Arbeitsmarkt  

erstellt am
14. 08. 09

Hundstorfer: Neue Arbeitszeitregeln - weniger Überstunden - mehr Arbeitsplätze
Drei Viertel der Menschen die Überstunden leisten, wünschen sich eine Reduktion ihrer Arbeitszeit
Wien (sk) - "Österreichs Vollzeitarbeitskräfte leisten im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viele Wochenüberstunden. Mit durchschnittlich 42,9 Stunden pro Woche lag Österreich 2008 im EU-Vergleich an oberster Stelle", erklärte Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer am 13.08. in einer Pressekonferenz zum Thema "Neue Arbeitszeitregeln - weniger Überstunden". Würde man alle in diesem Jahr voraussichtlich geleisteten Überstunden (ca. 370 Millionen) auf Vollarbeitsplätze umlegen, so ergäben sich daraus rund 180.000 Vollzeitäquivalente. Der Arbeitsminister sprach sich deutlich für Maßnahmen zum Abbau von Überstunden aus und betonte, dass er "die Diskussion mit den Sozialpartnern" bereits eröffnet habe.

"Trotz Wirtschaftskrise, Kurzarbeit und steigender Arbeitslosigkeit bleibt in Österreich die Zahl der Beschäftigten mit Überstunden auf hohem Niveau", so Hundstorfer, der weiter ausführte, dass von den 3,4 Millionen unselbstständig Beschäftigten im ersten Quartal 730.000 Überstunden geleistet hätten. Von diesem Personenkreis leiste jeder Dritte (245.000) mehr als zehn Überstunden und 120.000 Beschäftigte sogar mehr als 15 Überstunden pro Woche. "Und rund 27 Prozent der Stunden bleiben unbezahlt", kritisierte der Arbeitsminister. Drei Viertel der Menschen die Überstunden leisten, würden sich eine Reduktion ihrer Arbeitszeit wünschen.

Maßnahmen zum Abbau von Überstunden
"Wenn in Österreich die durchschnittlich tatsächlich geleistete Arbeitszeit auf den EU-27-Durchschnitt gesenkt werden könnte, also von 42,9 auf 41 Stunden, wären zusätzlich knapp 130.000 Vollzeitäquivalente möglich", so Hundstorfer, der betonte, dass dadurch der für 2010 prognostizierte Beschäftigungsrückgang zumindest gestoppt werden könnte. Hundstorfer räumte ein, dass er "kein Illusionist" sei und man die Überstunden nicht "ad hoc abschaffen" könne, formulierte aber klare Maßnahmen zum Abbau von Überstunden. Hundstorfer betonte, dass er die zulässigen Überstunden reduzieren, die wöchentliche Höchstarbeitszeit einschränken und All-In-Verträge, die ursprünglich nur für Menschen in Führungspositionen gedacht gewesen wären, nun aber quer durch alle Branchen üblich zu sein scheinen, "auf ihre ursprüngliche Bestimmung zurückdrängen" wolle. Hundstorfer sprach sich weiters für die Einbeziehung von Freien DienstnehmerInnen ins Arbeitszeitgesetz und für höhere Strafen bei manipulierten Zeiterfassungssystem aus. In der Europäischen Union werde im Schnitt 41,0 Stunden pro Woche gearbeitet, in Dänemark liege der Schnitt sogar nur bei 39,1 Stunden. "Die meisten unserer europäischen Handelspartner haben geringere Arbeitszeiten und sind trotzdem nicht weniger produktiv", führte Hundstorfer weiter aus. Eine Studie des IFES (Institut für empirische Sozialforschung GmbH) ergab, dass viele Menschen in Österreich viel zu viele Überstunden leisten würden und Zeitdruck und Überbeanspruchung zunehmend als Belastungsfaktor empfunden würden.

Beinahe eine Million, und damit fast jeder Dritte Beschäftigte gibt dies mittlerweile als belastenden Faktor an. Beschwerden wie Rückenschmerzen, Migräne aber auch Burnouts würden zunehmen. "Wir sehen diese Diskussion als Chance für eine neue Arbeitzeitkultur im Interesse aller. Es geht uns darum die Menschen im Erwerbsleben gesund zu erhalten, neue Arbeitsplätze zu schaffen und unsere Unternehmen noch produktiver zu machen", so Hundstorfer abschließend.

