Brüssel (europarl) - Am 14.09. debattierte das Parlament über die Rede José Manuel Barrosos,
bevor es am Mittwoch über seine Ernennung zum Kommissionspräsidenten entscheiden wird. Nachdem Barroso
in der vergangenen Woche sein Programm für die kommenden fünf Jahre in den Fraktionen verteidigt hatte,
stellte er nun seine politischen Leitlinien dem gesamten Parlament vor. Die Fraktionen drückten entweder ihre
Zustimmung zu oder ihr fehlendes Vertrauen in Barroso aus, einige forderten konkretere Maßnahmen.
Barroso setzte den Akzent auf die Wiederbelebung der Wirtschaft verknüpft mit einer sozialen Marktwirtschaft
und sprach verschiedene Vorschläge an, die er umsetzen möchte, sollte er gewählt werden. "Ich
verpflichte mich, soziales Dumping zu bekämpfen", sagte er und kündigte eine Überarbeitung
der Arbeitszeitrichtlinie an. Er versprach auch Initiativen zur Abschaffung der Gehaltsunterschiede zwischen den
Geschlechtern. Was den EU-Haushalt angeht, schlug Barroso vor, "sich hin zu einem Ansatz zu bewegen, der auf
Solidarität beruht". Er unterstrich, dass "die EU eine transparentere und effizientere Art braucht,
um ihre Politiken zu finanzieren".
Barroso versprach auch den Aufbau der EU-Kommission zu ändern: zukünftig solle es einen Kommissar für
Justiz, Grundrechte und bürgerliche Freiheiten, einen Kommissar für innere Angelegenheiten und Migration,
einen Kommissar für Klimaschutz sowie "einen wissenschaftlichen Berater für Forschung und Innovation"
geben.
Fraktionsvorsitzende:
Der Fraktionsvorsitzende der EVP Fraktion, Joseph DAUL (Frankreich), bestätigte, dass seine Fraktion Barrosos
Kandidatur unterstütze. Er warnte jedoch, dass "dies kein Blankoscheck ist", und Barroso "unsere
Erwartungen erfüllen muss". Er forderte weiterhin Barroso auf, keine Zeit zu verlieren und die neuen
Mitglieder der Kommission schnell zu benennen. "Die Bürger Europas haben sich im Juni für die EVP
ausgesprochen " und "wir unterstützen nun Barroso", da er bewiesen hat, dass er ein anerkannter
Kandidat ist", sagte der Abgeordnete.
Martin SCHULZ (SPD) erklärte, dass Barroso nicht die Unterstützung der Fraktion der Sozialisten &
Demokraten habe. Er bekräftigte jedoch, dass sich die Fraktion erst heue Nacht treffen werde, um eine endgültige
Entscheidung zu fällen. "Wir brauchen eine Richtungsänderung in der EU", sagte Schulz, "Daran
werden wir Sie messen". Er unterstrich die Notwendigkeit neuer europäischer Gesetze wie z.B. "einer
Richtlinie für die öffentlichen Dienstleistungen für die Daseinsvorsorge". "Es geht für
uns auch um programmatische Fragen. Europa zu reduzieren auf die Frage einer einzelnen Person (...), das reicht
nicht", so Schulz.
Guy VERHOFSTADT (Belgien) erklärte, dass die ALDE/ADLE Fraktion die Kandidatur Barrosos unterstütze,
sofern er auf ihre Forderungen nach einem gemeinsamen Plan zur Sanierung des Bankensystems und einer Zwischenbilanz
zur Verstärkung der Bankenaufsicht eingehe. "Einige Fraktionen sind nicht von Barrosos Leitlinien überzeugt,
aber wir haben die Verantwortung, eine endgültige Entscheidung so schnell wie möglich zu treffen",
erklärte Verhofstadt.
"Die Fraktion der Grünen/FEA hat kein Vertrauen in Sie", sagte Daniel COHN-BENDIT (Frankreich).
"Wir denken, wir verdienen jemand Besseren als Sie", fügte er hinzu. Er forderte auch die Verschiebung
der Abstimmung, um dem Ergebnis des irischen Referendums über den Vertrag von Lissabon Rechnung zu tragen:
"Sollten die Iren für Lissabon stimmen, dann haben wir eine neue Situation, was die Kommission betrifft".
Micha? Tomasz KAMIN'SKI (EKR, Polen) erklärte, er unterstütze die Ernennung des designierten Kommissionspräsidenten
Barroso. "Es gibt viele Themen, bei denen wir nicht mit Barroso übereinstimmen, beispielsweise der Lissabon
Vertrag, aber er ist gegen nationale Egoismen, und deswegen unterstützen wir ihn", erklärte der
Abgeordnete.
Lothar BISKY (Die Linke) betonte die Notwendigkeit einer " sozialen, friedlichen, wirtschaftlich nachhaltigen
und demokratischen Europäischen Union" und erklärte, dass " Barroso als Präsident dafür
der falsche Mann ist".
Nigel FARAGE (Vereinigtes Königreich) sagte für die EFD-Fraktion, dass das EP nicht über Barrosos
Kandidatur abstimmen solle, solange die Iren nicht über den Lissabon-Vertrag abgestimmt hätten.
Krisztina MORVAI (Fraktionslos, Ungarn) setzte sich für "einen fundamentalen Wandel" in Europa ein
und betonte, dass "wir die Grundrechte der Menschen fördern müssen".
Ministerrat
Cecilia MALMSTRÖM betonte noch einmal im Namen des Ministerrates, dass Barroso einstimmig von den 27 Staats-
und Regierungschefs verschiedener Parteien nominiert worden war. Die schwedische Ministerin für EU-Angelegenheiten
unterstich, dass man sich über die Ernennung des Kommissionspräsidenten einigen muss, um unter anderem
Gewissheit, Stabilität und effektives Handeln zu gewährleisten. |