Innsbrucker Wissenschaftler finden Regulator für Zelltod beim Prostatakarzinom
Innsbruck (scinews) - Rund 1200 Männer sterben jährlich in Österreich an Prostata-Krebs.
Europaweit muss jeder Zehnte im Laufe seines Lebens mit dieser Erkrankung rechnen. Die genauen Ursachen für
die Entstehung und das Wachstum des Prostatakarzinoms, des häufigsten, bösartigen Tumors beim Mann, sind
ungeklärt. Innsbrucker Wissenschaftler haben nun erstmals ein wichtiges Protein für das Wachstum von
Prostata-Krebs entdeckt. Die Zeitschrift "Cancer Research" berichtet darüber in ihrer aktuellen
Ausgabe.
Weshalb Zellen der Vorsteherdrüse (Prostata) plötzlich entarten und unkontrolliert wachsen, ist bisher
nicht bekannt. Der Molekular-Pathologe Univ.-Prof. Dr. Zoran Culig von der Innsbrucker Universitätsklinik
für Urologie und sein siebenköpfiges Team erforschen als eine weniger Gruppen in Mitteleuropa jene Signalwege,
die beim Entstehen und Wachsen von Prostata-Krebs im Mikrokosmos der Zellen ablaufen. Das Team hat nun in Zellen
des Prostata-Karzinoms nachgewiesen, dass ein Schlüsselprotein den Zelltod reguliert. Dieses als "SOCS-3"
bezeichnete Protein zählt zur Klasse der "Suppressor of Cytokine Signaling" genannten Eiweißstoffe.
Wie das Team jetzt herausfand, forciert dieses Schlüsselprotein das Wachstum von Prostata-Krebs dadurch, dass
es den Zelltod verhindert.
Die kurz "SOCS" genannten Eiweißstoffe - bisher sind sieben bekannt - unterdrücken im Körper
die Wirkung von Zytokinen. Sie legen damit einen Sicherheitsmechanismus des Körpers bei der Regulierung des
gesundes Gleichgewichtes von Zelltod und Zellteilung lahm. SOCS-Proteine haben in verschiedenen Tumorarten unterschiedliche
Wirkungen. "Beim Prostata-Karzinom blockiert das als ´SOCS-3` bezeichnete Protein bestimmte Botenstoffe,
die Zytokine. Der Zelltod, die sogenannte Apoptose, wird damit verhindert. Wird SOCS-3 jedoch durch spezifische
Substanzen niederreguliert, sterben die Krebszellen ab", erklärt Culig. Das Innsbrucker Team hat in Zusammenarbeit
mit Kollegen vom Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung in
Wien und der Abteilung Urologie des Landeskrankenhaus Feldkirch bei seinem neuesten Experiment die Konzentration
von SOCS-3 in Zellkulturen im Labor durch eine interferierende RNA ("siRNA") unterdrückt, dabei
kam es zu einem plötzlichen Absterben von Krebszellen. Der Erstautor der Arbeit, Mag. Martin Puhr, der an
seiner Dissertation arbeitet, hat für Ergebnisse dieses Teilprojektes den Preis der Französischen Gesellschaft
für Prostatakarzinomforschung (ARTP) bekommen.
Kommunikation des Karzinoms verstehen
Mit der Aufklärung der Rolle dieses Proteins haben Culig und sein Team einen neuen Signalweg entdeckt,
der bei der Entstehung und dem Wachstum von Prostata-Krebs eine essenzielle Rolle spielen könnte. "Wir
versuchen, die Entstehung von Krebs, damit die Kommunikation des Karzinoms von Anfang an, zu verstehen. Jene Signale,
die zwischen den Zellen fehlgeleitet ablaufen, spüren wir auf. Vereinfacht erklärt, erforschen wir, was
genau hinter der Entstehung und dem Voranschreiten von Prostata-Krebs auf molekularer Ebene abläuft, denn
bei Krebs läuft die Fehlleitung von Signalen kaskadenartig, wie ein Wasserfall, ab", sagt der Molekular-Pathologe.
Das Prostata-Karzinom ist eine der häufigsten Krebserkrankungen der westlichen Welt und nur bei frühzeitiger
Diagnose sehr gut behandelbar. Die Gruppe Culigs gilt - wie vor Kurzem durch eine Evaluation belegt - in diesem
speziellen Forschungsbereich als eine der international renommiertesten. Zusätzlich zum nun erbrachten Nachweis,
dass SOCS-3 das Wachstum von Prostata-Krebs forciert, hat das Team heuer bereits gezeigt, dass das als "SOCS-1"
bekannte Protein eine konträre Wirkung hat und die unkontrollierte Vermehrung kanzerogener Zellen der Vorsteherdrüse
einschränken kann. Die Ergebnisse der Innsbrucker Grundlagenforschungen sind für weitere Krebsarten,
wie z. B. Tumore des Gehirnes und des Hodens, von Bedeutung.
Eine wichtige, übergeordnete Erkenntnis des Teams und weiterer renommierter Krebsforscher in diesem Spezialgebiet
ist, dass Tumorzellen lernfähig und trickreich sind, weshalb die seit den 1960er Jahren eingesetzte Hormon-Therapie
bei fortgeschrittenem Prostata-Krebs in vielen Fällen nicht mehr wirkt. Langfristiges Ziel der Innsbrucker
Grundlagenforschungen ist daher, experimentelle Grundlagen für eine neue Therapie gegen Prostata-Krebs zu
liefern. Gefördert werden diese Forschungen von der EU und vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF). |