 

Kickl: Sozialminister als Arbeitszeitverkürzer Unglaubwürdigkeit in Person
SPÖ bisher braver Einpeitscher in Sachen Verlängerung der Arbeitszeit
Wien (fpd) - "SPÖ-Sozialminister Hundstorfer ist mit seinem Vorstoß, durch die Reduktion von Überstunden neue Arbeitsplätze schaffen zu wollen, die Unglaubwürdigkeit in Person. Sowohl als Gewerkschaftspräsident als auch in seiner bisherigen Tätigkeit als Sozialminister hat er nämlich den Unsinn der sogenannten 'Flexicurity' massiv unterstützt und die volle Flexibilisierung der Arbeitszeit, die im Grunde auf eine Ausweitung hinausläuft, inklusive Überstundenregelungen als Allheilmittel zur Arbeitsplatzsicherung angepriesen", so FPÖ-Generalsekretär und Arbeitnehmersprecher NAbg. Herbert Kickl zum neuen "Überstunden-Modell" des Sozialministers. Derselbe, der vor einem Jahr, also schon im Bewusstsein der Krise, seinen Sanktus zur Verlängerung der Arbeitszeit gegeben habe, trete jetzt für das Gegenteil ein.

Tatsache sei jedenfalls, dass die SPÖ in den letzten zweieinhalb Jahren bei allen einseitigen Verschlechterungen für Arbeitnehmer, die unterm Strich auf die Einführung des Prinzips "Leben, um zu arbeiten" statt "Arbeiten, um zu leben" hinauslaufen würden, federführend mitgewirkt habe. So habe man etwa locker die Bereitschaft gezeigt, die Zerstörung von familiären und gesellschaftlichen Strukturen genauso in Kauf zu nehmen wie gesundheitliche Risiken durch ausgedehnte und unregelmäßige Arbeitszeiten, so Kickl weiter. Eine Reduktion der Arbeitszeit sei prinzipiell durchaus überlegenswert, allerdings dürfe das Faktum der Einkommensnotwendigkeit nicht außer Acht gelassen werden. Denn leider bedeute in Österreich Vollzeitarbeit noch lange nicht, dass man damit auch ein volles Auskommen für seinen Lebenserhalt hätte. Ein Faktum, das Hundstorfer - genauso wie die Problematik der atypisch Beschäftigten - wohl vergessen habe, sei nämlich, dass viele Arbeitnehmer infolge der verfehlten Lohnpolitik der Gewerkschaft und der Regierung über ein so geringes Einkommen verfügten, dass sie zum Auskommen für sich und ihre Familien inzwischen ein gewisses Maß an Überstunden benötigen würden. Dieses Problem müsse mitbedacht werden, wenn man über eine Reduktion diskutiere.

"Dass Hundstorfer auf Kosten der Hoffnungen von Arbeitslosen eher an einem PR-Gag als an einer wirklichen Lösung interessiert ist, zeigt ja schon seine Aussage, dass er keine Ergebnisse, sondern nur einen Diskussionsprozess haben will", schloss Kickl.

 

  Schatz: Maßnahmen gegen Überstundenexplosion längst überfällig
SPÖ fährt Zick-Zack-Kurs in der Arbeitszeitpolitik
Wien (grüne) - "Arbeitsminister Hundstorfer hat völlig Recht: Das hohe Maß an Überstunden, das die ArbeitnehmerInnen in Österreich leisten, ist für den Großteil der Betroffenen und ihre Familien eine enorme Belastung. Doch warum der Ex-ÖGB-Präsident dieses Faktum erst jetzt als problematisch erkennt, wo diese Entwicklung seit Jahren zu beobachten ist, erstaunt mich schon," meint Birgit Schatz, ArbeitnehmerInnensprecherin der Grünen. Vielmehr seien in den letzten Jahren von den SPÖ-ÖVP-Regierungen laufend Maßnahmen gesetzt worden, die zur Verlängerung der real geleisteten Arbeitszeiten geführt hätten. "Vor gut einem Jahr wurden die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten hinauf gesetzt. Jetzt fordert Hundstorfer plötzlich eine Senkung. Dieser Zick-Zack-Kurs ist nicht ernst zu nehmen," so Schatz.

