Wiener Geschichtsblätter: Aufsätze über "Weltstadt"-Strategien   

erstellt am
10. 08. 09

Wien (rk) - Der Werdegang eines Denkmals für Otto Wagner, museale Fotosammlungen nicht nur als Arbeitsinstrument und die Reportage des deutschen Journalisten Julius Rodenberg über Wiens einzige Weltausstellung von 1873 sind die Themen der jüngsten Ausgabe der Wiener Geschichtsblätter (2/09). Allen drei gemein ist nicht nur der Zeitraum, die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, auch inhaltlich sind diesmal die drei Aufsätze klug für eine Meditation über das Bemühen Wiens "Weltstadt" zu werden, zusammengestellt.

610.000 Einwohner zählte Wien im Jahr 1873, als im Prater die nach London und Paris größte Weltausstellung über die Bühne ging. Auch damals ging es - noch ohne Mercer Studie - darum, in der Expansionsphase europäischer Metropolen mitzuhalten. Wien matchte sich damals vor allem mit Berlin, wiewohl die gigantisch anmutenden Investitionen vor allem im Kulturbereich - Stichwort: Kunsthistorisches Museum und Ringstrassenbauten - klar anzeigten, dass sich Wien was Kunst und Kultur anging, von Beginn an auch mit London und Paris zu messen bereit war. Der Historiker Peter Payer illustriert jene heiße Phase der Wiener Stadtgeschichte sehr anschaulich mit Rodenbergs als Buch erschienenen "Wiener Sommertagen" von 1875. Dass Wiens Zug zur Weltstadt immer auch ein Wörterkampf war und ist, immer auch eine geschickt geführte Pressearbeit voraussetzt, zeigt Payer detailreich auf: Wenn damals angereiste Journalisten deutscher Feuilletons und Zeitungen konstatieren, dass Wien "endgültig den Übergang zur Weltstadt" geschafft habe, erinnert das nicht von ungefähr an die heutige Zeit, die mit "neuer Städtekonkurrenz" oder "globaler Aufmerksamkeit" ein Wortspiel weiterführt, das vor gut 150 Jahren Einzug gehalten hat.

Weltstadt-Strategien brauchen im Hintergrund immer große Werkstätten. Daran erinnert Julia Rapp mit ihren "Anmerkungen zur Albert Amadei-Fotosammlung des Kunsthistorischen Instituts der Wiener Universität". Neben einer ausführlichen ungarisch- bürgerlichen Familiengeschichte geht es dabei auch um besagte 800 Bilder umfassende Fotosammlung, die damals als Datenbank für wissenschaftliche Kuratoren der Kunstgeschichte diente. Zugleich, und dies macht Rapps Aufsatz besonders interessant, erinnert der Aufsatz an die damalige institutionell-staatliche Etablierungsphase der Kunstgeschichte in Wien, die in weiterer Folge auch mit den "Weltstadt"-Absichten Wiens bestens harmonierte. Überspitzt geht es um eine "MQ"-Gründungsdebatte zu Urgroßvaters Zeiten mitsamt Beharren auf technischer Ausrüstung und Einführung moderner Standards. Dass die "state of the art"- Silbergelee-Fotos heute längst antiquarisch sind, ändert wenig an der Aktualität seinerzeit geführten Debatten.

Wie Wien mit dem Gedenken an einen Architekten von Weltrang wie Otto Wagner (1841-1918) umging, daran erinnert der kürzeste, aber ebenso lesenswerte Aufsatz von Andreas Nierhaus vom Wien Museum. Konkret geht es um "Josef Hoffmanns Denkmal für Otto Wagner". Neben der Entwurf- und Werkgeschichte Josef Hoffmanns - das klotzig wirkende Original konnte vor kurzem das Wien Museum erwerben - behandelt Nierhaus die Wirkungsgeschichte der Wagner- Schule auf Nachfolger, wie etwa Bauhaus und Werkbund. Dass Weltstadt-Strategien verkümmern können, zeigt der Werdegang des Wagner-Denkmals exemplarisch: 1930 noch bewusst in die nicht umgesetzte Achse des Kaiserforums am Heldenplatz errichtet, musste das Denkmal schon bald einem geplanten Dollfuß-Denkmal weichen. Erst 1959 kam es zur Wiederaufstellung des Hofmannschen Entwurfes in der Markatgasse. Damals waren Weltstadt-Überlegungen freilich längst passé, die "moderne Großstadt" dafür en vogue. Erst in den 1980er Jahren sollte sich das wieder ändern.

* Verein für Geschichte der Stadt Wien (Hg.), Wiener
Geschichtsblätter, 64. Jahrgang, Heft 2/2009,
Lit-Verlag (
http://www.lit-verlag.de )
     
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