Den Schlichen des Prostatakarzinoms auf der Spur
Innsbruck (universität/scinews) - Tumorzellen sind schlau, wenn es darum geht ihr Überleben
und ihr Wachstum zu sichern. Die Zellen des Prostatakarzinoms, des häufigsten, bösartigen Tumors beim
Mann, tricksen gezielt den Körper aus. Raffiniert umgehen sie nach einer bestimmten Zeit die Hormontherapie.
Sie entschärfen so jene Waffe, die die Medizin bisher vorwiegend gegen die fortgeschrittene Form dieses Krebses
einsetzt. Den Tricks des Prostatakarzinoms ist eine junge, internationale Forschergruppe unter Innsbrucker Leitung
auf der Spur.
Jeder zehnte Europäer wird im Laufe seines Lebens mit der Diagnose "Prostatakrebs" konfrontiert;
über 1200 Männer in Österreich sterben daran jährlich. Das Karzinom der Vorsteherdrüse
(Prostata) ist bei Männern nach Lungen- und Darmkrebs die häufigste Krebstodesursache. Männliche
Sexualhormone (Androgene) spielen bei der Entwicklung dieses Tumors eine Schlüsselrolle. Entartete Zellen
in der Prostata benötigen den Androgenrezeptor zur Stimulation ihres ungebremsten Wachstums. Bereits seit
den 1960er Jahren setzt die Medizin daher Hormone ein, um den Androgen-Rezeptor in den Tumorzellen abzuschotten
und das unkontrollierte Zellwachstum in der Prostata so zu hemmen. Allerdings haben sie dabei bis vor Kurzem nicht
mit der Lernfähigkeit der Tumorzellen gerechnet.
Tumorzellen taktieren
"Die Hormontherapie funktioniert allerdings zeitlich sehr begrenzt. Nach rund zwei Jahren werden alle
Patienten, bei denen der Tumor bereits gestreut hat, gegen die Therapie resistent. Grund dafür ist, dass die
Tumorzellen äußerst wehrhaft und trickreich sind. Sie aktivieren die Rezeptoren für männliche
Sexualhormone, die sie für ihr Wachstum und ihr Überleben benötigen, auf den Zellen der Prostata
sozusagen über die Hintertüre, über andere Signalwege," erklärt Prof. Zoran Culig von
der Universitätsklinik für Urologie der Medizinischen Universität Innsbruck. Culig und seine durchwegs
junge Forschungsgruppe sind in Zusammenarbeit mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung in Wien
diesen Schlichen der Tumorzellen auf der Spur.
"Die Tumorzellen lernen, über entzündungsfördernde Zytokine und androgenrezeptor-assoziierte
Proteine die hormonelle Therapie auszutricksen. Sie suchen sich alternative Aktivierungswege durch Kooperation
mit anderen Signalwegen des zellulären Regulationsnetzwerkes bis hin zu einer Dysregulation von co-regulatorischen
Molekülen," sagt Culig. Dies heißt einfach erklärt, zwar ist der Androgenrezeptor, den die
Krebszelle als Stimulanz für ihr Wachstum braucht, durch die Hormontherapie lahm gelegt. Die Krebszelle kann
aber mithilfe bestimmter Botenstoffe, insbesondere durch das in Entzündungsprozessen wichtige Zytokin Interleukin-6,
den Androgenrezeptor dennoch aktivieren. Trotz Therapie kann der Tumor daher weiter wachsen. "Früher
dachte man, Interleukin-6 wird nur von den inflammatorischen Zellen selbst gebildet. Jetzt wissen wir, je kanzerogener
das Gewebe ist und je mehr Mutationen bereits aufgetreten sind, desto mehr Interleukin-6 wird in den Tumorzellen
der Prostata gebildet", so Culig zu den neuesten Ergebnissen des Teams.
International wegweisende Forschung
Culig und seine Gruppe erforschen als eines weniger Teams in Mitteleuropa bei minutiöser Feinarbeit
im Labor, was hinter dieser Überlebenskunst der Prostata-Tumorzellen genau steckt. Unter anderem Zusammenhänge
zwischen chronischen Entzündungen und Prostatakrebs werden in Innsbruck bereits seit zehn Jahren enträtselt.
Die Gruppe Culigs mit sieben Forscherinnen und Forschern im Durchschnittsalter von rund 30 Jahren gilt in diesem
speziellen Forschungsbereich als eines der international renommiertesten Teams.
Gefördert werden diese Forschungen von der EU und vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF). Am Sonntag
stellte sich die Gruppe erstmals in Igls bei Innsbruck einer freiwilligen Evaluierung, in deren Zuge die international
renommierte Krebsbiologin Prof. Karen Knudsen von einem der weltweit führenden Zentren in der Prostatakarzinom-Forschung,
der Thomas-Jefferson-University in Philadelphia (USA), der Forschungsausrichtung und den Ergebnissen der Innsbrucker
Gruppe ein hervorragendes Zeugnis ausstellte.
Die neuen Erkenntnisse des Innsbrucker Teams, insbesondere auch bei der Klärung der Rolle chronischer Entzündungen
im Zusammenhang mit der Entstehung und dem Voranschreiten von Prostata-Krebs sind laut Knudsen herausragend und
international wegweisend. Insgesamt eröffnen nach Angaben der Top-Wisssenschaftlerin die Forschungsausrichtung
des Innsbrucker Teams neue Strategien, über die das Wachstum von Tumoren kontrolliert werden könnte.
Dies betreffe Tumoren aller Gewebe, in denen der Androgenrezeptor eine wichtige Rolle spiele, neben der Prostata
auch Tumore des Gehirns und des Hodens.
Stichwort Prostatakrebs
Bei Prostata-Krebs ist bisher nicht vollständig geklärt, weshalb das Gewebe der Vorsteherdrüse
plötzlich unkontrolliert wächst. Gesichert ist bisher die Schlüsselrolle des Androgenrezeptors bei
der Entstehung solcher Tumoren. In gesunden Prostata-Zellen reguliert der Androgenrezeptor das normale Gleichgewicht
zwischen Zelltod und Zellwachstum. In Prostatakrebszellen ist dieses Gleichgewicht gestört, wodurch es zu
unkontrolliertem Wachstum kommt. Wird Prostata-Krebs frühzeitig erkannt, ist er gut behandelbar. Das Risiko
an Prostatakrebs zu erkranken, steigt mit dem Alter an. Für Prostata-Krebs gibt es zur Früherkennung
einen Tumormarker, der durch einen einfachen Bluttest Auskunft gibt. |