Die SPÖ hat sogar vor elf Monaten einer weiteren steuerlichen Begünstigung von Überstunden zugestimmt. "Auf der einen Seite setzt die Regierung finanzielle Anreize und macht Überstunden lukrativer, auf der anderen Seite wettert Minister Hundstorfer nun gegen die beschäftigungspolitische Unsinnigkeit hoher Überstunden. Eine wirkliche Logik ist in dieser politischen Linie nicht zu erkennen", so Schatz.

Die Grünen fordern seit langem Maßnahmen gegen die auch im europäischen Vergleich enorm langen und strapaziösen Arbeitszeiten der ArbeitnehmerInnen in Österreich. "Eine Verkürzung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit ist in diesem Zusammenhang ein willkommener Schritt, allerdings braucht es mehr, um die bezahlte Arbeit insgesamt gerechter zu verteilen. Notwendig sind höhere Zuschläge und auch höhere Abgaben auf Über- und Mehrstunden. Nur wenn Überstunden wirklich teuer sind, werden Arbeitgeber umdenken und zusätzliche Arbeitskräfte einstellen."

 

Kaske: Begrüßen Vorstoß zur fairen Verteilung der Arbeit
Im Niedriglohnbereich höhere Grundlöhne wichtige Voraussetzung
Wien (vida/ögb) - "Wir begrüßen, dass in der Debatte zum Thema Überstunden und Arbeitszeitverkürzung Bewegung kommt", sagt vida-Vorsitzender und ÖGB-Arbeitsmarktsprecher Rudolf Kaske zur Pressekonferenz von Sozialminister Rudolf Hundstorfer zum Thema "neue Arbeitszeitregeln - weniger Überstunden." Eine faire Verteilung der Arbeit sei dem ÖGB aus beschäftigungs- und gesundheitspolitischer Sicht ein wichtiges Anliegen. "In der Praxis ist die Reduktion der Überstunden aber nicht in allen Branchen ohne weiteres machbar. Vor allem in den Niedriglohnbranchen braucht es erst höhere Grundlöhne, damit die ArbeitnehmerInnen nicht aus finanziellen Gründen von den Überstunden abhängig sind", sagt Kaske.

Der ÖGB-Arbeitsmarktsprecher begrüßt den Vorstoß des Sozialministers zur Einschränkung der All-in-Verträge und zum Einbezug der freien DienstnehmerInnen in das Arbeitszeitgesetz. "Wir haben wiederholt gefordert, dass freie DienstnehmerInnen in das Arbeitszeitgesetz einbezogen werden so wie sie überhaupt in die Schutzbestimmungen des Arbeitsrechts einbezogen werden müssen." Ebenso werden von der Gewerkschaft höhere Strafen bei Manipulation der Zeiterfassungssysteme für notwendig erachtet.

Auch das Anliegen des Sozialministers, die zulässigen Überstunden zu reduzieren, gehe in die richtige Richtung. "Zwischen den einzelnen Branchen gibt es hier sehr große Unterschiede, sowohl was die Häufigkeit von Überstunden als auch das Lohnniveau betrifft. Im Niedriglohnbereich kommen derzeit viele ohne das Leisten von Überstunden nicht über die Runden." Eine deutliche Anhebung des Grundentgelts sei hier Voraussetzung, um die Arbeitszeitverkürzung lebbar zu machen. "Wir begrüßen, dass die Debatte über die Umverteilung der Arbeit durch die heute präsentierte Umfrage des Sozialministeriums neue Impulse erhält. Das Thema wird bei den Kollektivvertragsverhandlungen von den Gewerkschaften sicher aufgegriffen werden."  

 

Gleitsmann: Überstunden sichern Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe
WKÖ hält Überstundenreduktion für kontraproduktiv, Begrenzung wäre zu Lasten der Unternehmen und Arbeitnehmer
Wien (pwk) - Für kontraproduktiv hält Martin Gleitsmann, Leiter der Sozialpolitischen Abteilung in der Wirtschaftskammer Österreich, die Vorschläge des Sozialministers, mit dem Abbau von Überstunden Jobs zu schaffen: „Die Vorschläge des Sozialministers engen die Flexibilität der Betriebe ein. Nur wenn diese rasch Aufträge annehmen können, sind sie international wettbewerbsfähig. Die Möglichkeit von Überstunden hat in den vergangenen Jahren zum Jobwachstum beigetragen. Eine Begrenzung etwa von zulässigen Überstunden bzw. von Höchstarbeitszeit wäre ein Rückschritt zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und auch der Arbeitnehmer, die dann weniger verdienen würden.“

