Sozialpartner fordern nachdrücklich ganzheitliches Bildungssystem ein
Ausbau der Neuen Mittelschule, mehr Ganztagsschulen und mehr Ressourcen für Weiterbildung
sind zentrale Themen
Wien (pwk) - In einer gemeinsam Sozialpartner-Pressekonferenz betonten die Präsidenten von Wirtschaftskammer
Österreich, Christoph Leitl, ÖGB, Erich Foglar, Arbeiterkammer, Herbert Tumpel, sowie der Vizepräsident
der Landwirtschaftskammer, Hermann Schultes, am 23.07. die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Reform des Bildungssystems.
Bereits im Herbst 2007 hatten die Sozialpartner dazu eine Strategie vorgelegt, deren Umsetzung durch die Politik
in zentralen Bereichen jedoch zu wünschen übrig lässt. Einig waren sich die Sozialpartner, dass
die Politik nun rasch in einen Dialog über die vorgelegten Maßnahmen eintreten müsse. Es sollten
die Weichen gestellt werden in Richtung einer echten Strategie des lebenslangen Lernens, eines nationalen Qualifikationsrahmens,
einer stärkeren Betonung der neuen Mittelschule und einer neu aufgestellten Schulverwaltung.
Leitl: Klar
ist, dass wir auf gewachsene Strukturen Rücksicht nehmen müssen
"Unser Ziel muss sein, das beste Bildungssystem Europas in Österreich zu verwirklichen und nicht
in alten Strukturen zu verharren. In der aktuellen wirtschaftlichen Situation können wir nur durch Stärken
wie Know how, Kreativität und Innovation punkten. Deshalb sind jetzt Investitionen in das heimische Bildungssystem
unerlässlich", betonte WKÖ-Präsident Leitl. In Hinblick auf die Umsetzung des Sozialpartnerpapiers
stehe man leider "mehr am Anfang als wir uns das vor zwei Jahren gewünscht haben".
Betrachte man die aktuelle Bildungspolitik nach einem Ampelsystem, stehe diese in puncto "kostenfreie Lehre
und Matura" auf Grün. Gelb sei das Licht bei den Bildungsstandards, da es hier entgegen der Forderung
der Sozialpartner keine definierten Mindestlevels und keine Rückmeldung der Überprüfungsergebnisse
an den Schulen gebe. Was die neue Mittelschule betrifft, wünscht sich Leitl ein Konzept für eine echte
Sekundarstufe I.
Nach wie vor auf Rot stehe die Ampel im Hinblick auf die notwendige Entwicklung eines nationalen Qualifikationsrahmens
sowie eine Schulverwaltungsreform. Hier wünschen sich die Sozialpartner in einem ersten Schritt mehr Autonomie
für die einzelnen Schulen und in einem zweiten Schritt eine echte Neuregelung der Kompetenzen zwischen Bund
und Ländern. "Klar ist, dass wir auf gewachsene Strukturen Rücksicht nehmen müssen. Aber wir
können nicht darin verharren sondern müssen uns den neuen Veränderungen stellen", meinte der
WKÖ-Präsident.
Foglar:
Mehr Geld für Weiterbildung nötig
"Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zeigt sich, dass Bildung der Schlüssel zu Arbeitsplatzsicherheit
ist", sagt ÖGB-Präsident Erich Foglar. Die Krise treffe besonders Menschen mit niedriger Qualifikation.
Die rasche Umsetzung des Arbeitsmarktpakets 2 sei daher umso wichtiger. Foglar äußerte die Sorge der
Sozialpartner darüber, dass im gesamten Bildungsbudget für den Bereich der Weiterbildung viel zu wenig
Mittel vorgesehen seien. "Um das Prinzip des lebensbegleitenden Lernens umsetzen zu können, brauchen
wir gerade hier viel mehr finanzielle Mittel."
Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Bildungswegberatung, wo die Sozialpartner der Bundesregierung erneut anboten,
auf ihre Ressourcen und Erfahrungen zurückzugreifen. "Besonders junge Frauen müssen viel besser
beraten werden, denn immer noch wählen Mädchen aus einer Vielzahl von Lehrberufen hauptsächlich
Bürokauffrau, Einzelhandelskauffrau und Friseurin." Foglar verlangt daher viel mehr Engagement, junge
Frauen auch für technische Berufe zu motivieren. "Gerade in der Krise sind Investitionen in die Bildung
wichtig und der Staat muss hier seine Verantwortung wahrnehmen", so der ÖGB-Präsident. "Investitionen
in die Bildung sind nicht die Schulden der jungen Menschen in der Zukunft, sondern im Gegenteil. Was wir jetzt
versäumen, das werden wir in wenigen Jahren schon negativ zu spüren bekommen."
Tumpel: Ganztägiges
Betreuungsangebot flächendeckend ausbauen!
Mit dem Ziel, Beruf und Familie besser zu vereinbaren, damit Frauen ihre Möglichkeiten und Chancen
besser auf dem Arbeitsmarkt ausschöpfen können, fordern die Sozialpartner den Ausbau der ganztägigen
schulischen Betreuung. "Die Nachfrage nach einem flächendeckenden Netz an Betreuungsangeboten ist groß,
dem muss auch nachgekommen werden", sagt AK Präsident Herbert Tumpel. Daher soll in einem ersten Schritt
eine Volkschule in jeder Bezirksstadt ein ganztägiges Betreuungsangebot als zusätzliche pädagogische
Unterstützung anbieten.
