Genetische Ursachen von Autismus   

erstellt am
15. 09. 09

Forscher der Med Uni Graz untersuchen die Rolle von Kopienzahlvariationen im menschlichen Genom
Graz (universität) - Das breite Spektrum autistischer Störungen reicht von geistig schwer behinderten frühkindlichen Autisten bis zu Universitätsprofessoren mit Asperger- Syndrom. Die Forschung geht heute davon aus, dass die verschiedenen Erscheinungsformen des Autismus ganz entscheidend von genetischen Faktoren mitbestimmt werden. Auf der Suche nach den genetischen Ursachen der Erkrankung fahnden OA Dr. Wolfgang Kaschnitz, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Med Uni Graz, und Univ.-Prof. Mag. DDr. Erwin Petek, Institut für Humangenetik der Med Uni Graz, nicht nach einzelnen veränderten Bausteinen im Erbgut der Betroffenen, sondern nach größeren Chromosomenabschnitten, die entweder fehlen oder in doppelter Ausführung vorliegen. Abweichungen der Anzahl der Kopien bestimmter DNA-Abschnitte innerhalb des Genoms werden zunehmend als Ursache für Krankheitsanfälligkeiten diskutiert und könnten auch eine wichtige genetische Grundlage für autistische Störungen sein.

Welch großen Stellenwert die Genetik bei der Entstehung von Autismus hat, zeigen unter anderem Zwillingsstudien: Während eineiige Zwillinge eine Konkordanz von 80-90% aufweisen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide Kinder erkranken, bei zweieiigen Zwillingen wesentlich geringer. Kompliziert wird die Situation dadurch, dass Autismus durch eine Vielzahl von Genen verursacht wird, deren variables Zusammenspiel die Erklärung für die unterschiedlichen Ausprägungen der Erkrankung sein dürfte. "Derzeit geht man von rund 20 Hauptgenen aus", erklärt Univ.-Prof. Erwin Petek. "Zusätzlich spielen auch noch Umweltfaktoren eine Rolle, über die aber noch sehr wenig bekannt ist", so Prof. Petek. Sicher ist nur, dass die lange Jahre propagierte These einer Mutter-Kind-Interaktionsstörung nicht haltbar ist.

Copy number variants
Die Untersuchung der Kopienzahlvariationen beruht auf einer Technik, die erst seit wenigen Jahren zur Verfügung steht. Mittels Microarray Analyse ist es möglich, das gesamte Genom nach Deletionen oder Duplikationen von Chromosomenabschnitten zu durchsuchen. Bisherige Untersuchungen deuten darauf hin, dass bei Patienten mit Autismus die Zahl neu entstandener Copy number variants (CNV) erhöht ist. Zudem wurden in den betreffenden Chromosomenabschnitten Gene gefunden, die schon zuvor mit Autismus in Zusammenhang gebracht wurden.

In dem von Prof. Petek und Dr. Kaschnitz Anfang 2009 begonnenen und von der Österreichischen Nationalbank mit 75.000 € finanzierten Projekt ist geplant, 70-100 Patienten mit einer "Autismus Spektrum Störung" zu untersuchen. Um die Bedeutung gefundener CNVs für die Pathogenese der Erkrankung richtig einschätzen zu können, ist auch die genetische Untersuchung von Familienmitgliedern unabdingbar. Bei der Rekrutierung der Studienteilnehmer können die Forscher auf die etablierte Infrastruktur, die Dr. Kaschnitz im Laufe der Jahre aufgebaut hat, zurückgreifen. "Die kinderpsychiatrische Diagnostik erfolgt primär an der Kinderklinik", so der Pädiater. "Die aufwendige genauere Differenzierung und Einstufung wird dann im Verein Libelle, der sich mit der Therapie autistischer Kinder beschäftigt, durchgeführt", führt Dr. Kaschnitz weiter aus. Dazu werden die standardisierten Instrumente ADOS (Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen) und ADI-R (Autismus Diagnostik Interview) verwendet. Durch den langjährigen Kontakt findet man bei autistischen Störungen meist eine ausgezeichnete Arzt-Patienten-Beziehung. Dementsprechend ist auch die Compliance der um Mitwirkung an der Studie gebetenen Familien außerordentlich hoch. Bisher wurden etwa 50 Patienten Blutproben abgenommen.

Als Ziel des Projektes sieht es Prof. Petek nicht nur, einen Beitrag zur Grundlagenforschung zu liefern: "Sollte sich die erhoffte hohe Aussagekraft der CNVs bestätigen, könnte die Methode mittelfristig auch in die Diagnostik autistischer Störungen einfließen."
     
Informationen: http://www.medunigraz.at.    
     
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