Dass ein Abbau von Überstunden in Österreich auf das Niveau von Dänemark über 80.000 neue Jobs schaffen könnte, hält Gleitsmann für eine „Milchmädchenrechnung“. Er gibt im Gegenteil zu bedenken, dass der derzeit stattfindende Abbau der vorhandenen Überstunden dazu beigetragen habe, dass Österreich in Europa die zweitniedrigsten Arbeitslosenzahlen halten kann. Gleitsmann: „Die Betriebe verwenden derzeit das flexible Instrument der Überstunden mit Durchrechnungszeiträumen zur Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen.“

Arbeitszeitgestaltung ist wichtigstes Instrument bei der Krisenbewältigung
Eine Studie von Deloitte Human Capital und XIMES belegt, dass die Arbeitszeitgestaltung bei der Krisenbewältigung das wichtigste Instrument in den Betrieben darstellt. Bei den krisenbedingten Arbeitszeitmassnahmen stehen der Abbau von Urlaubsguthaben und von Zeitguthaben an der Spitze. Eine flexible Arbeitszeitgestaltung wird als relevanter Beitrag zur Beschäftigung im eigenen Unternehmen gesehen. Eine Einschränkung betrieblicher Spielräume führt nicht zu höherer Produktivität und Beschäftigung. Im Gegenteil: Gerade jetzt sollten die durch die jüngste Arbeitszeitnovelle geschaffenen Spielräume durch kollektivvertragliche Umsetzung genutzt werden, um Arbeitnehmern und Unternehmen die Bewältigung der Krise zu erleichtern und eine Zunahme der Arbeitslosigkeit zu verhindern.

Was die gesundheitlichen Aspekte von Überstunden betrifft, verweist Gleitsmann auf das Interesse der Betriebe an gesunden Mitarbeitern. Betriebliche Gesundheitsförderung werde von immer mehr Betrieben als Erfolgsfaktor erkannt. Seit Jahren reduziert sich die Zahl der Krankenstandstage. 

 

 Tumpel: Überlange Arbeitszeiten gefährden die Gesundheit
Überstundenabbau kann zusätzlich Beschäftigung schaffen
Wien (ak) - Österreichs Erwerbstätige müssen im EU-Vergleich am längsten arbeiten: Mit knapp 43 Stunden/Woche (2008) kommen sie auf die höchsten durchschnittlich geleisteten Wochenarbeitszeiten in der EU. Ein Drittel davon wird von den ArbeitgeberInnen nicht einmal bezahlt. Trotz der aktuellen Wirtschaftskrise, die sich in beträchtlichen Auftragsrückgängen, steigender Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit niederschlägt, muss auch heuer jede/r 5. Arbeitnehmer/in regelmäßig Überstunden leisten. Überzogene Arbeitsbelastungen führen zu massiven gesundheitlichen Problemen und kosten außerdem enorm viel Geld. Im "Fehlzeitenreport 2008" berechnete das WIFO für alle Krankenstände 12,7 Milliarden Euro an jährlich anfallenden Kosten (direkte und indirekte betriebswirtschaftliche Kosten sowie Gesundheitsausgaben). "Diese Dauerbelastung, die oft einseitig von den Unternehmen eingefordert wird, gefährdet die Beschäftigungsfähigkeit und den Gesundheitszustand der ArbeitnehmerInnen. Ein Abbau chronischer Überstundenleistung kann auch mehr Beschäftigung schaffen. Das wäre gerade in der Krise notwendig", sagt AK Präsident Herbert Tumpel.

Dauerhafter Zwang zur Überstundenleistung belastet auch das Familienleben und erschwert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wegen der physischen Überbeanspruchungen steigen ferner die psychischen Verschleißerscheinungen wie z.B. Burn-outs. Auch aus gesundheitspolitischer Sicht, erscheint eine Diskussion über die Reduktion von regelmäßig anfallenden Überstunden daher als unabdingbar.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament vertretenen Parteien –
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