neuer Wege etwa in der
Amtsfrage.
Die Vizerektorin der Universität Wien und Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät, Prof. Christa
Schnabl, bezeichnete die Suche nach einer "Gerechtigkeit für alle als "Quelle des christlichen Engagements
in der Gesellschaft". Die Suche nach Gerechtigkeit stelle ein "urbiblisches Motiv" dar, so Schnabl,
daher liege im Begriff der Gerechtigkeit zugleich auch "der Schlüssel zur christlichen Einmischung"
und zur Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung. Es sei "der Durst nach Gerechtigkeit, der die Christen
auf eine besondere Sensibilität für die Leidenden, die Opfer und die zu kurz Gekommenen verpflichtet".
Als wichtige Voraussetzung für eine solche christliche Einmischung in den öffentlichen Diskurs benannte
Christa Schnabl die Trennung von Politik und Religion. Dies dürfe jedoch weder zu einer gänzlichen Privatisierung
der Religion führen noch zu einer Instrumentalisierung von Religion durch die Politik, so Schnabl unter Verweis
auf den jüngsten EU-Wahlkampf.
Die Bedeutung einer reflektierten Spiritualität für die Zukunft der Kirche betonte der Tübinger
Moraltheologe Prof. Dietmar Mieth. Zukunftsfähig und letztlich biblisch sei jedoch nur eine Spiritualität,
die "die Intensität der religiösen Erfahrung mit einer kognitiven Reflexion verbindet". Nur
so könne Spiritualität zu einer gesellschaftlichen Provokation werden. Zugleich habe eine reflektierte
Spiritualität eine interreligiöse Dimension. "Die Erkenntnis, von einem je Größeren umfangen
zu sein, ist eine spirituelle Erkenntnis und verbindet das Christentum mit anderen Weltreligionen", so Mieth.
Dass die Zukunftsfähigkeit der Kirche entscheidend von ihrem Einsatz für die Jugend abhängt, betonte
der frühere Wiener Stadtschulratspräsident Kurt Scholz. Lobende Worte fand Scholz dabei insbesondere
für den Einsatz der Katholischen Aktion (KA) in der gegenwärtigen Bildungsreformdebatte. Die unlängst
in Wien präsentierte KA-Broschüre "Auf dem Weg zur gerechten Schule" stelle eine "große
positive Ausnahme" in einer "ansonsten traurigen öffentlichen Bildungsdebatte" dar. Während
sich die Bildungspolitik darauf reduziere, den Status quo und damit auch die im Bildungssystem vorhandenen Ungerechtigkeiten
zu konservieren, stelle die KA-Broschüre Bildung als politisches Zukunftsthema bewusst in den Mittelpunkt.
Durch solche gesellschaftspolitischen Einwürfe erweise Kirche die Glaubwürdigkeit ihrer Worte und zugleich
die eigene Zukunftsfähigkeit, so Scholz. |