Nationale und internationale Wirtschaftspolitik konnte Finanzkrise diesmal stoppen   

erstellt am
18. 09. 09

Wien (wifo) - In einem Vortrag von Karl Aiginger bei der OECD-Tagung über die Ursachen und Folgen der Finanzkrise am 21. September 2009 in Paris vor den Vertretern der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute aus Europa, den USA, Japan und Australien über den Vergleich der derzeitigen Wirtschaftskrise mit der Großen Depression der 1930er-Jahre stehen zwei Aspekte im Vordergrund: die Tiefe der beiden Krisen und die Politikreaktionen.

In der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre - zwischen dem Höhepunkt 1929 und dem Tiefpunkt 1932 - ist die Wirtschaftsleistung in Österreich um 20% gesunken. In der derzeitigen Wirtschaftskrise und unter der Annahme, dass die Talfahrt noch 2009 zu Ende geht, beträgt der Rückgang 3% bis 4%, unter Berücksichtigung von Quartalszahlen 4% bis 5%. Österreich war in der Weltwirtschaftskrise eines der am stärksten betroffenen Länder (nach den USA mit 27% und vor Deutschland mit 16%). Heute ist der Rückgang in Österreich geringer als in den USA und im Euro-Raum, besonders im Vergleich mit Deutschland und Italien.

Zu dem geringeren Ausmaß des Produktionsrückganges in der aktuellen Krise hat erstens die kürzere Dauer beigetragen, zweitens institutionelle Faktoren und drittens die geschlossene und rasche Reaktion der Wirtschaftspolitik. Die Weltwirtschaftskrise 1929/1932 ist in mehreren Phasen abgelaufen, beginnend mit einem Zusammenbruch des Aktienmarktes, gefolgt von einem Einbruch der Exporte und verlängert durch den Zusammenbruch von Banken. Die derzeitigen Prognosen gehen von einem Ende der derzeitigen Krise zumindest für die USA und den Euro-Raum noch in diesem Jahr aus, gefolgt von einem geringen Wachstum im Jahr 2010. Die Probleme auf dem Arbeitsmarkt bleiben allerdings noch mindestens ein weiteres Jahr erhalten und lösen sich auch anschließend nur bei einem mittelfristigen Wachstumstempo das derzeit nicht erwartet wird.

Alle drei Phasen der Weltwirtschaftskrise des vorigen Jahrhunderts sind in der jüngsten Finanzkrise in einer kürzeren Zeit, nämlich von etwas über einem Jahr, eingetreten. Sie wurden von einer entschlossenen, frühen und auch international koordinierten Reaktion der Geldpolitik und der Fiskalpolitik abgemildert. In der Weltwirtschaftskrise war die Geldpolitik zunächst leicht bremsend und dann zwei Jahre eher passiv, die Geldmenge begann durch Nachfragerückgänge und höhere Reservehaltung zu sinken. Die Preise sanken in einzelnen Ländern um bis zu 20% (Deflation). Die Fiskalpolitik versuchte sogar, die durch sinkende Steuereinnahmen entstandenen Defizite durch Steuererhöhungen und Zölle zu vermeiden. Staatliche Garantien und Kapitalzuführungen für Banken waren - anders als heute - bruchstückhaft und unkoordiniert, und konnten Kapitalabflüsse und Abhebungen nicht verhindern.

Das Potential für eine stärkere Krise war 2008 durchaus gegeben. Der Rückgang der Exporte und der Industrieproduktion hatte einige Monate das Ausmaß der Weltwirtschaftskrise. Die Synchronisierung des Produktionsrückganges war durch die stärkere Vernetzung der Exporte und der Direktinvestitionen in der globalisierten Weltwirtschaft größer. Die Weltwirtschaft ist heute allerdings auch multipolar, China und Indien konnten sich früh vom Abwärtstrend lösen, teilweise durch Einsatz von Budgetüberschüssen und Staatsfonds. Auch ist der Anteil der Industrie an der Wirtschaftsleistung heute in den Industriestaaten geringer und der Anteil des stabilisierenden öffentlichen Sektors größer, ebenso sind die automatischen Stabilisatoren (Rückgänge bei den Steuereinnahmen, erhöhte Ausgaben für Arbeitslosigkeit) höher. Dies hat zusätzlich zu den "Konjunkturpaketen" den Abschwung und damit auch die Arbeitslosigkeit gedämpft. Die Konjunkturpakete waren in den nicht europäischen Ländern höher. Auch Österreich hat früh und in hohem Ausmaß durch zusätzliche Ausgaben und eine Steuerreform die Nachfrage gestärkt. Eine Lehre aus der Weltwirtschaftskrise ist, dass die staatliche Hilfe - das gilt heute für Geldpolitik, Fiskalpolitik und für die Bankenstützungen - nicht zu früh zurückgenommen werden soll. Zukunftsweisende Strukturveränderungen und der Abbau der Schulden sollen in die Wege geleitet werden, aber Einsparungen sollen erst voll einsetzen, wenn die private Nachfrage stabil und dynamisch ist. Das würde entschieden dazu beitragen ein Wiederaufflammen der Krise unwahrscheinlicher zu machen, und die Erholung robuster und zukunftsorientiert zu gestalten.
     
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