"Glaube und Religion sind eine öffentliche Angelegenheit"   

erstellt am
30. 06. 09

Fachsymposion im Wiener Kardinal-König-Haus anlässlich der Emeritierung von Prof. Paul Zulehner suchte "Zukunftsbilder" der Kirche
Wien (pew) - Nach "Zukunftsbildern" von Kirche und Glaube suchte ein Fachsymposion aus Anlass der Emeritierung des Wiener Pastoraltheologen Prof. Paul M. Zulehner am 29.06. im Wiener Kardinal-König-Haus. In ihren "Visionen für das Jahr 2030" zeigten sich die Referenten einig, dass "Glaube und Religion eine öffentliche Angelegenheit sind und bleiben werden", wie es Altvizekanzler Erhard Busek auf den Punkt brachte. Die Kirche werde sich dabei in Zukunft noch stärker als "Gewissen der Gesellschaft" profilieren und sich aktiver in die gesellschaftlich-politischen Diskurse einbringen müssen, so Busek.

Konkret rief Busek die Christen dazu auf, politische Realitäten wie etwa die Migrationsbewegung immer auch als "pastorale Aufgabe" zu begreifen. Die Kirche müsse den Menschen klarmachen, dass Migration nicht nur eine Tatsache der Gegenwart darstellt, sondern auch in Zukunft eine soziale Realität bleiben wird, die es produktiv zu nutzen gelte. Durch das dichte soziale Netz etwa der Pfarren könne die Kirche dazu beitragen, die wachsende Vielfalt als Chance für ein friedliches Miteinander zu nutzen, so Busek. Zugleich warnte der Politiker vor einer zunehmenden Aggressivität in der Kommunikation. Es gelte, "Sprachverantwortung" neu zu lernen und die "Abrüstung der Worte" einzuüben. Daran hänge letztlich das "gesamte Projekt Europa"..

An den öffentlichen Auftrag der Kirche erinnerte auch der Salzburger Pastoralamtsleiter und Dompfarrer Balthasar Sieberer. Kirche beweise ihre "Zukunftsfähigkeit" weniger durch strikt durchgeführte Strukturreformen auf pfarrlicher Ebene, sondern dadurch, dass sie zu einer "den Menschen zugewandten Kirche" werde, so Sieberer. Zukunftsfähig sei die Kirche zugleich jedoch nur dann, wenn sie ihre Berufungspraxis ändere. Heute sei die Kirche "keine Rufende mehr", sie lege möglichen Priesterkandidaten zu viele Steine in den Weg. Weiters empfahl Sieberer eine größere Gelassenheit beim Beschreiten neuer Wege etwa in der Amtsfrage.

Die Vizerektorin der Universität Wien und Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät, Prof. Christa Schnabl, bezeichnete die Suche nach einer "Gerechtigkeit für alle als "Quelle des christlichen Engagements in der Gesellschaft". Die Suche nach Gerechtigkeit stelle ein "urbiblisches Motiv" dar, so Schnabl, daher liege im Begriff der Gerechtigkeit zugleich auch "der Schlüssel zur christlichen Einmischung" und zur Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung. Es sei "der Durst nach Gerechtigkeit, der die Christen auf eine besondere Sensibilität für die Leidenden, die Opfer und die zu kurz Gekommenen verpflichtet".

Als wichtige Voraussetzung für eine solche christliche Einmischung in den öffentlichen Diskurs benannte Christa Schnabl die Trennung von Politik und Religion. Dies dürfe jedoch weder zu einer gänzlichen Privatisierung der Religion führen noch zu einer Instrumentalisierung von Religion durch die Politik, so Schnabl unter Verweis auf den jüngsten EU-Wahlkampf.

Die Bedeutung einer reflektierten Spiritualität für die Zukunft der Kirche betonte der Tübinger Moraltheologe Prof. Dietmar Mieth. Zukunftsfähig und letztlich biblisch sei jedoch nur eine Spiritualität, die "die Intensität der religiösen Erfahrung mit einer kognitiven Reflexion verbindet". Nur so könne Spiritualität zu einer gesellschaftlichen Provokation werden. Zugleich habe eine reflektierte Spiritualität eine interreligiöse Dimension. "Die Erkenntnis, von einem je Größeren umfangen zu sein, ist eine spirituelle Erkenntnis und verbindet das Christentum mit anderen Weltreligionen", so Mieth.

Dass die Zukunftsfähigkeit der Kirche entscheidend von ihrem Einsatz für die Jugend abhängt, betonte der frühere Wiener Stadtschulratspräsident Kurt Scholz. Lobende Worte fand Scholz dabei insbesondere für den Einsatz der Katholischen Aktion (KA) in der gegenwärtigen Bildungsreformdebatte. Die unlängst in Wien präsentierte KA-Broschüre "Auf dem Weg zur gerechten Schule" stelle eine "große positive Ausnahme" in einer "ansonsten traurigen öffentlichen Bildungsdebatte" dar. Während sich die Bildungspolitik darauf reduziere, den Status quo und damit auch die im Bildungssystem vorhandenen Ungerechtigkeiten zu konservieren, stelle die KA-Broschüre Bildung als politisches Zukunftsthema bewusst in den Mittelpunkt. Durch solche gesellschaftspolitischen Einwürfe erweise Kirche die Glaubwürdigkeit ihrer Worte und zugleich die eigene Zukunftsfähigkeit, so Scholz.
     
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