Aus Holz wird Strom und Diesel   

erstellt am
24. 08. 09

Reaktoren, die aus Biomasse zugleich Wärme, Strom, Treibstoff und Grundstoffe für die chemische Industrie erzeugen, entwickeln Hermann Hofbauer und sein Team an der TU Wien
Wien (tu) - In den burgenländischen Gemeinden Güssing und Oberwart stehen Pilotanlagen für völlig neuartige Zwitter aus Kraftwerk und chemischer Fabrik. Unter dem Begriff Polygeneration werden dort die Erzeugung von Strom und Wärme mit der Produktion der Synthesegase Wasserstoff und Kohlenmonoxid kombiniert. Ausgangsstoff dafür ist Biomasse, die entstehenden chemischen Komponenten können vor Ort zu künstlichen Brennstoffen wie Erdgas und flüssigen Treibstoffen wie hochwertigem Diesel weiter verarbeitet werden. "Wir bringen die klassischen Kraft-Wärme-Kopplungen mit ihrem hohen Wirkungsgrad mit chemischen Reaktoren in einer einzigen Anlage zusammen", erklärt Hermann Hofbauer, Professor am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften der Technischen Universität Wien. "Mit unserer Technologie erreichen wir sehr hohe Wirkungsgrade von über 80 Prozent.

Dabei können wir die Ausbeute an den Endprodukten Strom, Wärme, Synthesegas und Treibstoff je nach aktuellem Bedarf abstimmen und so auf kurzfristige Markterfordernisse eingehen."

Auch Synthese von Kunststoffen möglich
Die neue Technologie kombiniert mehrere bereits bekannte Techniken, die wichtigste ist das sogenannte Fischer-Tropsch-Verfahren, das schon in den 1920er Jahren entwickelt wurde. "Ursprünglich wurde dabei Kohle unter hohen Temperaturen zu Kohlenmonoxid und Wasserstoff vergast, das entstehende Gas wurde zu flüssigen Treibstoffen weiterverarbeitet", erklärt Hofbauer das Prinzip. Mit dem Aufkommen von Erdgas und Erdöl wurde diese Technik damals bald kommerziell uninteressant. "Wir greifen das Prinzip in unseren Anlagen wieder auf, mit dem großen Unterschied, dass wir Biomasse statt Kohle verwenden. Damit steigen wir in einen regenerativen Kreislauf ein, der von fossilen Energieträgern unabhängig ist und dadurch auch die CO2-Bilanz entlastet", sagt Hofbauer. Erst Ende 2008 gelang den TU-Forschenden in Güssing die Erzeugung von hochreinem Methangas aus Biomasse, das fossiles Erdgas direkt ersetzen könnte. "Auch die Synthese von Kunststoffen wäre möglich, das ist derzeit aber noch
Zukunftsmusik", sagt Hofbauer.

Konferenz Anfang September in Wien
Eine Konferenz mit dem Titel International Conference on Polygeneration Strategies (ICPS 09), die vom 1. bis 4. September 2009 an der TU Wien stattfinden wird, wird Forschende aus der ganzen Welt zum Austausch aktueller Konzepte und Erfahrungen nach Wien bringen. "Wir erwarten an die 150 Teilnehmer aus Europa, den USA, Japan und Korea", sagt Hofbauer, der die ICPS 09 gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus seinem TU-Team organisiert hat.

TU Wien forscht in führender Position
Die Polygeneration ist ein weltweit boomender Forschungszweig. Hermann Hofbauer ist ein international anerkannter Pionier auf diesem Gebiet und Entwickler eines neuen Verfahrens, genannt Wirbelschicht-Dampfvergasung, das in den burgenländischen Anlagen getestet und im Alltagsbetrieb bereits angewendet wird. "Mit unserer Technik sind wir mindestens europaweit führend", ist Hofbauer überzeugt. "Die USA und Japan sind auf diesem Gebiet zwar auch sehr aktiv, dort liegt das Augenmerk aber primär auf der Erzeugung von Ethanol oder der Verwertung von Abfallstoffen", erklärt der TU-Forscher. Die nächsten europäischen Anlagen, die nach Hofbauers Verfahren der Polygeneration funktionieren, sind in Villach und im deutschen Ulm geplant.

Konferenz: ICPS 09 - International Conference on Polygeneration Strategies
1.-4. September 2009
     
Informationen: http://www.icps09.org    
     
zurück