"Ein Hoffnungsträger für den christlich-jüdischen
Dialog" - Appell an die politischen Kräfte, den Antisemitismus radikal zu bekämpfen
Wien (statistik austria) - Der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl hat die Verdienste des verstorbenen
ehemaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Paul Grosz, für den jüdisch-christlichen
Dialog gewürdigt. "Ich danke ihm dafür, dass er für das christlich-jüdische Gespräch
nicht nur offen war, sondern uns durch seine Art auch Mut machte", sagte Krätzl beim Begräbnis von
Paul Grosz am Montag auf dem Wiener Zentralfriedhof. Er tue dies auch im Namen von Kardinal Schönborn, der
ihn ausdrücklich darum gebeten habe, "höchste Anerkennung und Dank" für den Verstorbenen
auszusprechen.
Grosz war in der Nacht auf Sonntag im 85. Lebensjahr verstorben. Er stand der IKG von 1987 bis 1998 als Präsident
vor, zuletzt war er ihr Ehrenpräsident. In seine Amtszeit fiel u.a. die Einrichtung des Nationalfonds der
Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus.
Weihbischof Krätzl unterstrich, dass das Wirken von Grosz in jener Zeit erfolgte, in der die Kirche bemüht
war, "im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils die furchtbaren Altlasten der Geschichte einzugestehen und
ganz neue Beziehungen zum Judentum zu suchen". In aller Deutlichkeit seien alle "Hassausbrüche,
Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus" beklagt und verurteilt. Dieses Bemühen sei mit der
theologischen Wiederentdeckung der gemeinsamen biblischen Wurzeln einher gegangen. Dies sei von um so größerer
Bedeutung, so Krätzl, da "gerade religiöse Motive, durch falsche Verkündigung geschürt,
Judenhass ausgelöst und Christen mitschuldig gemacht haben". Das für Österreich besonders notwendige
Umdenken sei besonders mit den Namen von Kardinal Franz König und Prof. Kurt Schubert verbunden.
Durch sein Lebensbeispiel habe Paul Grosz gezeigt, dass jemand, "der selbst die furchtbarste Art der Verfolgung
und Ausgrenzung erlebt hat, Hoffnung ausstrahlen konnte", so Krätzl weiter. Grosz habe jahrelang im Präsidium
des "Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit" mitgetan und als Präsident
der Kultusgemeinde diese Verbindung zur "Chefsache" gemacht. Immer wieder habe Grosz Bemühungen
katholischer Einrichtungen für die Versöhnung zwischen Juden und Katholiken gewürdigt, so etwa den
Einsatz der Schulschwestern in der Friesgasse durch die Verleihung der "Friedrich Torberg-Medaille".
Mit dem Gedenken an den Verstorbenen verband der Wiener Weihbischof zugleich die Hoffnung, dass alle politischen
Kräfte im Land sich besinnen mögen, um "einen noch immer nicht ausgerotteten, ja da und dort sogar
wieder aufkeimenden Antisemitismus radikal zu bekämpfen".
Paul Grosz wurde am 18. Juli 1925 in Wien geboren. Der Deportation durch die Nationalsozialisten konnte er sich
gemeinsam mit seinem Vater entziehen. Als "U-Boot" gelang es ihm, sich bis Kriegsende durchzuschlagen.
Unmittelbar nach dem Krieg erlernte Grosz das Kürschnerhandwerk. 1947 holte er die Matura nach, ein Jahr darauf
begann er ein Chemiestudium. 1950 wanderte Grosz in die USA aus. Bereits 1955 kehrte er nach dem Tod seines Vaters
aber nach Österreich zurück.
1972 wurde er erstmals in den Vorstand der IKG gewählt, 1987 wurde er deren Präsident. 1998 löste
ihn der nunmehrige Präsident Ariel Muzicant ab. |