Trickreiche Tumorzellen   

erstellt am
24. 08. 09

Den Schlichen des Prostatakarzinoms auf der Spur
Innsbruck (universität/scinews) - Tumorzellen sind schlau, wenn es darum geht ihr Überleben und ihr Wachstum zu sichern. Die Zellen des Prostatakarzinoms, des häufigsten, bösartigen Tumors beim Mann, tricksen gezielt den Körper aus. Raffiniert umgehen sie nach einer bestimmten Zeit die Hormontherapie. Sie entschärfen so jene Waffe, die die Medizin bisher vorwiegend gegen die fortgeschrittene Form dieses Krebses einsetzt. Den Tricks des Prostatakarzinoms ist eine junge, internationale Forschergruppe unter Innsbrucker Leitung auf der Spur.

Jeder zehnte Europäer wird im Laufe seines Lebens mit der Diagnose "Prostatakrebs" konfrontiert; über 1200 Männer in Österreich sterben daran jährlich. Das Karzinom der Vorsteherdrüse (Prostata) ist bei Männern nach Lungen- und Darmkrebs die häufigste Krebstodesursache. Männliche Sexualhormone (Androgene) spielen bei der Entwicklung dieses Tumors eine Schlüsselrolle. Entartete Zellen in der Prostata benötigen den Androgenrezeptor zur Stimulation ihres ungebremsten Wachstums. Bereits seit den 1960er Jahren setzt die Medizin daher Hormone ein, um den Androgen-Rezeptor in den Tumorzellen abzuschotten und das unkontrollierte Zellwachstum in der Prostata so zu hemmen. Allerdings haben sie dabei bis vor Kurzem nicht mit der Lernfähigkeit der Tumorzellen gerechnet.

Tumorzellen taktieren
"Die Hormontherapie funktioniert allerdings zeitlich sehr begrenzt. Nach rund zwei Jahren werden alle Patienten, bei denen der Tumor bereits gestreut hat, gegen die Therapie resistent. Grund dafür ist, dass die Tumorzellen äußerst wehrhaft und trickreich sind. Sie aktivieren die Rezeptoren für männliche Sexualhormone, die sie für ihr Wachstum und ihr Überleben benötigen, auf den Zellen der Prostata sozusagen über die Hintertüre, über andere Signalwege," erklärt Prof. Zoran Culig von der Universitätsklinik für Urologie der Medizinischen Universität Innsbruck. Culig und seine durchwegs junge Forschungsgruppe sind in Zusammenarbeit mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung in Wien diesen Schlichen der Tumorzellen auf der Spur.

"Die Tumorzellen lernen, über entzündungsfördernde Zytokine und androgenrezeptor-assoziierte Proteine die hormonelle Therapie auszutricksen. Sie suchen sich alternative Aktivierungswege durch Kooperation mit anderen Signalwegen des zellulären Regulationsnetzwerkes bis hin zu einer Dysregulation von co-regulatorischen Molekülen," sagt Culig. Dies heißt einfach erklärt, zwar ist der Androgenrezeptor, den die Krebszelle als Stimulanz für ihr Wachstum braucht, durch die Hormontherapie lahm gelegt. Die Krebszelle kann aber mithilfe bestimmter Botenstoffe, insbesondere durch das in Entzündungsprozessen wichtige Zytokin Interleukin-6, den Androgenrezeptor dennoch aktivieren. Trotz Therapie kann der Tumor daher weiter wachsen. "Früher dachte man, Interleukin-6 wird nur von den inflammatorischen Zellen selbst gebildet. Jetzt wissen wir, je kanzerogener das Gewebe ist und je mehr Mutationen bereits aufgetreten sind, desto mehr Interleukin-6 wird in den Tumorzellen der Prostata gebildet", so Culig zu den neuesten Ergebnissen des Teams.

International wegweisende Forschung
Culig und seine Gruppe erforschen als eines weniger Teams in Mitteleuropa bei minutiöser Feinarbeit im Labor, was hinter dieser Überlebenskunst der Prostata-Tumorzellen genau steckt. Unter anderem Zusammenhänge zwischen chronischen Entzündungen und Prostatakrebs werden in Innsbruck bereits seit zehn Jahren enträtselt. Die Gruppe Culigs mit sieben Forscherinnen und Forschern im Durchschnittsalter von rund 30 Jahren gilt in diesem speziellen Forschungsbereich als eines der international renommiertesten Teams.

Gefördert werden diese Forschungen von der EU und vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF). Am Sonntag stellte sich die Gruppe erstmals in Igls bei Innsbruck einer freiwilligen Evaluierung, in deren Zuge die international renommierte Krebsbiologin Prof. Karen Knudsen von einem der weltweit führenden Zentren in der Prostatakarzinom-Forschung, der Thomas-Jefferson-University in Philadelphia (USA), der Forschungsausrichtung und den Ergebnissen der Innsbrucker Gruppe ein hervorragendes Zeugnis ausstellte.

Die neuen Erkenntnisse des Innsbrucker Teams, insbesondere auch bei der Klärung der Rolle chronischer Entzündungen im Zusammenhang mit der Entstehung und dem Voranschreiten von Prostata-Krebs sind laut Knudsen herausragend und international wegweisend. Insgesamt eröffnen nach Angaben der Top-Wisssenschaftlerin die Forschungsausrichtung des Innsbrucker Teams neue Strategien, über die das Wachstum von Tumoren kontrolliert werden könnte. Dies betreffe Tumoren aller Gewebe, in denen der Androgenrezeptor eine wichtige Rolle spiele, neben der Prostata auch Tumore des Gehirns und des Hodens.

Stichwort Prostatakrebs
Bei Prostata-Krebs ist bisher nicht vollständig geklärt, weshalb das Gewebe der Vorsteherdrüse plötzlich unkontrolliert wächst. Gesichert ist bisher die Schlüsselrolle des Androgenrezeptors bei der Entstehung solcher Tumoren. In gesunden Prostata-Zellen reguliert der Androgenrezeptor das normale Gleichgewicht zwischen Zelltod und Zellwachstum. In Prostatakrebszellen ist dieses Gleichgewicht gestört, wodurch es zu unkontrolliertem Wachstum kommt. Wird Prostata-Krebs frühzeitig erkannt, ist er gut behandelbar. Das Risiko an Prostatakrebs zu erkranken, steigt mit dem Alter an. Für Prostata-Krebs gibt es zur Früherkennung einen Tumormarker, der durch einen einfachen Bluttest Auskunft gibt.
     
zurück