Die Alterung der Gesellschaft hat einen stabilisierenden Einfluss im Wettbewerb der Regionen.
Zu diesem Ergebnis kommt ein interdisziplinäres Team aus ExpertInnen
Wien (tu) - Unter Wirtschaftsregionen gibt es Gewinner und Verlierer. Die Neue Ökonomische Geografie,
deren Schöpfer Paul Krugman im vergangenen Jahr den Nobelpreis erhielt, hat eine Theorie dafür geliefert,
was einzelne regionale Wirtschaftsräume erfolgreich macht. "Das Problem mit dieser Theorie und den darauf
aufbauenden Arbeiten ist aber, dass sie von handelnden Personen ausgehen, die alle vollkommen gleich sind und ewig
leben", meint Alexia Fürnkranz-Prskawetz, Professorin für Mathematische Ökonomie am Institut
für Wirtschaftsmathematik der TU Wien. Die Expertin für Bevölkerungsökonomie leitet ein interdisziplinäres
Team, das ein neues Modell für die Dynamik von regionalen Wirtschaftsräumen entwickelt hat. Es macht
Vorhersagen, die den klassischen Theorien zur räumlichen Ballung von wirtschaftlicher Aktivität in einer
Region, so genannter Agglomeration, widersprechen. "Unser Modell zeigt beispielsweise, dass es durch größere
wirtschaftliche Vernetzung zweier Regionen nicht zwangsläufig zu einer Deindustrialisierung in einer der beiden
kommen muss", erklärt Fürnkranz-Prskawetz.
Erste wissenschaftliche Preise
Klassische Modelle sagen voraus, dass Betriebe sich eher in Ballungsregionen ansiedeln, wenn die Vernetzung
unter einzelnen Produktionsstätten stärker wird. "Unser Modell zeigt jedoch das Gegenteil: Trotz
der steigenden Vernetzung und Bestrebungen, Transportkosten zu senken, bleiben einmal entstandene Industriestandorte
erhalten", erklären Mag. Theresa Grafeneder-Weissteiner (WU) und Dr. Klaus Prettner (ÖAW). Die Arbeit
der Forschungsteams ist bereits mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet worden. Das interdisziplinäre Projekt
wird vom WWTF, dem Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds, gefördert.
Alterung der Gesellschaft eingerechnet
Die Quelle der neuen Erkenntnisse sehen die Forschenden darin, dass die Neue Ökonomische Geografie
die Alterung von Gesellschaften nicht berücksichtigt. "Uns hat verwundert, dass zwar das Problem des
demografischen Wandels seit langem in aller Munde ist, in aktuellen volkswirtschaftlichen Modellen entweder gar
nicht oder wenn, dann nur vereinfachend vorkommt", schildert Gernot Tragler, Professor am Institut für
Wirtschaftsmathematik der TU Wien seine Motivation, am Projekt mitzuarbeiten. Das Team aus DemografInnen der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften, Ökonominnen und Ökonomen der Wirtschaftsuniversität Wien und WirtschaftsmathematikerInnen
der TU Wien begann, ein Modell zu entwickeln, das auch die Bedürfnisse alternder Menschen berücksichtigt.
Komplexes mathematisches System
"Klassische ökonomische Modelle sind oft statisch, wir mussten einen dynamischen Ansatz wählen,
bei dem Veränderungen besser berücksichtigt werden", sagt Tragler. So verwendete das Team Parameter
von bereits erschienenen Studien und entwickelte ein innovatives mathematisches Modell, das Veränderungen
in der Zeit und mit dem Lebensalter zuließ. Dabei haben es die Forschenden mit komplexen mathematischen Systemen
zu tun. "Weil wir mit Änderungen in der Zeit und zugleich mit dem Lebensalter arbeiten, haben wir die
Methode der so genannten partiellen Differentialgleichungen gewählt, die auch in Physik und Technik breite
Verwendung findet", erklärt er. "Wir berücksichtigen darin die sich verändernden Lebensumstände
älter werdender Gesellschaften, zum Beispiel die Tatsache, dass mit zunehmendem Alter der Menschen der Konsum
steigt und daher ihre Sparquote sinkt." |