RUB-Forscher weisen Depot-Eisen-Protein Ferritin in Hirnnervenzellen nach - Mögliche Erklärung
für das Absterben dopaminerger Zellen
Bochum (universität) - Bei der Parkinson-Krankheit sterben im Gehirn bevorzugt die Nervenzellen
ab, die den Botenstoff Dopamin herstellen. Betroffen sind die Zellen der sog. Substantia Nigra, die den dunklen
Farbstoff Neuromelanin enthalten. Von diesen Zellen ist auch bekannt, dass sie im Verlauf einer Parkinson-Erkrankung
vermehrt Eisen anhäufen. Auf der Suche nach den Details dieser Prozesse haben Bochumer Forscher um Prof. Dr.
Katrin Marcus gemeinsam mit Münchner und Würzburger Kollegen jetzt einen entscheidenden Fund gemacht:
Sie wiesen erstmals Ferritin in den Neuromelanin-Körnchen der betroffenen Nervenzellen nach. Ferritin ist
ein Eisen-Depot-Protein, das bislang nur in Stützzellen des Gehirns, nicht aber in Nervenzellen nachgewiesen
worden ist. Sie berichten im Journal Molecular & Cellular Proteomics.
Dunkle Hirnsubstanz verblasst bei Parkinson
Bei der Untersuchung eines menschlichen Gehirns zeigt sich in Arealen des Hirnstamms eine auffallend dunkle
Färbung der Substantia nigra und des Locus coeruleus. Ursache dafür ist das bläulich bis braun-schwarze
Pigment Neuromelanin, das nur im Gehirn von Menschen und einigen Säugetieren (Primaten, Kühe, Pferde,
einige Schafrassen) vorkommt. Die Forschung ist am Neuromelanin besonders deswegen interessiert, weil bei Parkinson-Patienten
die Substantia Nigra verblasst: Der Farbstoff kommt vor allem in den dopaminergen Nervenzellen vor, die bei Parkinson
vorwiegend absterben. Dopamin ist ein wichtiger neuronaler Botenstoff. Gehen dopaminerge Zellen zugrunde, führt
das z.B. zu einer gestörten Bewegungsabstimmung. Das wiederum ruft die typischen Symptome der Parkinson-Krankheit
hervor, wie Ruhetremor, zunehmende Schwierigkeiten beim Stehen sowie der Koordination allgemeiner Körperbewegung.
Schutzwirkung durch Eisen-Abfang
Nachdem die Bochumer Forscher gemeinsam mit Würzburger Kollegen die Zusammensetzung und Herstellung
von Neuromelanin-Körnchen vor vier Jahren aufklären konnten, gingen sie jetzt dem Innenleben der Neuromelanin-Körnchen
weiter auf den Grund. Hintergrund ihres aktuellen Fundes ist, dass bei Parkinson-Patienten zusätzlich zum
selektiven Absterben der dopaminergen Nervenzellen in der Substantia Nigra eine Anhäufung von Eisen-Ionen
(Fe3+) auffällt. Die Selbstregulation des Eisengehalts ist also gestört - je weiter die Krankheit fortgeschritten
ist, desto stärker. Erhöhte Mengen an freiem Fe3+ führen u.a. zur gesteigerten Bildung von zellschädlichen
freien Radikalen, was letztlich zum Absterben der Zellen führt. Neuromelanin ist in der Lage, Eisen-Ionen,
wie auch andere Schwermetalle, zu binden. Lange war unklar, ob der Farbstoff durch das "Abfangen" von
Eisen-Ionen die Zellen schützt, oder sie durch das Ansammeln von Eisen erst recht verwundbar macht. Forschungsergebnisse
der letzten Jahre deuten eher darauf hin, dass Neuromelanin vor allem eine Schutzwirkung für die Nervenzellen
hat.
Zusätzlicher Eisenspeicher-Weg
In der aktuellen Arbeit gingen die Forscher daher der Frage nach, ob es neben der direkten Bindung von
Fe3+ an Neuromelanin noch einen weiteren Mechanismus der Eisenspeicherung in der Substantia Nigra geben könnte.
Mit einer Kombination verschiedener Techniken (eindimensionale SDS-Gelelektrophorese, zielgerichtete massenspektrometrische
Analyse, Westernblotanalyse sowie Immun-Transmissionselektronenmikroskopie) konnten sie nun erstmals Ferritin in
den Neuromelanin-Granula nachweisen. Dieses wichtige Eisenspeicher-Protein war bisher im menschlichen Gehirn nur
in Stützzellen (Gliazellen) nachgewiesen worden, nicht aber in Nervenzellen.
Neue Hypothesen zur Parkinson-Entstehung
"Das Ferritin in den Neuromelanin-Granula ist unseres Erachtens ein weiterer wichtiger Bestandteil
der Eisen-Selbstregulation in der Substantia Nigra", folgert Katrin Marcus. "Dieser erste direkte Nachweis
von Ferritin in den Neuromelanin-Granula der dopaminergen Nervenzellen ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines
verbesserten Verständnisses des Eisenstoffwechsels der menschlichen Substantia Nigra und liefert Argumente
für neue Hypothesen, die die Mechanismen der Eisen-gesteuerten Degeneration der Substantia Nigra bei der Parkinson-Krankheit
betreffen." Derzeitige Arbeiten der Forscher sollen weitere offene Fragen klären: Wie z.B. ändert
sich die Zusammensetzung der Neuromelanin-Granula während des Alterns und im Laufe der Parkinson-Erkrankung?
Was ist die genaue Funktion des Neuromelanin in der Zelle? Warum sterben nur die Neuromelanin-enthaltenden Zellen
der Substantia Nigra?
Kooperationspartner und Förderer
Die Forschungsarbeiten, die Prof. Dr. Katrin Marcus, Prof. Dr. Helmut E. Meyer, Dr. Florian Tribl und Dr.
Elmar Langenfeld vom Medizinischen Proteom-Center der Ruhr-Universität Bochum zusammen mit der Julius-Maximilians-Universität
Würzburg (Prof. Dr. Manfred Gerlach, Prof. Dr. Peter Riederer, Prof. Dr. Esther Asan, Prof. Dr. Thomas Tatschner,
Prof. Dr. Gerhard Bringmann) und der Ludwig-Maximilians Universität München (Dr. Thomas Arzberger) durchführen,
wurden durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften, das BrainNet Europe, die Deutsche Parkinson
Vereinigung und das Bundesforschungsministerium (BMBF, Programme NGFN2 und NGFNplus) gefördert.
Titelaufnahmen
Tribl F, Asan E, Arzberger T, Tatschner T, Langenfeld E, Meyer HE, Bringmann G, Riederer P, Gerlach
M, Marcus K. Identification of L-ferritin in neuromelanin granules of the human substantia nigra - a targeted proteomics
approach. Mol Cell Proteomics 2009; 8:1832-38, doi:10.1074/mcp.M900006-MCP200
Publikation 2005: Tribl F, Gerlach M, Marcus K, Asan E, Tatschner T, Arzberger T, Meyer HE, Bringmann G, Riederer
P. "Subcellular proteomics" of neuromelanin granules isolated from the human brain. Mol Cell Proteomics.
2005;4(7):945-57 |