Dringenden Bedarf sieht der AK Präsident auch bei Investitionen in die Weiterbildung, da es immer schwieriger
wird, Weiterbildung privat zu finanzieren. Daher treten die Sozialpartner für ein kostenloses Nachholen von
Bildungsabschlüssen ein. Für Tumpel ist insbesondere das kostenlose Nachholen des Hauptschulabschlusses
wichtig, da dieser die Basis für viele andere weiterführende Ausbildungen ist. Großes Interesse
besteht auch an der Berufsreifeprüfung, bei der viele an den zu hohen Kosten scheitern.
Mit einem neuen Qualifizierungsstipendium soll eine Lücke in der Weiterbildung geschlossen werden. Tumpel:
"Es gibt viele, die sich gerne weiterbilden würden, aber ohne Unterstützung nicht ihren Lebensunterhalt
bestreiten können. Das ist eine Zielgruppe von Menschen, die nicht arbeitslos sind und daher keine Hilfe durch
das Arbeitsmarktservice bekommen und auch im sonstigen Stipendiumsystem keine Unterstützung finden. Denen
muss geholfen werden."
Schultes: Durchlässigkeit
in den Ausbildungssystemen erhöhen
"Wir verlangen, dass für die land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildung die Voraussetzung
für eine erhöhte Durchlässigkeit zwischen den Ausbildungssystemen geschaffen und das Gesetzgebungsverfahren
bundesweit vereinfacht wird. Für praktizierende Landwirte muss es einfacher möglich gemacht werden, Bildungsabschlüsse
im zweiten Bildungsweg nachzuholen. Außerdem muss der Berufsabschluss für Absolventen landwirtschaftlicher
Fachschulen unmittelbar nach Schulabschluss ermöglicht werden", verlangt der Vizepräsident der Landwirtschaftskammer,
Schultes.
Auch die Verwandtstellung von landwirtschaftlichen mit gewerblichen Lehrberufen, z. B. Gartenbau mit Florist und
Landschaftsgärtner, solle erleichtert werden, so Schultes. Schließlich sollen land- und forstwirtschaftliche
Tätigkeiten als Voraussetzung für die Lehrbetriebsanerkennung durch entsprechende gesetzliche Anpassungen
möglich gemacht und die Lehrstellenförderung in der Landwirtschaft vertraglich abgesichert werden. |
Schmied begrüßt Reformimpuls der Sozialpartner
Die Sozialpartner sind wichtige Bildungspartner
Wien (bmukk) - Bildungsministerin Claudia Schmied begrüßt die bildungspolitischen Impulse
der Sozialpartner: "Die Sozialpartner sind meine Partner für eine faktenorientierte Bildungspolitik im
Interesse der Kinder, der Eltern, der Wirtschaft und des gesamten Landes", so Schmied. "Es ist erfreulich,
dass unsere Ansätze in den zentralen Fragen der Verwaltungsreform, der ganztägigen Schulangebote, der
neuen Lehrerausbildung, des Nachholen von Bildungsabschlüssen, der Verbesserung der sozialen Durchlässigkeit
und des lebensbegleitenden Lernens in die selbe Richtung gehen. Wir werden weiterhin gemeinsam Schritt für
Schritt konsequent daran arbeiten, dass die öffentlichen Schulen leistungsstark und wettbewerbsfähig
sind: Die Zeit der Umsetzung ist gekommen", so Schmied abschließend. |
Riemer: Hohe Erwartungen an bildungspolitischen Herbst
IV begrüßt neuerlichen Anstoß der österreichischen Sozialpartner
zur Bildungsreform - Weichen für Wettbewerbsfähigkeit bereits heute stellen
Wien (pdi) - "Die Industrie unterstützt den heutigen Vorstoß der Sozialpartner zum
Zukunftsthema Bildung. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bedarf es Themen, die den Produktionsstandort
Österreich so nachhaltig wie Bildung betreffen, ins Zentrum der Politik gerückt werden", betonte
der Bereichsleiter Bildung, Innovation & Forschung der Industriellenvereinigung (IV) Dr. Gerhard Riemer. "Auch
wenn die Bewältigung der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise derzeit im Vordergrund stehen muss,
gilt es, die Weichen für die Wettbewerbsfähigkeit danach bereits heute zu stellen", so Riemer weiter
"Österreich braucht als immer noch wohlhabendes Land eines der besten Bildungssysteme der Welt. Hier
wäre es sinnvoll, die vorliegenden IV-Strategien, wie zum Beispiel Schule 2020, politisch umzusetzen",
betonte Riemer. Schwerpunkte dieses Programms sind die Autonomie für die einzelnen Schulen, Lehreraus- und
Weiterbildung und die Verbreiterung der naturwissenschaftlichen und technischen Kompetenzen. Auch bei den Rahmenbedingungen
für die Hochschulstrategie Neu der kürzlich beschlossenen UG-Novelle 2009 sieht Riemer Verbesserungspotenzial,
das die IV bereits in ihrer Gesamtstrategie angesprochen hat. Diese beinhaltet die Umsetzung der Bologna-Struktur
im österreichischen Hochschulsystem und die Erarbeitung sowohl einer Gesamtstrategie für den Hochschulsektor
als auch neuer Wege der Hochschulfinanzierung. |